1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 »Ich weiß nicht, was es ist, das dafür sorgt, dass sich unsere Wege immer wieder kreuzen … der Teufel, der liebe Gott oder einfach nur Glück?«
»Es ist mir egal, wie man das nennen mag. Die Hauptsache ist, dass du da bist.«
Er stellte sie auf den Boden, betrachtete sie genauer. Sie hatte sich verändert, fand er. Ihr Gesicht hatte den letzten Rest von Kindlichkeit verloren. Er nahm sie wieder in die Arme und stellte fest, dass sie sich weicher anfühlte, fraulicher. Einen Moment lang dachte Anna an alles, was geschehen war, was sie erfahren hatte, und hatte das Bedürfnis, sich zurückzuziehen, aber dann stieg ihr sein Duft in die Nase, spürte sie den festen Griff seiner Arme, und sie gab nach, schmiegte sich an ihn.
Was sprach schon dagegen, die spärliche Zeit mit ihm zu genießen?
»Wie ist es dir ergangen?«, fragte Markus leise, der für einen kurzen Moment gedacht hatte, dass sie ihn zurückweisen wollte. »Ist alles in Ordnung?«
›Ich bin die Tochter eines Monsters!‹, schoss es ihr durch den Kopf, aber sie biss sich auf die Zunge. Das konnte sie ihm nicht sagen, das durfte er nie erfahren! Nicht nur eine Hure, auch noch die Tochter des schlimmsten Inquisitors, der je durchs Land gezogen war! Also hielt sie ihn einfach weiter umschlungen, das Gesicht an seinen Hals gepresst, und nickte.
»Alles ist in Ordnung. Uns geht es allen gut, die Geschäfte sind wirklich gut gelaufen, seit wir eine Zeitlang in Italien waren. Obwohl wir im Moment von den letzten Reserven leben.« Sie rückte von ihm ab, betrachtete das markante, gebräunte Gesicht und konnte ihre Bewunderung nicht verbergen. Ein hübscher Kerl war er schon immer gewesen, aber jetzt war er geradezu unwiderstehlich geworden. »Du bist erwachsen geworden! Ich wette, die Mädchen laufen dir in Scharen hinterher!«
Er grinste sie an.
»Nicht mehr als dir die Männer«, flachste er und spürte, wie das Begehren in ihm wuchs. Er sah sich um. »Und jetzt würde ich gerne mit dir zwei Jahre nachholen.«
Anna stieß ihr fröhliches Lachen aus, und in dem Moment sah sie wieder genau so aus wie das junge Mädchen, das sie in Wien noch gewesen war. Sie griff nach seiner Hand.
»Nicht hier. In den Wagen ist es heißer als in der Hölle, und außerdem ist meiner gerade besetzt. Lass uns einen Spaziergang machen!«
Er versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
»Es ist hier überall heißer als in der Hölle«, brummte er. »Sogar die Aa hat kaum genug Wasser, um die Pferde zu tränken, und die Brühe, die da noch fließt, ist wärmer als die Suppe in den Gasthäusern.«
Anna hatte den Fluss, wenn man ihn noch so nennen konnte, auf dem Weg zur Stadt gesehen. Sie zog ihren Geliebten hinter sich her.
»Komm schon! Es gibt doch bestimmt hübsche Plätzchen in den Auwäldern! So lange wirst du doch noch aushalten können, oder?«
Er folgte ihr, zunächst widerstrebend. Nach einigen Minuten gelangten sie an eine Biegung der Aa, die von einigen Bäumen überschattet wurde. Der Fluss war wirklich nur noch ein Rinnsal.
Markus sah sich um. Es war abgeschieden hier, vom Lager aus nicht einzusehen und auf der anderen Seite der Aa war weit und breit niemand zu entdecken. Genug gewartet! Er griff Anna und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss. Diesmal stieß er nicht auf Widerstand, die Rothaarige erwiderte seinen Überfall so hungrig, dass er Zähne zu spüren bekam, und noch bevor er reagieren konnte, hatte sie ihm das Hemd über den Kopf gezogen. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass sie die Liebkosung dazu unterbrochen hatte!
Nur mit Mühe konnte er sich zurückhalten, ihr nicht das dünne Kleid zu zerreißen. Er zog es ihr nur über die Hüften, während Anna mit geschickten Fingern seine Hose aufschnürte, dann ließen sie sich beide auf den Boden gleiten. Sie zog ihn über sich, half ihm, den Weg zu finden, und wölbte sich ihm entgegen, als er in sie eindrang.
»Ich hab dich vermisst«, stöhnte er leise, während er sich in ihr bewegte.
»Ich dich auch!«, kam die heisere, von Keuchen durchsetzte Antwort.
