“Überhaupt nicht. Selbst wenn wir einen fänden, müssten wir ihn montieren, entlüften und Bremsflüssigkeit besorgen. In ein paar Stunden wird es finster. Wir müssen aus dem Arsch kommen und dieses Arschloch Kasic auftreiben.”
“Wird auch mit der Handbremse gehen. Sind ja nur tausend Kilometer zurück. Oder so.”
“In den Bergen nutzen wir die Motorbremse im ersten Gang.”
“Wird alles heiß laufen und qualmen.” Schloß Karl Hannes die Diskussion ab.
Sie fragten sich nach der Adresse auf dem Lande durch und fanden eine Abdeckerei. Berge stinkender Felle aller möglichen Tiere waren hier gestapelt. Ein wahres Horrorscenario.
Grauenhaft, dachte Bernd, kann es sein, daß Esek darunter ist?
“Kann es sein, daß der Esel darunter ist?” Fragte Karl Hannes verzagt.
“Ich hoffe nicht, aber zutrauen würde ich es diesen Bastarden. Laß uns aussteigen und nach Kasic fragen.”
“Mein Gott, stinkt das. Wie nach Verwesung.”
Kasic war bekannt, aber nicht anwesend. Zu dieser Zeit wäre er sicherlich zu hause, sagte ein schmieriger Arbeiter mit Gummischürze. Also fuhren sie vorsichtig, wegen der Bremse, nach Laibach zurück und fanden Kasic in seiner Wohnung.
“Herr Dr. Kasic,” sagte Bernd, grübelnd, was ein Veterinär in einer Abdeckerei wohl so für Aufgaben nachgehen mochte,” wir sind gekommen, den Esel abzuholen.”
“Na so was,” entgegnete Kasic, in der Wohnungstür stehend, ”daß ihnen so an einem Esel gelegen sein kann. Da kommen sie aus Berlin hierher, um einen Esel abzuholen.”
“Vier Monate,” Bernd überging die Einwendung,” vier Monate Quarantäne sind gestern abgelaufen. Sie sagten, sie stellen dann die entsprechenden Papiere aus.”
“Ja, richtig. Ich muß das Tier aber noch untersuchen. Sind die Vier Monate schon um? Tatsächlich? Wie die Zeit doch rinnt. Ich muß sehen, ob er Anzeichen von Krankheit und Pest aufweist. Der Esel. Wo war der doch noch untergebracht? An der Chaussee zum Wurzen- pass?”
“Waren sie nicht dort?” Fragte Bernd befremdet. ”Haben sie die Papiere noch nicht fertig? Wir müssen noch heute Nacht zurück nach Berlin.”
“Ich hab noch keine Zeit gefunden. Wir haben hier viel zu tun. Ich fahr gleich morgen hin und seh ihn mir an. Allerdings ist morgen Sonnabend. Das ist unüblich. Sonnabend zu arbeiten.” “Kommen sie Montag wieder, Montag Abend, dann ist alles fertig.” Fügte er nach kurzer Pause hinzu.
“Herr Kasic, wir müssen das heute abschließen,” sagte Bernd eindringlich und begann zu fühlen, wie die Wut in ihm hochstieg und die Stimme an Lautstärke gewann. “Heute, nicht morgen. Das Tier muß heute nach Deutschland.”
“Schon gut, schon gut. Sie brauchen nicht zu brüllen. Ich kann hören. Haben sie ein Auto?”
“Ja sicher haben wir ein Auto, dachten sie wir sind mit der Bahn hier?”
“Und sie wissen wo der Esel steht?”
“Gewiß, wollen wir gleich hinfahren? Wir müssen uns beeilen. Wir können nur langsam fahren, weil die Bremse kaputt gegangen ist.”
“Sie haben ein Auto ohne Bremse? Wollen sie meine Gesundheit riskieren?”
“Unsinn, das geht schon,” warf Karl Hannes, der bisher geschwiegen hatte ein, ”der wird mit der Handbremse gestoppt.” Kasic sah ihn überrascht an, als zweifelte er an seinem Verstand.
“Ein Auto ohne Bremse? Das gibts noch nicht mal hier in Yugoslawien. Das wird vermutlich verboten sein. Wie sieht es mit den Gebühren aus. Ich hatte Unkosten.” Er sah Bernd erwartungsvoll an.
“Deutsche Mark,” sagte Bernd ,“Devisen. Wenn es jetzt rasch über die Bühne geht einhundert. In Zwanzigern. Was immer das hier wert sein mag.”
“Bar?” “Natürlich, in Zwanzigern, sofort.” “Erschien der Esel ihnen gesund? Sie haben ihn doch schon aufgesucht?” “Sicher,” log Bernd,
”wir waren soeben dort, er ist kerngesund und tobt auf der Wiese umher.”
