“Ich kann ihnen die Miete nicht mehr zahlen. Die Bude ist abgebrannt.”
“Wie soll ich leben. Meine Wäscherei schleppt sich dahin.”
“Soweit mir bekannt, sind sie mit vierzigtausend Mark versichert. Da machen sie aber ein Schnäppchen. Der erste Eindruck, sagt die Polizei ist Brandstiftung.” “Alle meine Geschäftspapiere sind verbrannt,”fügte Bernd sinnierend hinzu.
“Da haben sie aber Glück gehabt.”
Der Verpächter hatte Recht. Schlechte Nachrichten sind immer gute Nachrichten in Verkleidung.
“Was machen sie da? ”Fragte eine Stimme von oben als Bernd alle seine Geschäftspapiere in dem leeren Ölfass am Hang verbrannte.
“Ich entsorge das, was ich verkohlt zusammenharken konnte.”
“Wir sind gekommen, die Brandursache zu ermitteln. Wir sind von der Kripo.” “Sie dürfen keine Beweismittel in ihrer Tonne kokeln,” fügte er
nach kleiner Pause hinzu. Beide Herren schauten mißtrauisch den Hang herunter auf den Stapel Akten neben der Tonne.
Der zweite Eindruck war Brandstiftung. Vermutlich mittels einer Kerze unter dem Bett.
Die erste Nacht verbrachten Jacqueline und Bernd bei Uta.
Die zweite Nacht in Anjas Wohnung in Neukölln.
Die dritte, vierte und fünfte Nacht in einer luxuriösen Wohnung in der Berliner Strasse in Wilmersdorf, die dem merkwürdigen Helmut gehörte. Helmut war Helmut und kam jeden Freitag seit vier Wochen um punkt achtzehn Uhr zu Bernd in den Kiosk um tausend Mark zu borgen, die er verlässlich am Montag um zehn Uhr mit zehn Prozent Verzinsung zurückbrachte. “Ich bin Finanzbeamter, ”pflegte er zu sagen, ”Ich bin verläßlich. Ich bin beim Finanzamt Wilmersdorf. Ich mache über das Wochenende Geschäfte. Ich brauche die tausend Mark um lukrative Geschäfte zu tätigen.”
“Hier,” sagte er mit weltmännischer Geste und öffnete die Wohnungstür, ”hier könnt ihr leben.” Und ging in seine Zweitwohnung.
“Hier,” sagte Jacky, ”schlafen wir mit den Decken vom Bett auf dem Fußboden vor dem Bett.”
“Hier, ”sagte in aller früh des dritten Tages eine erregte weibliche Stimme und weckte sie auf. “Hier, wohne ich.” Und schrill nachsetzend, “wir werden die Polizei haben. Wir werden euch an die bewachten Orte führen lassen.”
“Du Arschloch ,”sagte Bernd zu Helmut als der Geld holen kam. “Sie hat uns aus dem Schlaf gerissen.”
“Ich weiß,” erwiderte der, ”wie konnte ich wissen, daß sie so früh aus dem Urlaub zurückkommen würde. Sie hat die Decken in die Wäscherei gegeben.”
Am nächsten Tag zogen sie nach Alt Moabit in Karl Hannes Wohnung der praktischerweise vor einer Woche umgezogen war und seine Wohnungseinrichtung zurückgelassen hatte, damit andere sie auf den Sperrmüll bringen mochten.
“Gott bin ich froh, aus diesem finsteren Loch herauszukommen. Die Toilette ist auf halber Treppe. Im Winter ist sie zugefroren, im Sommer stinkt sie. Ihr braucht eine Kerze, wenn ihr nachts drauf wollt. Und einen Bindfaden um die Tür zuzuhalten wenn die Kinder auf der anderen Seite ziehen. Achtet auf das Papier. Hier wird geklaut.” Er hatte es eilig.
“Ich bin auch arm, ”meinte der vormalige Verpächter, ”fünfzehntausend Mark, dann treten sie die Nachfolge im Grundstückspachtvertrag an und können über ihren Besitz verfügen. Dann wird das alles ihnen gehören.”
“Das geht nur in Raten.”
“Raten sind gut. Dann wird all das ihnen eines Tages gehören. Ich mache den Notartermin.”
Nunmehr wurde gebaut. Nachdem der Ruß, Schutt und Abriß beiseite geschafft war, Werktags von siebzehn Uhr bis Mitternacht. Sonnabends
und Sonntags von Licht bis Licht , nachdem der Einarmige sich erboten hatte, weitere Schichten zu übernehmen.
Das Haus wurde an einem Flügel etwas länger und mit einem Dachgeschoß etwas höher. Die Materialkosten fingen an, die Dienstleistungskette zu überfordern.