Erst jetzt merkte sie, wie sehr! Mit keinem anderen war es so wie mit ihm, als ob sie füreinander gemacht seien. Es dauerte nicht lange, bis er sich in ihr verströmte. Zu groß war die Erregung. Aber Anna hielt ihn einfach fest, küsste ihn immer und immer wieder. Und so dauerte es nicht lange, bis das Liebesspiel weiterging. Später, sie wussten nicht, wie viel Zeit vergangen war, lagen sie ermattet und schweißgebadet nebeneinander und hielten sich in den Armen. Die Hitze spielte keine Rolle mehr. Nur, dass sie sich wieder über den Weg gelaufen waren. Seit ihrer letzten Begegnung war so viel Zeit vergangen, dass Anna schon nicht mehr daran geglaubt hatte, ihn wiederzusehen. Sie ließ eine träge Hand über Markus’ Brust wandern.
»Ich wollte nicht bei den Wagen bleiben, weil ich mit dir allein sein wollte. Hier fühle ich mich nicht wie eine Dirne!«
Es gab ihm einen Stich ins Herz. Ja, sie war eine Dirne. Das wusste er.
Aber immer, wenn sie bei ihm war, wenn er sie für sich alleine hatte, vergaß er es.
»Anna …« Er brach ab. Was konnte er sagen? »Es gibt Schlimmeres. Ich bin ein Mörder.«
Das war alles, was ihm dazu einfiel. Er hatte getötet. Auch wenn man ihm diese Sünde vergeben hatte, so war er doch ein Mörder. Wie viele Mütter warteten auf Söhne, die nie mehr zurückkehren würden? Wie viele Frauen auf ihre Männer, Kinder auf ihre Väter? Während Anna Freude und Lust spendete, so brachte er nur den Tod.
Er schüttelte den Kopf, befreite sich von den trüben Gedanken.
»Es spielt keine Rolle für mich. Und es gibt Neuigkeiten! Ich bin jetzt der Vertreter des Hauptmanns. Ich verdiene jetzt genug, um eine Familie ernähren zu können!«
Die Neuigkeit hallte in Annas Kopf tausendfach wieder, rieselte wie ein eiskalter Schauer ihren ganzen Körper hinab und schien sie einzufrieren. Sie wurde steif.
»Das ist eine gute Nachricht«, sagte sie lahm. »Hast du denn schon eine Auserwählte?«
Für einen kurzen Moment dachte Markus, Anna würde ihn foppen, doch dann erkannte er an ihrer Reaktion, dass sie es ernst meinte.
»Ja. Die habe ich. Ich halte sie im Arm.« Er machte eine kurze Pause. »Anna, du bist die Frau, die ich will. Wir haben so lange gewartet, jetzt ist es so weit, ich werde dich mit mir nehmen.«
Einen Augenblick lang blieb Anna die Luft weg. Was sollte sie darauf antworten? Sie wollte ihm nicht wehtun, auf keinen Fall. Dafür bedeutete er ihr viel zuviel. Aber sie konnte auch nicht zustimmen. All ihre Beherrschung aufbringend sah sie ihn an und lächelte, strich ihm zärtlich über die Wange.
»Ach, Markus. Das geht doch nicht. Wir waren Kinder und haben geträumt, aber jetzt sind wir keine Kinder mehr. Du kannst keine wie mich heiraten. Du brauchst eine Ehrliche! Eine Bürgerstochter. Ich hab nicht einmal einen Vater, der mich dir übergeben könnte!«
Zumindest hatte sie keinen Vater, den man auf seiner Hochzeit gern dabei haben wollte, aber das konnte sie ja schlecht zugeben! Er schnaubte.
»So ein Blödsinn! Wir suchen uns eine Stadt, in der wir leben können, meinetwegen Rothenburg oder wo auch immer. Es gibt bestimmt Städte, in denen man dich nicht kennt. Wer soll es dann wissen? Nein, Anna, das akzeptiere ich nicht! Ich habe die letzten zwei Jahre hart gearbeitet, habe gespart. Und ich kann dich ernähren! Mein Kontrakt läuft bald aus und ich werde ihn nicht verlängern. Ich will mit dir leben!«
Er hatte sich in Rage geredet. In der Tat hatte er jeden Pfennig, den er entbehren konnte, zur Seite gelegt. Seit Hauptmann von Waldow ihn befördert hatte, war auch sein Salär angestiegen. Dazu kam, dass er hier in Münster fast kein Geld brauchte. In die Gasthäuser gingen sie nicht mehr und die Huren, die er für die Männer organisierte, bedankten sich mehr als großzügig, sei es mit einem kleinen Anteil oder mit anderen Gefälligkeiten. Seine Entschlossenheit beeindruckte Anna, machte ihr aber auch ein wenig Angst. Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben.
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