1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 Hetty lächelte. »Ich bin schließlich in einem Hügelland aufgewachsen und das nächste Meer war neunhundert Kilometer weit weg.«
Als Susi sie erstaunt ansah, setzte sie hinzu. »In Deutschland ist das ungefähr so, als wenn hier einer von der Ostküste nach Westaustralien fahren soll.«
Diese Erklärung reichte vollkommen aus. Hetty hatte auf ihren Reisen immer wieder die erstaunliche Erfahrung gemacht, dass die Australier zwar liebend gerne eine sechswöchige Europatour unternahmen, aber die andere Hälfte ihres Landes nur in seltenen Ausnahmefällen besuchten. Allerdings musste sie zugeben, dass sie früher ja auch immer ins Ausland geflogen war und nicht die, vergleichsweise kurze, Fahrt zur Nordsee unternommen hatte.
Susi nickte mit ihrem Kopf Richtung Büfett. »Gut, dass du wenigstens hafentauglich bist, wäre doch wirklich schade um das gute Essen.«
Kapitel 6
»Ich finde das ist die beste Jahreszeit, um in den Kakadu Nationalpark zu fahren.« Begeistert ließ Hetty ihren Blick über die weitläufige grasgrüne Landschaft schweifen, die sich vor ihnen auftat.
Am Morgen hatte sie noch kurz die Straßenzustände abgerufen und erfahren, dass die Straßen im Kakadu alle befahrbar waren. Nur die Tracks zu den Jim Jim Falls und einigen anderen Vierradsehenswürdigkeiten waren momentan geschlossen. Das interessierte Hetty nun weniger, denn für ihren großen Camper waren solche Offroadstrecken, auch bei geöffnetem Zustand, nicht sonderlich geeignet. Von daher waren diese Ziele sowieso nicht eingeplant gewesen.
Der Ahrnehm Highway, auf dem sie sich befanden, war die neuere Zufahrt zum Kakadu Nationalpark. Von Darwin aus musste man gute achtzig Kilometer auf dem Stuart Highway Richtung Süden fahren und dann einfach an der letzten, der irritierenden Ampeln nach links abbiegen. Die nächsten zweihundert Kilometer brauchte man sich dann keine Gedanken mehr zu machen wohin es ging – einfach immer der geteerten Straße nach.
Im Gegensatz zu der schmalen und kurvenreichen Kakadu Road, die hundert Kilometer weiter südlich vom Stuart zum Nationalpark abzweigte, war dieser Highway angenehm breit ausgebaut und verfügte über hochgelegte Straßenabschnitte und große Brücken, die Fluss- und Flutabschnitte überspannten.
Wenn Otto-Normalverbraucher jetzt glaubte, der australische Tourismusverband wäre so großzügig gewesen, dann irrte er vehement. Denn am Ende des Highways befand sich die Minenstadt Jaribu und in der wurde Uran abgebaut. Australien versuchte hier einen Spagat zwischen Naturschutzgebiet und der Gewinnung von Bodenschätzen zu schlagen. Nach der Devise, ohne Gewinne aus dem Uranverkauf, kein Geld für den Erhalt des Nationalparks.
Hetty erzählte Susi, dass für sie Jaribu die absolute Antistadt war. Nicht, wie üblich, im Schachbrettmuster angelegt, sondern eher wie ein Schneckenhaus. Die einzige mickrige Tankstelle war nur nach zahlreichen Irrfahrten zu finden und meistens war der Großteil der Zapfsäulen außer Betrieb. Große Schilder wiesen auf ein Stadtzentrum hin, doch wenn man diesen folgte, kurvte man nur endlos über Parkplätze und Zufahrten von Supermärkten.
Na schön, man kam auch noch an einem riesigen Funkturm vorbei. Was das mit einem Zentrum zu tun hatte, war Hetty nach wie vor unklar. Wenn man in dem notwendigen Zickzackkurs durch die Häuserzeilen fuhr, kam einem langsam aber sicher der Gedanke, die Stadt wäre ausgestorben. Irgendwie war der ganze Aufbau einfach gruselig. Am Rand lag dann noch ein großer See, aber auch hier war keine Menschenseele zu finden.
