Jäh zog sie an den Zügeln ihres Pferdes, das sofort kurz innehielt, riss ihr Pferd herum, trat ihm in die Rippen und galoppierte den beiden Männern davon.
Laut fluchend wendete der Ältere von beiden ebenfalls sein Pferd und stellte ihr nach. Er war leider ein sehr viel erfahrener Reiter als Freya und hatte keine Mühe ihr Pferd wieder einzufangen.
Er schalt sie in seiner unverständlichen Sprache und bedachte sie mit einem kalten Blick. Dann drehte er beide Pferde wieder in die richtige Richtung, und es war Freya klar, dass er von nun an ihre Zügel nicht mehr loslassen würde.
Sie ritten nicht zu der Stadt, wie Freya erleichtert feststellte, sondern waren bis zum Abend durch die Steppe geritten, einem ihr unbekannten Ziel entgegen.
Einer ihrer Begleiter sah sich nach einem geeigneten Platz für ein Nachtlager um und fand es hinter einem Felsblock, der von ein paar Bäumen umstanden war.
Die Männer halfen ihr vom Pferd herunter, führten sie zu den Bäumen hinüber und bedeuteten ihr sich zu setzen. Einer von ihnen nahm ihre Hände und schlang ein dünnes Seil um ihre Handgelenke und band sie damit sicher an dem Baum fest. Dann entfernten sie sich. Freya beobachtete sie argwöhnisch lauernd aus den Augenwinkeln heraus.
Auch sie wurde ihrerseits von beiden Männern beobachtet, während sich einer auf der Suche nach etwas Feuerholz machte und der andere sich daran machte, ein Zelt zu improvisieren, das er mithilfe einer Decke und den niedrigeren Ästen einer der Bäume bewerkstelligte. Der Mann mit dem Feuerholz kam zurück, ließ seine Ausbeute zu Boden fallen und schichtete dann Stück für Stück ein wenig von dem gesammelten Holz auf, bevor er es anzündete. Der ältere Mann hatte indes seinen Bogen vom Pferdesattel gelöst und sich einige Schritte weit von ihrem Lager entfernt. Er musste nicht lange suchen, bis er fand wonach er suchte: Ein schnell gezielter Schuss genügte und ihr Abendessen war gesichert.
Kurze Zeit später duftete das gebratene Kaninchen verführerisch über dem Feuer.
„Meinst du, wir können sie losbinden?“, fragte Damaso leicht verunsichert.
„Wenn ich sie so ansehe, wird sie ein gutes Abendessen einer Flucht wohl vorziehen!“, entgegnete Kosmo lachend und nahm ihrer Gefangenen die Fesseln ab. Er blickte ihr tief in die Augen, führte seine Hand zur Brust und stellte sich vor: „Kosmo.“, sagte er nur knapp. Er war sich sicher, dass sie ihn nicht verstehen würde. Aber vielleicht verstand sie ja diese Geste als ein freundschaftlicher Akt und machte keine Anstalten mehr zu fliehen. Damaso machte es ihm gleich und stellte sich seinerseits vor. Dann reichte Damaso ihr ein saftiges Stück Fleisch, aufgespießt auf seinem Messer herüber. Erst jetzt wurde Freya bewusst, wie lange sie schon nichts mehr gegessen hatte. Wild und ungeduldig fing ihr Magen plötzlich zu knurren an, dass die beiden Männer nur lachten. Kosmo runzelte die Stirn, als sich Freya über ihr Stück Fleisch her machte.
„Hältst du das für klug, ihr gleich das Messer für einen Nachschlag mitzuliefern?“, fragte er Damaso in einem komischen Ton. „Oder lebst du einfach nur gerne gefährlich?“
„Ich glaube nicht, dass sie Dummheiten machen wird.“ Damaso wandte sich voll und ganz seinem Anteil am Kaninchen zu. „Sie ist nur eine verschreckte, kleine Göre, mehr nicht. Mag sein, dass der eine oder andere Kerl ihr zugesetzt hat, aber …“ Er schüttelte nur leichtfertig den Kopf und tat damit die Sache ab. Nein, dass das Mädchen versuchen würde sie zu attackieren, jetzt da sie sein Messer an sich genommen hatte, glaubte er eher nicht. Außerdem … hatte sie es schon wieder zur Seite gelegt, kaum das sie ihr Stück Fleisch aufgegessen hatte. Nein, sie war nur eine verschreckte, kleine Göre, die nicht wusste, wie ihr geschah. Damaso stand auf und holte seinen Beutel vom Sattel seines Pferdes und kam damit wieder zum Feuer zurück. Er kramte kurz darin herum und förderte noch einen großen Kanten Brot zu Tage. Mit einem Blick auf Freya brach er ein Stück von dem Brot ab und reichte es ihr herüber. Aber die Bewegung seiner Hand, die auf sie zuhielt, ließ sie zusammenzucken.
