Julius H. Schoeps, geb. 1942 in Djursholm/Schweden; 1948 Rückkehr mit den Eltern aus dem Exil in das Nachkriegsdeutschland. Studium der Geschichte, Geistesgeschichte, Politik- und Theaterwissenschaft in Erlangen und Berlin. 1974–1991 Professor für Politische Wissenschaft und Direktor des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts für deutsch-jüdische Geschichte in Duisburg. 1991–2007 ord. Professor für Neuere Geschichte, seit 2007 Professor Emeritus. Ab 1991 Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam. 1993–1997 nebenamtlich Gründungsdirektor des Jüdischen Museums der Stadt Wien. Gastprofessuren in New York, Oxford, Seattle, Tel Aviv und Budapest. Forschungen und zahlreiche Veröffentlichungen zur politischen Ideen- und Geistesgeschichte sowie zur deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte.
Julius H. Schoeps
Preußens Juden im Vormärz und in der Revolution von 1848
E-Book (EPUB)
© CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2022
Alle Rechte vorbehalten.
EPUB: ISBN 978-3-86393-594-8
Auch als gedrucktes Buch erhältlich:
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Vorwort
Kapitel 1 Erlasse werden aufgehoben, Schranken fallen
Der soziale Wandlungsprozess und seine Auswirkungen
Die Hoffnung auf bessere Zeiten
Im Licht der Aufklärung: Die „Gesellschaft der Freunde“
David Friedländer, ein Vordenker der Emanzipation
Das Wort „Jude“ und seine im Ton abschätzige Bedeutung
Die Zeitenwende: Das Emanzipationsedikt von 1812
Der Waffendienst als patriotisches Bekenntnis
Der Wiener Kongress, der Sieg der Restauration und die wiedereinsetzende Diskriminierung der Juden
Saul Ascher, die Deutschtümelei und der um sich greifende judenfeindliche Verschwörungsglaube
Moritz Veit und der Aufbruch in die neue Zeit
Kapitel 2 Der innerjüdische Reformprozess
Ein irritierender Vorschlag: David Friedländers „Sendschreiben“
Der Anbeginn einer neuen Epoche: Vom Offenbarungsglauben zum Vernunftdenken
Das Umdenken: Erziehung der jüdischen Jugend
Abraham Geiger: Ein Theologe, Gelehrter und Reformer
Konträre Positionen: Der Geiger-Tiktin-Konflikt
Der Mittelweg: Zwischen Orthodoxie und Reform
Der Radikalreformer Samuel Holdheim
Die Rabbinerkonferenzen: Braunschweig, Frankfurt, Breslau
Die Berliner „Genossenschaft für Reform im Judentum“
Kapitel 3 Am Vorabend der Revolution
Gleichstellung ohne Glaubenswechsel
Das Recht der Juden, ihr Judesein selbst zu definieren
Nicht Gnade, sondern Recht: Der Freiheitskämpfer Johann Jacoby und die Debatte um die Emanzipation der Juden
„Vier Fragen beantwortet von einem Ostpreußen“ und die Forderung nach einer konstitutionellen Monarchie
Zwischen Messianismus und Sozialutopie: Der Junghegelianer Moses Hess
Weichenstellungen: Der Vereinigte Landtag von 1847
Die Mischehen-Debatte: Der Fall Ferdinand Falkson
Verwehte Spuren: Arnold Mendelssohn
Moritz Veit: Mit Eingaben und poetischen Versen gegen die Emanzipationsgegner
Kapitel 4 Auf den Barrikaden
Straßenkämpfe: Der 18. März 1848
Das Gedenken an die Märzgefallenen
Johann Jacoby im Frankfurter Vorparlament und in der Preußischen Nationalversammlung
Das Paulskirchenparlament und die Ablehnung der Kaiserkrone durch den Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV.