“Ich hab noch etwas Geld,” sagte Herr Sommer,” ich kann bis zum 15. warten,”
“Ich muß kassieren,” sagte der Mann von BPV, ”sonst darf ich morgen früh keine Zeitungen abwerfen.”
“Ich muß auf pünktlicher Bezahlung beharren,” sagte Frau Lärmbecher, die immer dieses rassige Weib mit den grünen Augen mit der Tabaksendung, die Bernd beide nicht missen mochte, schickte, durch das Telefon.
“Sie schulden mir bereits fünfhundert Mark Lohn. Ich muß jetzt kündigen,” jammerte Frau Schacke und setzte sich zur Ruhe.
“Ich brauche immer wenig Geld,” sagte der Einarmige zufrieden und weckte Bernds Mißtrauen.
“Ich will nicht mehr,” sagte Dexling der Taxiunternehmer mit dem Opel C Rekord, der zwei alte Transporter in die Firma Appel & Ei, Bernds Autovermietung, eingebracht hatte und damit kein Geld zu verdienen vermochte, weil die Kinder der Kolonie in der er leichtsinnig den einen Transporter abgestellt hatte, die Kiste demontiert hatten. Mit dem anderen Transporter war Bernd in der Nordkurve umgekippt, nachdem er von einem großen blauen Bus an den Hang gedrängt worden war, grad als er um die Ecke kam.
“Es war ein großer blauer Bus.”
“Es war ein solider schöner Posttransporter mit Schiebetür. Nun ist es eine Ziehharmonika mit Schiebetür die sich nicht mehr schieben lässt.”
“Wir ziehen jeden Tag 450 Mark aus dem Geschäft.” Sagte Bernd zu Jacky. “Wir werden in den Pappkarton ziehen.”
“Du ziehst jeden Tag 450 Mark aus dem Geschäft. Du wirst in den Karton ziehen.”
“Wir müssen mal ausspannen,” plauderte Köwenick den anderen Tag durch den Telefondraht. “In sechs Wochen geht ein Flug nach Korea. Charter. Mit all den koreanischen Krankenschwestern. Billig. Hasi hat Beziehungen und kann drei Flugkarten bekommen.
Tausendsiebenhundertfünfzig Mark. Hin und zurück.”
“Gut, in sechs Wochen krieg ich das auch noch zusammen.”
Beim Kaffee in der Stadt einige Wochen später rechnete Köwenick, der sich durch Geschäftstüchtigkeit auszeichnete, vor, wie man durch Tagesgeld der Krankenversicherung die Ausflugskosten nach Korea ersetzt bekommen konnte, so man denn krank sein wollte und rief Tacka an, einen Termin zu vereinbaren.
“Setzen sie sich da drin hin.” sagte die Arztschwester wirsch, als sie die Praxistür öffnete und Bernd bedeutete, einzutreten.
“Wenn sie einen Platz finden, setzen sie sich da drin hin.” Sie verlangte die Papiere.
“Welche Unterlagen, “ verlangte Bernd zu wissen. “Man hat mir nicht gesagt, daß ich Unterlagen haben muß. Ich bin nur krank”
“Hier sind alle krank. Nicht wahr? In ihrem Alter. Waren sie noch nie beim Arzt. Sehen sie sich um. Sie glauben sie haben Probleme? Mit der Gesundheit? Was ist mit mir. Sehen sie all die Horden hier? Wenn hier jeder von diesen Kranken mich anmachen würde. Geben sie ihre Versicherungskarte her und halten sie mich nicht von meiner Arbeit ab.”
“Es ist die Aachener,” sagte Bernd leicht irritiert. “Ich hab die Nummer hier aufgeschrieben. Weil der Vertrag bei einem Brand verschwand.”
“Ein Privater,” stellte die Schwester sachkundig fest. “Da wird sich der Doktor aber freuen.”
Sie schob die Massen im Flur auseinander und zog Bernd am Arm in ein helles Zimmer in dem es ruhig war. Sie öffnete ohne anzuklopfen die angrenzende Tür und säuselte melodisch : “Ein Privatpatient.”
“Sie können jetzt gehen,” ertönte eine männliche Stimme laut und bestimmt im Nebenraum.
“Aber sie haben mich doch noch gar nicht richtig untersucht,” klagte eine weibliche Stimme.
“Ich weiß was sie haben; sie kommen ja oft.”
“Der Doktor kommt gleich zu ihnen,” sagte die Schwester freundlich und suchte ihren Arbeitsplatz im Getümmel des Flures auf, um die Stellung zuhalten.
“Kommen sie nur her ein, ”Der Doktor stand in der Tür und strahlte Zuversicht, Verständnis und Frohsinn aus. “Wie kann ich dienen?”
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