Sylvia Giesecke
Das Blut der Kinder
Roman
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Inhaltsverzeichnis
Titel Sylvia Giesecke Das Blut der Kinder Roman Dieses eBook wurde erstellt bei
Ein Winseln aus der Ferne
Der Flug ins Ungewisse
Ein ziemlich müder Chef Inspektor
Willkommen bei den Inselaffen
Ein kleiner schlafender Engel
Ein Tritt in den Fettnapf
Im Paradies der gemeinen Stubenfliege
Miss Ruthy sorgt für Ordnung
Endlich kommt Verstärkung
Eine grausame Begegnung der dritten Art
Barnabys Konfrontation mit der Kunst des Malens
Drei Katzen halten Kriegsrat
Benjamin Stokes wird durch die Mangel gedreht
Mister T. braucht Hilfe
Eine Fahrradleiche auf dem Friedhof
Ein Besuch beim Pfarrer
Eine unerwartete Entdeckung
Ein belebendes Duschbad
Ein faszinierendes Gewölbe
Katzen beim Tanz
Ein Rüffel am Abend
Ein Schneegestöber mitten im Sommer
Das Gesetz der Serie
Tylers Handy geht baden
Kleiner Junge mit großem Problem
Was ist im Schuppen der Hensons?
Wer ist denn nun der schwarze Mann?
Auf der Hollywoodschaukel
Zwei blutige Nasen
Am Ende wird eben doch alles gut
Epilog
Impressum
Ein Winseln aus der Ferne
Die Sonne stand hoch am Himmel. Es war warm, doch ein stetiger leichter Wind sorgte für eine angenehme Brise. Selma spielte mit ihren drei Puppen in der Sandkiste, unter der großen Eiche. Ihre Mutter hatte sie dick mit Sonnencreme eingeschmiert, ihr einen Strohhut aufgesetzt und sie ermahnt, das Grundstück nicht zu verlassen. Aber Selma war schließlich schon ein großes Mädchen. Nur noch sechsmal schlafen, dann würde sie bereits ihren fünften Geburtstag feiern.
Miss Lucy, ihre schwarzhaarige Puppe, weigerte sich strikt etwas von dem leckeren Sandkuchen zu probieren. Dabei hatte sie sich doch solche Mühe gegeben. Selma ärgerte sich. Sie wollte gerade ordentlich mit Miss Lucy schimpfen, als plötzlich etwas ganz anderes ihre Aufmerksamkeit erregte.
Selma lief zur hinteren Gartenpforte und lauschte. Der Wind fuhr ihr durch die schulterlangen, goldblonden Locken und riss ihr den Hut vom Kopf. Selma registrierte diesen Verlust überhaupt nicht, denn dieses Geräusch, das der Wind aus der Ferne zu ihr herüber trug, genoss jetzt ihre volle Aufmerksamkeit. Da war es wieder, sie konnte es deutlich hören.
Selma schob den Riegel beiseite und stapfte durch das hohe Gras Richtung Waldrand. Auf halbem Weg bekam sie plötzlich ein schlechtes Gewissen. Sie durfte eigentlich gar nicht alleine zum Wald gehen. Selma zögerte. Sie schaute zurück, überlegte kurz, doch dann siegte schließlich ihre kindliche Neugier und Selma ergab sich diesem angeborenen Instinkt.
Er war so unglaublich niedlich und sie musste auch gar nicht weit in den Wald hinein. Nur ein paar Schritte, ein paar wenige Schritte, dann hatte sie ihn erreicht. Der kleine schwarz-weiße Hund freute sich über alle Maßen und Selma setzte sich zu ihm, „Warum bist du denn hier angebunden? Warst du nicht artig?“
Der Welpe sprang ihr auf den Schoß, leckte ihr das Gesicht ab und gebärdete sich wie ein Verrückter.
Selma kicherte, „Magst du vielleicht mit zu mir nach Hause kommen? Miss Lucy will den Kuchen nicht, den ich gebacken habe. Aber vielleicht möchtest du ja ein Stück davon probieren.“
Selma versuchte krampfhaft, den dicken Knoten mit ihren kleinen Fingern zu entwirren. Vollkommen in diese unlösbare Aufgabe vertieft, bemerkte sie nicht, dass sich in diesem Moment eine dunkel gekleidete Gestalt von hinten näherte ...
„Selma! Selma wo steckst du?“ Susan Woods wurde zunehmend nervöser. Die junge Frau spürte genau, dass irgendetwas nicht stimmte. Hinten im Garten fand sie Selmas Strohhut, der sich im Stachelbeerstrauch verfangen hatte. Dann fiel ihr Blick auf die offene Pforte. Voller Sorge folgte sie den Spuren, die ihre kleine Tochter im Gras hinterlassen hatte, doch am Waldrand endeten diese abrupt.
