1 ...7 8 9 11 12 13 ...25 Das Vorzimmer, der Boden, wurde mit geflammten Fliesen belegt, die vom Baumarkt stammten und billig waren. Die Fassade war nunmehr rundum verputzt und weiß gestrichen worden. Ein Balkon kragte nach Norden hin aus und war halb von dem Giebeldach überdeckt, so daß an
Schlafen auch bei Regen zu denken war. An draußenschlafen. Auf dem
Haus war eine eingefasste Plattform in Größe von fünfzehn Quadratmetern entstanden, auf der sie sich im Sommer zwischen den Baumkronen sonnen konnten. Auf der Südseite gab es in Höhe des Dachgeschosses einen weiteren, größeren Balkon, der ebenfalls mit Fliesen belegt wurde, aber nie wasserdicht wurde, so daß er bald zu rotten begann.
Mit insgesamt etwa einhundertfünfundachtzig Quadratmetern Wohn-, Nutzfläche war ein gemütliches, hübsches Heim entstanden.
“Jetzt sind wir bald fertig,” sagte Bernd zu Jacqueline, ”und du hast einen Anteil und ein Recht hier zu leben erworben.”
“Wir könnten nach Indien fahren und dann wieder zurück,”sagte Bernd zu Köwenick beim nächsten Essen in der Stadt.
“Nach Indien.” “Klar, mit dem Auto, einem Auto. Dem Opel A Rekord. Der ist stabil und nicht mehr zu vermieten. Die Kunden wollen doch eher etwas zeitgemäßeres.”
“Mit einem Auto? Fragte Köwenick ungläubig und sah Bernd zweifelnd an.
“Ganz recht, vier Wochen, jeder achthundert Mark. In Persien ist das Benzin und das Öl billig. In Afghanistan spottbillig.”
“In vier Wochen? Wieviel Kilometer sind das?”
“Siebentausendundfünfhundert nach Kabul von etwa München aus. Von Kabul nach Hussainiwala ungefähr anderthalbtausend.”
“In vier Wochen. Mit achthundert Mark? Mit einer deiner Schüsseln?”
“Wenn das Auto erst mal läuft, läuft es. Wir nehmen Draht und ein paar Ersatzteile mit.”
“Das wären dann so achtzehntausend Kilometer.” Köwenick rechnete argwöhnisch,
” Macht sechshundertfünfzig am Tag.”
“Ganz recht, wir machen achthundert Kilometer am Tag und haben dann ein paar Tage Zeit, zu ruhen, saufen, baden. Saufen geht da nicht, allenfalls in Pakistan. Schwimmen geht da auch nicht. Auch nicht in Pakistan. Es sei denn, du willst in das Gebirgsgewässer neben der Strasse Kabul Kyber Paß tauchen um zu erfrieren und zu ersaufen.”
“Achthundert macht dann knapp dreißig Mark am Tag. Wie soll das gehen, wo wir andauernd tanken müssen.”
“Mit Geld ist nichts ein Abenteuer. Und mit fehlerfreier Ausrüstung ist nichts ein Risiko. Fünf Mark für Fressen. Schlafen werden wir im Auto. Bei achthundert Kilometer bleibt eh keine Zeit lange anzuhalten. Ich dachte du wolltest mal ein kleines Abenteuer erleben. Das geht am Besten, wenn man knapp bei Kasse ist. Macht die Sache interessanter.”Bernd wußte, daß Köwenick, der satt mit Geld ausgestattet war, wie seinerzeit in Korea auch auf dieser Reise bündelweise Geld und Schecks mitschleppen würde. Köwenick hatte ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis. “Geht die Knete aus, schlagen wir uns über Karatschi auf einem Dampfer nach Mosambik durch und fahren per hitsch hike heim.”
“Dampfer?” “Sicher, wir schleichen uns nachts auf einen Dampfer der
nach Mosambik geht und verstecken uns in den Rettungsboten. Wenn sie welche haben.” “Und wenn sie uns entdecken?” “Oh, sie werden uns ganz sicher entdecken. Wir wollen doch nicht verdursten und verhungern. Nicht wahr?” “Und dann?” “Dann schmeißen sie uns über die Seite. Auf halbem Wege.” “Seite? Schmeißen?” “Über Bord. Sie müssen uns schließlich wieder los werden.” “Du meinst, sie ermorden uns?” “Oh nein, das siehst du falsch. Sie ermorden uns nicht. Das würden sie sicherlich nicht tun.” “Aber wir ertrinken.” “Natürlich. Du ertrinkst, ich warte.” “Auf was?” “Auf dein ertrinken. Wenn du dann in der brüllenden Sonne des Äquators aufgebläht bist, habe ich was zum Festkrallen.”
