1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 Nach einem breiten Pflasterstreifen am Beckenrand kam eine Rasenfläche, in der zahlreiche Liegen mit dicken Auflagepolstern auf die Gäste warteten. Um den Badenden den Weg zu den etwas weiter entfernten Campground und Lodges zu ersparen, hatten man hinter dem Wasserfall links und rechts Umkleideräume mit WC und Dusche angeordnet, alles in einer Felsnachahmung, mit leichtem Anklang an Fred Feuerstein.
»Da war ja der Free Spirit die reinste Klitsche dagegen!« Susi war überwältigt und schwamm begeistert durch das Becken. »Und auch genau richtig mit der Wassertemperatur, hier bleibe ich bis zum Abendessen!«
Da konnte sie dann die ebenfalls renovierte Restaurant- und Baranlage bestaunen. Wobei es für Hetty nach wie vor unverständlich war, warum das Resort völlig umgebaut worden war. Schließlich war es auch vor einigen Jahren leicht seine vier Sterne wert gewesen. Na ja, jetzt hatte es mit Sicherheit fünf und falls es mehr gab, dann auf alle Fälle die Höchstpunktzahl. Das Essen war hervorragend, der Service erstklassig und das komplette Ambiente absolute Spitzenklasse.
Am nächsten Tag besichtigten sie noch die neuen Lodges, die in Viererblocks zusammengefasst waren, eine Terrassenbestuhlung aus edlem Holz aufwiesen und mit einem Sicht- und Windschutz zu den Nachbarn ausgestattet waren.
Neben den Unterkünften waren besondere Palmenarten angepflanzt worden, am auffallendsten waren silbergraue Exemplare mit fächerförmigen Wedeln und große schlanke Palmen, die als Fruchtstand rote Beeren trugen. Dazu gab es Ansammlungen von blühenden Büschen, Frangipangi und alles was man an schönen Pflanzen finden konnte.
Der Architekt, der das hier geplant hatte, musste mit Sicherheit einer der besten sein, die man in Australien finden konnte.
Ein kleines Paradies auf Erden. Hetty lag zufrieden und glücklich auf ihrem Liegestuhl am Beckenrand und las in einem Terry Pratchett Buch. Und nicht die klitzekleinste Schlange als Störenfried. Fast zu schön, um wahr zu sein.
Kapitel 7
Ein erschrecktes Quietschen war alles, was Susi noch von sich geben konnte, als sie mit ihrem Absatz am Teppich des Restaurants hängen blieb.
Im Nachhinein musste Hetty zugeben, dass sie noch nie eine so schnelle Reaktion gesehen hatte, wie sie der kleine schlanke Japaner, der am nächsten Tisch saß, vollbrachte. Der schaute auf, sah Susi fallen, sprang wie der Blitz von seinem Platz hoch und schaffte es gerade noch diese aufzufangen, bevor sie unsanft auf den Boden knallte. Obwohl er nicht viel größer war als Susi auf ihren Stilettos, hatte er keinerlei Probleme sie festzuhalten und sie dann wieder behutsam auf beide Beine zu stellen.
Nach dieser gelungenen Aktion trat er einen Schritt zurück und neigte formvollendet seinen Kopf. »Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Hashimoto.«
Susi, die einen Riesenschreck bekommen hatte und ganz weiß im Gesicht war, glänzte wieder einmal mit ihrer umfassenden Bildung. »Sehr erfreut und herzlichen Dank für die Rettung, mein Name ist Susi.«
Zumindest dachte Hetty, das wird sie wohl gesagt haben, denn japanisch war für sie eine dieser Sprachen, die sie zwar erkannte von der sie aber, außer den üblichen Grußfloskeln, kein Wort beherrschte. Auf jeden Fall musste es etwas äußerst Erfreuliches gewesen sein, denn Herr Hashimoto überschlug sich nun fast vor Begeisterung und strahlte übers ganze Gesicht, während er eine kurze Antwort gab.
Der nächste Satz wurde wieder auf Englisch gesprochen und war somit auch für Hetty verständlich. »Darf ich die beiden Damen an meinen Tisch einladen, es wäre mir eine große Freude.« Mit einer auffordernden Handbewegung deutete er auf die freien Plätze.
Während Hetty noch zögerte, hatte Susi bereits auf den zuvorkommend angebotenen Stuhl Platz genommen. Na, da konnte sie dann auch nicht nein sagen und dieser Hashimoto wirkte ja wie ein ganz netter Mensch.