Der Blick von außen: Glossen und die sarkastisch-spöttischen Bemerkungen von Ludwig Kalisch
Die Mairevolution 1849 und der Zerfall der Frankfurter Nationalversammlung
Preußens Juden in der 1848er-Revolution, ihre politischen Einstellungen und Positionierungen
Kapitel 5 Das Reaktionsjahrzehnt
Friedrich Julius Stahl, Propagandist des „christlichen Staates“ und Mitbegründer der „Konservativen Partei“ Preußens
Die „Neue Preußische Zeitung“: Judenfeindliche Hetze und die jüdischen Abwehrbemühungen
Das Bemühen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen
Die „Urwähler-Zeitung“: Bespitzelungen, Durchsuchungen und Konfiskationen
Nachwirkungen: Der Kölner Kommunistenprozess und die Flucht der 1848er-Demokraten in die Schweiz, England und die Vereinigten Staaten
Das Exil in London: Streitereien und Positionierungen
Am Siedepunkt: Die judenfeindliche Hetze und der Petitionssturm
Der Wendepunkt: Bruno Bauer, Hermann Wagener und die Anfänge des deutschen Rassenantisemitismus
Paranoide Ängste: Der König, das Volk und die Revolution
Kapitel 6 Andere Zeiten, andere Umstände
„Unsere Zeit ist noch nicht gekommen“: Johann Jacoby und der Beginn der „Neuen Ära“
Die Infragestellung der Geschlechterrollen: Fanny Lewald, Jenny Hirsch und Ludmilla Assing
Einheitsbestrebungen: Der „Deutsche Nationalverein“
Die „Volks-Zeitung“, die Gründung der „Deutschen Fortschrittspartei“ und die Abgeordnetenhauswahlen im Dezember 1861
Im Kreis der Genossenschaftler: A. Bernsteins Sympathien für Hermann Schulze-Delitzsch
Der „rote“ Preuße: Ferdinand Lassalle und die Anfänge der Arbeiterbewegung
Attacken: A. Bernstein über Ferdinand Lassalle und vice versa
Das liberal-demokratische Lager: Otto von Bismarck zwischen Kritik und bewundernder Zustimmung
Das Einknicken der Liberalen: Bismarcks Außenpolitik als Instrument der politischen Disziplinierung
Die Weichenstellung: A. Bernstein, Johann Jacoby und das Schicksalsjahr 1866
Mehr Einheit, weniger Freiheit: Heinrich Bernhard Oppenheim, Eduard Lasker und Ludwig Bamberger
Epilog
Anmerkungen
Abkürzungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
Personenregister
Preußen und die Juden, die Juden und Preußen – was markierte, was bestimmte ihr gegenseitiges Verhältnis vor dem Hintergrund der epochalen Umbrüche ab Ende des 18. Jahrhunderts? War es nur kühler Pragmatismus, Distanz, so etwas wie ein hoffnungsvolles Annähern – oder doch eher Gespaltenheit und Hass-Liebe? Welches Bild auch immer entsteht: Am Anfang stand zweifellos eine Art Nichtverhältnis – oder genauer formuliert: eine Nichtbeziehung.
Wohl bemühten sich Juden, nachdem man einigen von ihnen, die aus Wien mit ihren Familien zugezogen waren, im Jahre 1671 gestattet hatte, in Brandenburg ansässig zu werden, um die Erlangung dauerhafter Aufenthalts- und Bleiberechte. Diese wurden ihnen aber in der Regel seitens der jeweiligen Herrscher und Behörden nur in einigen wenigen Ausnahmefällen gewährt. Normalerweise wurden ihnen diese verwehrt.
Spätestens ab dem späten 18. Jahrhundert sollten, ja mussten diese Zustände zum Kampf um die rechtliche Emanzipation herausfordern. Vertreter der jüdischen Bevölkerung, meist Kaufleute, die bestimmte Privilegien besaßen, erkannten rasch, dass es um mehr ging als nur um ein paar gesetzliche Änderungen von Rahmenbedingungen. Ein ganzes Land war zu reformieren – und notfalls auch zu „revolutionieren“. Der Weg dorthin aber war steinig, gefährlich und langwierig.
Preußen am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert war mehrheitlich von einer christlich geprägten Bevölkerung bewohnt und von traditionell gewachsenen, religiösen Vorurteilen geprägt. Die Juden, das waren in den Augen der Mehrheitsgesellschaft die Anderen, die Zugezogenen, diejenigen, von denen man sich abgrenzte. Diffuse Hassgefühle und soziale Konkurrenzängste, meist mit Neidgefühlen verbunden, bestimmten die Sicht auf die jüdische Minderheit. Bei den tonangebenden Eliten herrschte Konsens, dass es „sinnvoll“ sei, die jüdische Minderheit auf Abstand zu halten und ihr keine allzu großen politischen bzw. rechtlichen Zugeständnisse zu machen.
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