Susi hatte interessiert zugehört und konnte ein amüsiertes Lachen nicht mehr zurückhalten. »Wenn du etwas nicht magst, dann kannst du dich aber richtig reinsteigern!«
Hetty gab ihr recht. »Das mit der Toleranz werde ich wohl nie lernen. Ich bin mehr der schwarz-weiß-Typ. Entweder – oder. Und der Witz dabei ist, ich kann meine Abneigungen meist gar nicht begründen, sondern handle rein nach Bauchgefühl.«
Ihre Mitfahrerin lächelte. »Und wie oft hast du, bei dieser Devise, dann schon daneben gelegen?«
Nach kurzem Nachdenken antwortete Hetty. »Bei Objekten ist meine Meinung natürlich rein subjektiv. Das sieht jeder nach seiner Fasson. Aber bei Personen hat sich mein erster Eindruck eigentlich immer bewahrheitet. Und wenn ich mal gemeint habe, wider besseren Wissens, jemand wäre doch nicht so unrecht, dann war das immer ein Griff ins Klo.«
Sie deutete mit dem Daumen Richtung Camperinneres. »Sssissi, meine Schlange, würde dir das jederzeit bestätigen, wenn sie reden könnte.«
Susi richtete sich auf. »Ich wollte dich eigentlich schon die ganze Zeit fragen, wieso du mit einer Schlange durch die Gegend fährst.«
Hetty lächelte vor sich hin. »Das ist eine lange Geschichte. Die heben wir uns für einen der nächsten Abende auf. Im Resort haben wir dazu genügend Zeit.«
Vorerst hatten sie noch einige Aussichtspunkte auf der Strecke zu besichtigen. Das Windows in the Wetlands war ein auf Pfählen errichtetes langgestrecktes Holzgebäude, das große Fensteröffnungen zu den angrenzenden Feuchtgebieten hatte. Hier konnte man, auf den netterweise angebrachten Holzbänken sitzend, die Wasservögel beobachten, die diese Stelle zahlreich aufsuchten.
Da waren Rallen mit rotem Puschel auf dem Kopf, die mit ihren langen Spinnenbeinen auf den Lotosblüten durch die Gegend staksten. Gänse in großen Scharen, die, auf den seichteren Stellen gründelnd, durch die Gegend wateten. Kormorane die sich ins Wasser stürzten, um nach einem Fisch zu schnappen und dabei eine grandiose Kunstflugeinlage hinlegten.
Die Könige der Landschaft waren allerdings die Seeadler, die majestätisch in den hohen Bäumen saßen und von dort die Szenerie überblickten. Und zwischen all den großen Vertretern der flugfähigen Wesen, wieselten die flinken kleinen Kingfischer herum, die mit ihrem blauschimmernden Gefieder in der Sonne glitzerten.
»Es sollen über zweihundertvierzig verschiedene Vogelarten zur Wetseason im Kakadu zu finden sein.« Hetty hatte sich mit Susi im Fernglashalten abgewechselt. »Wenn wir an einem der nächsten Tage eine Fahrt auf dem Yellow Water Billabong machen, dann wird der Ranger uns sicher noch einige zeigen, die man auf Anhieb nicht sieht.«
Als sie wieder im Camper saßen, fragte Susi. »Du hast doch nichts dagegen, wenn wir länger im Kakadu bleiben, oder? Ich finde diese Landschaft und die Vögel einfach fantastisch.«
Hetty lächelte. »Wenn du erst den Campingplatz siehst, dann wird dir klar, warum ich sicher nichts dagegen habe.«
»Dieser Pool ist der absolute Wahnsinn!« Susi stand mit offenem Mund vor der Anlage und staunte. Sie waren am späten Nachmittag in Cooinda angekommen. Hetty hatte sich gleich nach dem Einchecken ihren Badeanzug und ein paar Handtücher geschnappt und Susi bedeutet, sie solle ihren Bikini mitnehmen, denn sie müssten jetzt ein paar Minuten gehen.
Der, erst vor Kurzem fertiggestellte neue Schwimmingpool war am anderen Ende des großen Resorts untergebracht, das aus Campground, Lodges, Budgetunterkünften und einem Minihotel bestand. Das Becken war, in der jetzt modernen Bauweise, in einer Mischung aus echten roten Felsbrocken und nachgeahmtem Beton geformt. Am hinteren Ende ergoss sich ein gut fünf Meter hoher Wasserfall über eine Steinformation in ein kleineres Becken und von dort über einen Überlauf in das große Becken, das mit seiner Form an eine gestauchte Niere erinnerte. An eine ziemlich große Niere.
Hetty schätzte den Durchmesser der Wasserfläche auf mindestens vierzig Meter. Daran schloss sich ein, mit einem Schattensegel überspanntes, Kinderbecken an. Das Hauptbecken war natürlich rollstuhlgeeignet, denn so eine Anlage nicht behindertengerecht zu bauen wäre in Australien ein absolutes „No Go“ gewesen. Eine breite Rampe führte in einem sanften Bogen neben einem Überlauf, der mit Steinen dekoriert war, in das Wasser. Für das absolute Wohlfühlerlebniss waren auf allen Seiten noch Sitzbänke im Becken integriert.
Читать дальше