Der wandte sich an seine Tischdamen und erzählte. »Ich bin hier mit meinem Freund auf Urlaub. Der müsste eigentlich jeden Moment erscheinen und ist sicher auch froh, den Abend nicht mit mir alleine verbringen zu müssen.«
Mit einem Lächeln fügte er hinzu. »Ich habe ihn schon den ganzen Tag mit meinen Vorträgen über die Aborigines gelangweilt und er wird begeistert sein, mal etwas anderes zu hören.«
Susi fragte nach. »Wir haben vor einige der hier vorhandenen Kultstätten aufzusuchen. Waren sie denn schon mal hier?«
Während Hashimoto ihr voller Begeisterung erzählte, was es in der Gegend alles zu erkunden gab, hing Hetty ihren Gedanken nach. So wie es aussah, würde sich Susi nicht so schnell von dem Thema losreißen können. Oh, je, da würde ihr dann wohl die Unterhaltung des Freundes überlassen werden. Hoffentlich sprach der nicht nur japanisch und wusste etwas Interessantes zu erzählen. Aber bei ihrem Glück war es wohl irgendein vertrottelter Wissenschaftler, der sie mit einem Bericht über das Leben der Spulwürmer anödete.
Während Hetty dem angeregten Gespräch der beiden zuhörte, beschäftigte sich ihre Phantasie damit, sich ihren zukünftigen Tischgenossen in den wildesten Vorstellungen auszumalen. Als sie gerade bei einer misslungenen Kreuzung zwischen Woody Allen und Godzilla angekommen war, bemerkte sie plötzlich, dass jemand hinter ihr stand.
Bevor sie sich umdrehen konnte, um die Person zu mustern, sah Hashimoto auf und rief erfreut. »Schön dass du da bist, ich habe mir erlaubt die beiden Damen einzuladen, du hast da sicher nichts dagegen. Frau Susi ist ein kleines Missgeschick passiert und ich konnte ihr helfen. Darf ich vorstellen – mein Freund Kai.«
Als sie Susis anerkennenden Blick sah, wusste Hetty mit absoluter Sicherheit, wer sich da jetzt hinter ihrem Rücken befand. Es gab ja sicher mehrere Männer in Australien die diesen Namen trugen, aber sie kannte nur einen Bestimmten. Und egal wo sie hinfuhr, immer wieder kreuzten sich ihre Wege. Dieses Land war einfach nicht groß genug für sie beide. Natürlich hatte sie vollkommen recht mit ihrer Vermutung.
»Hallo Prinzessin«, Kai verbeugte sich mit einem kleinem Nicken und setzte sich auf den freien Stuhl neben ihr.
Seine regungslose Miene verriet nicht die geringste Überraschung darüber, sie hier an diesem Platz zu sehen.
Hetty senkte huldvoll den Kopf und gab nach außen hin völlig ungerührt kontra. »Graf Dracula!«
Gleichzeitig versuchte ihr Stoffwechsel ihren Herzschlag wieder auf ein normales Niveau zu bringen. Schließlich war es nicht unbedingt blutdrucksenkend, wenn man jemanden, den man tausende Kilometer entfernt in sicherer Distanz vermutete, urplötzlich begegnete.
Ihre gekonnte Retourkutsche entlockte Kai ein kleines Zucken des rechten Mundwinkels. Hetty war mit den minimalen Regungen seines Gesichts inzwischen hinlänglich vertraut und wusste, dass er ein Lächeln verbarg.
Den beiden anderen war unterdessen bewusst geworden, dass sie und Kai sich bereits kannten und Hashimoto verlangte von seinem Freund sogleich eine Erklärung. Da hatte er sich allerdings genau den Menschen ausgesucht, der für seine Wortkargheit und Reserviertheit über alle Grenzen hinaus berühmt war. Von diesem Mann eine längere Erzählung zu verlangen, war genauso vergeblich, wie der Versuch das berühmte Kamel durchs Nadelöhr zu kriegen.
Selbstverständlich wandte Kai seinen üblichen Kunstgriff an, alles, was mehr als zwei Sätze bedurfte, auf jemand anderen abzuwälzen und forderte Hetty auf. »Komm erzähle ihnen doch mal deine Lieblingsgeschichte.«
Dann orderte er beim Ober ein Glas Rotwein für sich, lehnte sich entspannt zurück und beschränkte sich ab jetzt aufs Zuhören.
Zumindest gab er ihr damit, wenn auch unbewusst, die Gelegenheit, sich von seinem plötzlichen Auftauchen zu erholen. Die Erzählung von ihrer ersten Camperreise mit Chrissie, der Entführung, den gegenseitigen Lebensrettungen von ihr und Kai, sowie die ganzen restlichen Verwicklungen, konnte sie inzwischen auswendig herunterrattern, ohne auch nur im Geringsten nachdenken zu müssen.
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