“Na dann können wir die Sache abkürzen, wenn er gesund ist, wäre es überflüssig ihn sich erneut anzusehen. Gehen wir in mein Büro. Wegen der Stempel und Formulare.” Sagte er unternehmungslustig. ”Das sind ein paar Minuten zu Fuß.”
Zwei Stunden später war es Nacht geworden und sie mußten den Bauern, bei dem Esek vier Monate gelebt hatte, aus dem Bett pochen. Mißtrauisch öffnete der die Tür, erkannte Bernd und den fünfzig Markschein den ihm dieser unter die Nase hielt, holte seine Petroleumlampe und bedeutete ihnen ein wenig zu warten.
Nach einer Weile kam er mit dem kleinen Esel, dem er einen Strick um den Hals gebunden hatte wieder und übergab ihn. Das Fell war völlig verdreckt. Rund um den Hals gab es eine große kahle Stelle. Aber gut genährt schien er zu sein. Die Wampe war rund.
“Der Amtsveterinär kommt morgen wieder,” sagte der Posten an der österreichischen Grenze.
“Oh scheiße auch, wie konnte ich das nur vergessen. ”brüllte Bernd wütend, ”der Amtsveterinär arbeitet ja nur am Tag. Wie konnte ich das nur vergessen. Wann wird er kommen? Morgen?”
“So ab zehn ist er für gewöhnlich im Grenzpunkt,” sagte der Grenzwächter korrekt. ”Wir haben hier nur selten tierische Passagiere.”
“Wir warten,” sagte Bernd mürrisch.
“Sie müssen das Benzin deklarieren,” sagte der Grenzbeamte.
“Welches Benzin?” Fragte Bernd irritiert.
“Das Benzin, das sie in Yugoslawien getankt haben. Folgen sie mir bitte in die Grenzstation.”
“Benzin, daß sie von Yugoslawien in Österreich einführen ist steuerpflichtig,” sagte der Beamte hinter dem Tresen in der Grenzstation und nahm eine Liste in die Hand. ”Wir werden feststellen müssen, wieviel Benzin sie importieren wollen.”
“Ich will kein Benzin nach Österreich importieren,” sagte Bernd, ”ich habe nur das getankt, was ich brauche um weiter zu kommen.”
“Sehen sie? sagte der Beamte, ”sie haben Benzin getankt. Das ist steuerpflichtig. Wieviel Benzin paßt in diesen Wagen? Achtzig Liter, nicht wahr. Davon haben sie fünfundsiebzig Liter in Yugoslawien getankt.” Der Beamte blätterte in seiner Liste und nahm den auf dem Tresen liegenden Taschenrechner in die Hand. “Achtzig mal ..”Murmelte er und gab dann das Ergebnis seiner Bemühung bekannt.
“Das macht dreihundertundzwanzig Schilling. Darauf kommt noch die Steuer.”
“Was?” Entfuhr es Bernd, ”was? Dreihundertzwanzig Schilling? Und darauf kommt die Steuer?”
“Ganz recht, darauf kommt die Mehrwertsteuer,” sagte der Beamte hilfreich. ”dann können sie unverzüglich weiterreisen.”
“Dann kann er nicht unverzüglich weiterreisen,” sagte der erste Beamte. ”Er kann nicht einreisen.”
“Er kann nicht einreisen?” Der zweite Beamte blickte erstaunt.
“Ganz recht,” sagte der erste Beamte und fügte erklärend hinzu, ”er hat einen kleinen fetten Esel im Auto und kann nicht einreisen.”
“Er hat einen kleinen fetten Esel im Fahrzeug?” Der zweite Beamte trat unwillkürlich einen Schritt zurück und musterte Bernd argwöhnisch und mißtrauisch über die Theke, ”einen fetten Esel?”
“Ganz recht,” gab der erste Beamte zu, ”er kann, er darf nicht einreisen, bis der Amtsveterinär kommt. Und er darf nicht einreisen, wenn der Amtsveterinär kommt und es nicht will.”
“Ja dann, ”sagte der zweite Beamte, ”dann ist die Lage geklärt. Sie schulden, ”er schaute auf seinen Rechner, ”dem Österreichischen Fiskus dreihundertvierundachtzig Schilling an unterschlagenen Steuern. Wir nehmen auch Deutsche Mark.”
“Was,” meinte Bernd sprachlos, ”dreihundertvierundachtzig Schilling für was? Und Steuern auf Steuern? Wo gibts sowas.”
“Hier,” sagte der zweite Beamte. ”Wenn sie nicht zahlen, dürfen wir sie nicht einreisen lassen.”
“Aber sie lassen mich doch sowieso nicht einreisen,” Bernd zeigte auf den ersten Beamten.
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