Während Susan kreuz und quer durch den Wald rannte, rief sie wieder und wieder ihren Namen, „Selma, … Selma antworte doch! Bitte, mein Schatz, komm her zu mir.“ Doch Selma blieb verschwunden.
Nach einer halben Ewigkeit lief die vollkommen verzweifelte Mutter zum Haus zurück. Mit zitternden Händen griff sie nach dem Telefon, „Bitte, sie müssen mir helfen, meine kleine Tochter ist verschwunden!“ Mit allerletzter Kraft erzählte sie der Frau am anderen Ende der Leitung, was geschehen war. Dann brach sie weinend zusammen.
Der Flug ins Ungewisse
Gut gelaunt betrat Tyler die Eingangshalle des noblen New Yorker Appartementhauses. Emmett Randolph, seines Zeichens Portier desselbigen, war hinter seinem auf Hochglanz polierten Tresen eingenickt. Eigentlich war der gute Mister Randolph, altersmäßig, schon jenseits von Gut und Böse. Jedoch erlaubte es ihm seine finanzielle Lage nicht, endlich in den wohlverdienten Ruhestand zu treten.
Mit einem geschickten Wurf platzierte Tyler seine Autoschlüssel direkt vor Emmett Randolph auf dem Tresen. Der alte Mann zuckte zusammen, „Oh, guten Abend, Mister Thornton, bitte entschuldigen sie …“
„Sie sind zum Arbeiten hier, Emmett, nicht zum Schlafen. Fahren sie meinen Wagen in die Tiefgarage, und machen sie mir ja keinen Kratzer in den Lack.“
„Natürlich, Mister Thornton. Wird sofort erledigt.“
Tyler wühlte in seinen Taschen, „Aber vorher geben sie mir noch die Karte für den Fahrstuhl, ich habe meine nämlich vergessen.“
„Sehr gerne, Mister Thornton“, Emmett führte die Karte ein, drückte auf Penthouse und verließ den Fahrstuhl wieder. „Ich wünsche noch einen schönen Abend.“
Während sich der Fahrstuhl mit einem kaum spürbaren Ruck in Bewegung setzte, betrachtete sich Tyler kritisch im Spiegel. Kurze dunkelblonde Haare, blaue Augen, groß und schlank, mit relativ breiten Schultern. Man konnte ihn durchaus als gut aussehend bezeichnen, zumindest vertraten die meisten Mädchen an seiner Schule diese Meinung. Dazu kam noch die Tatsache, dass seine schwer beschäftigten Eltern ihm und seiner vierzehnjährigen Schwester, aus Gewissensgründen, ein Leben im absoluten Luxus ermöglichten. Da der Rechtsanwalt und die Kinderpsychologin kaum Zeit für ihre beiden Sprösslinge hatten, gab es hin und wieder mal eine kleine Überraschung. Ein Beispiel war der kleine rote Sportflitzer, den er vor drei Wochen zum sechzehnten Geburtstag bekommen hatte. Keine Frage, das Leben meinte es wirklich gut mit ihm. Lediglich auf die Existenz seiner nervigen Schwester hätte er gut und gerne verzichten können.
Wenn man vom Teufel sprach. Kelly erwartete ihn bereits, breit grinsend, auf dem Flur. „Du sollst sofort zu Dad in sein Arbeitszimmer kommen. Er hat was mit dir zu besprechen.“ Kelly war das Ebenbild ihrer Mutter. Sie hatte dunkelrotes schulterlanges Haar, grüne Augen und leicht abstehende Ohren, die sie geschickt unter ihrer dicken Mähne versteckte.
„Und was gibt es da so blöd zu grinsen, Dumbo? Vielleicht bekomme ich ja endlich mein eigenes Appartement und muss deinen Anblick zukünftig nicht mehr ertragen.“
„Dir wird das Lästern schon noch vergehen, Bruderherz. Am Ende werde ich wohl diejenige sein, die dich bald nicht mehr ertragen muss. Wirst schon sehen was du davon hast, … Mister Großkotz.“
Dieser Spruch und ihre unglaubliche Selbstsicherheit verunsicherten Tyler jetzt doch ein wenig. Was konnte sein Vater von ihm wollen? Er hatte nicht die geringste Lust auf irgendeine anstrengende Diskussion, morgen war schließlich auch noch ein Tag. Tyler versuchte sich an der spaltbreit geöffneten Bürotür vorbei zu schleichen, doch Kelly wusste sein Ausweichmanöver geschickt zu verhindern.
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