Eine Woche später ging es los. Herr Weber würde die Zeitungsbude, Jacqueline das Haus hüten. Auf Herrn Weber war Verlaß. Anja, die Dauerfreundin Köwenicks, hatte eine hohe Dosis Schlaftabletten genommen und ihr war der Magen ausgepumpt worden. “Die Gefahr einer Dauerlähmung besteht nach wie vor. Hat der Arzt gesagt.” Erklärte Köwenick. Startplatz war der Parkplatz auf Bernds Grundstück.
Der Wagen wurde mit dem Nötigsten beladen, Ölwechsel hatte Bernd zuvor bereits gemacht,
sie nahmen Platz, der Motor lief wie eine Nähmaschine. Bernd versuchte den Rückwärtsgang einzulegen, aber der klemmte. Beim erneuten Versuch brach der Hebel der Lenkradschaltung ab. Ungläubig hielt Bernd den stabilen und kompakten Schalthebel in der Hand.
“Der Schalthebel ist abgebrochen.”
“Von sowas hab ich noch nie gehört,” staunte Köwenick, “was machen wir jetzt?”
“Keine Ahnung, wir müssen das Ding wieder anschweißen. Hark hat ein Schweißgerat. Wenn Hark zuhause ist.”
“Da muß die ganze Säule demontiert werden um überhaupt dran zu kommen,” sagte Köwenick, der seine Taxen selbst reparierte und Ahnung hatte.” Das ist ein irrer Aufwand. Ein kapitaler Schaden. Da brauchen wir Ersatzteile.”
“Gehen wir rein und rufen Hark an.” Sagte Bernd niedergeschlagen. Ein schlimmes Omen. Die Reise war vor dem Beginn erledigt. Wo grad die alten Zeiten anstanden. Die Unternehmungslust erstarb.
Hark war, wie zu vermuten stand, nicht mit dem Telefon zu erreichen.
“Er wird sich auf der Arbeit befinden. Er ist Kranführer.”
Sie tranken einen Kaffee und grübelten, ob ein anderes Auto verfügbar wäre, als das Telefon klingelte. Weber war am Apparat und gab die Nummer eines Kunden der Autovermietung durch, der in Michendorf auf dem Rasthof auf Anweisung und Trost wartete.
“Der Wagen hat Feuer gefangen,” sagte der Kunde mit eisiger Stimme am Telefon, “Motorbrand, einfach so.” “Brennt er noch?” fragte Bernd. “Natürlich nicht,” entgegnete der Mann wütend ,”ich würde doch nicht telefonieren, wenn die Kiste noch brennen würde. Ein Stück Scheiße ist das,” brüllte er los, “ich wollte nach Sizilien und stehe jetzt hier. Was ist das für eine Krücke. Was vermieten sie da eigentlich.”
“Ja Scheiße,”sagte Bernd,”ich würde ihnen einen Ersatzwagen geben, habe aber keinen zur Zeit.” “Ich würde von ihnen keinen Ersatzwagen wollen, auch wenn sie ihn mir schenken würden.” Er erhob seine Stimme. “Ich fahre jetzt nach Berlin zurück und miete mir bei einer richtigen Autovermietung einen richtigen Wagen, mit dem ich ruhig nach Sizilien reisen kann.” “ Ohne abzubrennen,” fügte er hinzu. “Ich geb ihnen ihr Geld zurück,” sagte Bernd, der wußte, daß der Kunde Polizeibeamter war und ihm Schwierigkeiten, die er nicht brauchen konnte, die er gerade jetzt überhaupt nicht brauchen konnte, zu machen in der Lage und in der Stimmung sein würde. “Michendorf ist in der DDR. Können sie ihn an jemanden anhängen und nach Dreilinden schleppen? Da könnte ich ihn abholen. Dann wären wir auseinander, ich geb ihnen das Geld zurück und nehme sie mit nach Berlin.” “Na gut, ich probiers. Sagen wir in zwei Stunden in Dreilinden.”
“Ruf jemand an, eine deiner Taxen zu schicken. Wir fahren nach Dreilinden. Das ist ein Notfall. Motorbrand. Ist eine Chance. Kennen wir ja vom Daimler. Ist ein Ford 12 M. Alte Schüssel, aber ich hab hier allerlei Schläuche und Kabel die passen könnten und passend gemacht werden können.” Bernd hielt Köwenick den Hörer hin, “Und wir müssen zur Bude das Geld für den Kokler holen.”
“Ich kann ihnen kein Geld geben,“ sagte Herr Weber bestimmt,” ich muß morgen früh die Rechnungen begleichen. Sie wissen das.” “Geben sie mir das verdammte Geld,” knurrte Bernd, ”ich hab keine Zeit lange zu debattieren,” das ist ein Notfall. Ich sollte jetzt schon in Istanbul sein.” “Ja wenn es ein Notfall ist,” murmelte Herr Weber und machte die Schublade mit der Kasse auf.
Читать дальше