Aber natürlich war der Wald nicht groß genug, um ihr wirklich Schutz zu bieten. So wie sie den Wald aus der Entfernung sah, würde sie ihn mit einigen wenigen Galoppsprüngen durchquert haben!
„Das ist er!“, keuchte Damaso. Der scharfe Ritt nahm ihm tatsächlich den Atem! Die Anstrengung der letzten Wochen merkte er jetzt deutlich. Hoffentlich würde der Mensch keine großen Probleme machen. Als Damaso und Kosmo sahen, dass der Reiter sein Pferd abgewendet hatte, seufzten sie beide. Es würde zum Schluss noch eine Hetzjagd geben!
Kurz vor dem Wald waren die Reiter so nahe gekommen, dass Freya hören konnte, wie ihr jemand etwas zurief. Sie konnte die Worte nicht verstehen, wollte es aber auch gar nicht! Sie wollte nur weg und in Ruhe gelassen werden.
„Nein!“, schrie sie panisch auf und eine Erschütterung durcheilte ihre Umgebung, wie eine Druckwelle. Ihr Pferd scheute kurz vor diesem Empfinden und verlangsamte seine Schritte ein wenig. „Weiter, bitte, lauf weiter!“, flehte sie ihr Reittier an. Tränen der Angst und der Verzweiflung füllten ihre Augen. „Lauf!“ Aber ihr Pferd wollte nicht mehr schneller laufen. Es trabte nur irritiert vor sich hin.
Wieder hörte sie, dass jemand sie ansprach, dann waren die Reiter auch schon da und jemand fasste nach den Zügeln ihres Pferdes.
Sie hatten gerade den Waldrand erreicht und Freya ließ sich voller Panik von Pferd fallen, rappelte sich aber gleich auf und rannte los durch die ersten Baumreihen hindurch. Hinter ihr knackten Zweige, als jemand direkt hinter ihr durch das Unterholz brach und sie hörte ihren Verfolger stoßweise atmen. Dann wurde sie von einem kräftigen Arm um die Taille gepackt und zu Boden gerissen. Sie trat mit ihren Beinen und schlug mit ihren Armen um sich, sie wand sich mit ihrem ganzen Körper gegen diesen Angriff, aber der Griff, der sie umfangen hielt, war schier unmenschlich. Ihre Panik hatte Kräfte in ihrem Körper mobilisiert, die sie, wie es ihr schien, eine ewig lange Zeit kämpfen ließ. Doch schließlich wurden ihre Bewegungen irgendwann zunehmend kraftloser, bis ihr schließlich sämtliche Kraft ausging und sie sich kaum noch rühren konnte.
Der Reiter, der sie zu Boden gerissen hatte, drehte sie mit einer schnellen, kraftvollen Bewegung auf den Rücken, und kniete sich über sie, um sie anzusehen, wobei er ihre Handgelenke fest umschlungen hielt. Der zweite Reiter stand, noch immer hoch zu Ross und mit den Zügeln ihres Pferdes in der Hand, direkt neben ihnen und musterten sie mit einer Miene, die Freya erschaudern ließ. Noch nie hatte sie ein solches Gesicht gesehen! Der andere Mann, der sie am Boden hielt, sagte etwas in einem ruhigen Tonfall, aber Freya verstand nicht …. Ihr wurde allerdings klar, dass es sich nicht um die gleiche Sprache handelte, die die Bewohner der Stadt sprachen. Sie klang anders. Wieder sagte der Mann etwas. Freya blickte mit großen Augen zu dem Reiter hinüber. Er saß unbewegt auf seinem Pferd. Ihn hatte der Mann wohl nicht gemeint. Mit einem Ruck erhob sich der Mann vom Boden und ließ Freya los. Nun war sie völlig verwirrt. Mit Schrecken im Blick starrte sie die beiden fremden Männer an, während sie langsam aufstand und immer noch nicht verstand, was hier los war.
Der eine bedeutete dem anderen Mann tiefer in den Wald zu gehen und der Reiter saß ab und führte die Pferde durch das Gehölz. Freya wurde unter ihren rechten Oberarm gefasst, aber es war kein schmerzhafter Griff, wie sie eigentlich erwartet hatte. Vielmehr schien sie der Mann zu stützen, was sie auch nötig hatte: Nach einigen Metern versagten ihre Beine ihr den Dienst und sie drohte vor plötzlicher Erschöpfung zusammenzusacken, hätte der Mann sie nicht an den Schultern gepackt und vorsichtig, mit dem Rücken an einen Baumstamm hingesetzt.
Schweigend sahen sich die beiden Männer immer wieder an, ganz so als kommunizierten sie auf eine nicht Wortbasierende Ebene miteinander.