„Sie ist total verängstigt. Sie wird uns keine weiteren Scherereien machen.“, stellte Damaso zu Kosmo gewand fest, während er auf eine weitere Reaktion von ihrer Gefangenen wartete. Freya schaute Damaso zögernd an, bevor sie dann doch schnell nach dem Brot griff und hastige Bissen in sich hineinstopfte. Damaso lachte nur leise mit leichter Verbitterung auf. „Ich wünschte nur, wir könnten uns mit ihr verständigen.“, fuhr er fort. „Ich würde gerne ihre Geschichte kennen lernen!“
„Da wäre ich gar nicht so erpicht darauf.“ Kosmo warf Freya einen Blick zu, die augenblicklich wieder aufhörte an ihrem Stück Brot herumzukauen. Ganz offensichtlich unterhielten sich die beiden Männer über sie und das machte ihr zu schaffen - dass sie nicht verstand worum es genau ging.
„Ihre Verletzungen sprechen schon genug für sich. Ich kann mir lebhaft vorstellen, was diese barbarischen Menschen ihr angetan haben.“, tat Kosmo ärgerlich den Kopf schüttelnd ab. Was dann Freya noch weiter verunsichert von einem zum anderen blicken ließ.
Nach dem Abendessen saßen die drei noch am Feuer beisammen. Die beiden Männer teilten sich, wie so oft nach dem Essen, eine Pfeife. Für Freya, die sich indes am Feuer wärmte, eine recht beruhigende Geste. Irgendwie verließ sie langsam das Gefühl, dass die beiden ihr etwas antun wollten. Nur aufatmen konnte sie deswegen immer noch nicht, da sie einfach nicht wusste, was sie sonst von ihr wollten.
Ihr wurde langsam kalt und sie rutschte immer näher an die Flammen heran, behielt aber weiterhin beide Männer heimlich im Auge, auch wenn sie weiterhin recht entspannt dasaßen und es ihr fast schon schien, als interessierten sie sich gar nicht mehr großartig für sie.
Als der Mond hoch am Himmel stand, beendeten die Männer ihr leises Gespräch miteinander. Sie hatten in einem freundlichen Ton geplaudert und Freyas Furcht ihnen gegenüber hatte sich sogar noch mehr gelegt. In den letzten Tagen war sie keinen Menschen begegnet, die sich so freundlich und in einem so ruhigen Ton miteinander unterhielten. Die Männer kamen ihr nicht wie gedungene Schurken vor oder Kopfgeldjäger oder Mörder oder was es sonst noch an unangenehmen Menschen auf einer Reise zu treffen gab. Freya hatte das Gespräch der beiden Männer mitverfolgt – nicht dass sie irgendetwas verstanden hätte, wohl aber war ihr aufgefallen, dass sie sich hin und wieder mit ihren Namen angesprochen hatten.
Kosmo und Damaso …. Oder so ähnlich! Verstohlen blickte Freya von einem zum anderen.
Damaso fing ihren Blick auf und lachte leise, als Freya hastig wieder zur Seite weg schaute. Er kam näher zu ihr heran und besah sie sich eine kleine Weile. Freya saß dicht am Feuer, die Beine aufgestellt und die Knie an ihre Brust gedrückt, und hielt mit ihren Armen ihre Knie umschlungen, fest entschlossen sich nicht zu rühren, egal was er jetzt von ihr wollte. Aber er drückte ihre Schulter nur sanft nach hinten, und obwohl sie sich dagegen stemmte, lag sie doch plötzlich rücklings auf dem Boden. Doch sie musste feststellen, dass da gar keine bösen Absichten seinerseits waren. Wie sie verwirrt feststellte, hatte er blitzschnell seinen Umhang auf dem Boden hinter ihr ausgebreitet, so dass sie halb darauf lag und er sie mit dem Rest des Umhanges nun zudecken konnte. Einen kurzen Augenblick sah er sie an, dann legte er sich eine Armeslänge von ihr entfernt neben sie auf den Boden und beobachtete sie.
„Versuch zu schlafen, Emily.“, sagte er leise. Freya verstand kein Wort, nur Kosmo legte die Stirn in Falten.
„… Emily?“, fragte er Damaso.
„Solange ich ihren wahren Namen nicht kenne, … Emily! Das bedeutet: die Tapfere. Und das scheint sie mir doch wohl zu sein!“
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