Dann wandte sich der Mann, der sich gefangen hatte, ihr zu und sah sie von oben bis unten an. Als erstes wurde er ihrer zahlreichen blauen Flecke gewahr, die sich im Laufe der Zeit auf ihrem gesamten Körper angesammelt hatten, vor allem aber sprang ihm wohl ihr Anblick ins Gesicht. Sie war geschlagen worden. Zwar hatte sie selber keine Ahnung, wie sie wohl aussehen mochte, doch etwas in dem Blick des Mannes sagte ihr, dass man ihr so einiges ansah, was ihr widerfahren war. Und ihre zerlumpte Kleidung bot auch keinen perfekten Sichtschutz mehr. Dann nahm der Mann aber offensichtlich eine Verletzung an ihrer Schulter wahr, wo ihre zerrissene Bluse ein wenig verrutscht war, und griff nach dem Stoff, um ihn zur Seite zu ziehen. Er beugt sich vor, um ihr besser über die Schulter sehen zu können und sog scharf die Luft ein, als er ihre Verletzung im Ganzen besehen konnte.
Er sagte einige Worte zu seinem Kameraden, der zu ihnen heran kam und hinter sie trat. Abermals wurde ihr ihre Bluse heruntergerissen, diesmal jedoch war sie einfach zu schwach, um sich dagegen zu wehren. Heiße Tränen füllten ihre Augen und sie musste ihr Gesicht in den Händen verbergen, um nicht vor den Männer so offen ihre Schwäche zeigen zu müssen!
Sie war erschöpft. Am Ende ihrer Kräfte. Sollten sie doch mit ihr machen, was sie wollten.
Der jüngere Mann stieß so etwas wie ein Fluch aus, ging zu seinem Pferd hinüber, kramte in seinen Packtaschen, die an seinem Sattel festgezurrt waren, und kam dann zu ihnen zurück.
Nur durch einen dicken, erdrückenden Schleier verwirrender Gefühle nahm sie wahr, dass sich die Männer daran machten ihre Wunden zu versorgen, während sie sich leise miteinander unterhielten. Als sie damit fertig waren nahm der Ältere der beiden Männer ihre zerrissene Bluse und warf sie einfach fort. Erschöpft, verwundet und halb nackt saß sie nun da, am Ende ihrer selbst angekommen! Sie schloss resigniert die Augen. Jetzt brach auch ihre Seele zusammen!
Sie hatte schon fast ihren Verstand ausgeschaltet, um sich dessen zu wappnen, was nun kommen mochte, als der Ältere seine Tunika auszog. Freya sprang voll panischer Verzweiflung auf ihre wackeligen Beine und versuchte an den Kerlen vorbei zu stürzen. Doch der Jüngere der beiden hielt sie auf, packte sie um die Hüften und hielt sie fest. Ihre Beine knickten unter ihr weg und sie landete kniend im Sand. Der ältere Mann trat zu ihr und streifte ihr seine Tunika über. Fast schon sanft half er ihr dann wieder auf die Beine, schlang ihr noch seinen Gürtel um die Taille, um die Tunika, die ihr viel zu groß war, in Form zu halten und nahm sie dann spielerisch, als hätte sie gar kein Eigengewicht auf. Während er sie auf den Armen zu ihrem Pferd herüber trug, legte der andere Mann eine dicke Decke über ihren Sattel, bevor sie ebenfalls auf ihren Sattel gesetzt wurde. Dann saßen auch die Männer auf. Nachdem sie miteinander - oder mit ihr? – gesprochen hatten ritten sie los. Sie durchquerten zügig den Wald und schlugen dahinter einen großen Haken, um wieder in die Richtung zu reiten, aus der sie alle gekommen waren.
Je weiter sie sich von dem Wäldchen fortbewegten, um so mehr regte sich endlich auch wieder Freyas Kampfgeist. Sie konnte sich immer noch schlecht orientieren, zum einen, weil sie dieses Land überhaupt nicht kannte und zu anderen, weil ihr Körper immer noch so sehr schmerzte, dass sie kaum klar denken konnte. Aber sie war sich sicher, dass das die Richtung sein musste, in der die Stadt lag, und damit war sie sich auch sicher, dass die Männer sie wieder zurückbringen wollten.
Sie waren schon eine Weile im leichten Trab unterwegs und ihr Pferd lief den anderen einfach nur hinterher. Die beiden Männer ritten gut eine halbe Pferdelänge voraus. Freya ritt zwischen ihnen. Aber sie unterhielten sich miteinander und schauten kaum zu ihr nach hinten, als wären sie sicher, dass sie ihnen nicht abhauen würde.
Sie wagte es einfach …!
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