Sie runzelte die Stirn. »Er ist ziemlich attraktiv und so wie er dich aufgefangen hat, ist er mit Sicherheit auch sehr sportlich. Seine Reaktion war sowieso fantastisch. Ich hätte nie geglaubt, dass er dich noch erwischt.«
Susi kicherte. »Und er hat mir noch kein einziges Mal in den Ausschnitt geschaut.«
Sie blinkerte Hetty an. »Ich glaube, er steht mehr auf meine inneren Qualitäten.«
Auch in der teuren Lodge, welche die beiden Freunde gemeinsam bewohnten, war die Nacht noch nicht zu Ende.
Hashimoto hatte die Minibar geöffnet und sich und Kai noch einen Absacker eingeschenkt. »Das ist also Hetty! Deine Schilderung war wirklich nicht übertrieben. Diese Frau ist auf gar keinen Fall mit den üblichen Maßstäben zu messen.«
Schmunzelnd sah er Kai an. »Die kauft dir die Nummer mit Mister Ernsthaft nicht im geringsten ab. Wie fühlt es sich denn an, als normaler Mensch behandelt zu werden?«
Kai gönnte ihm ein leises Lachen. »Es kratzt am Selbstbewusstsein, hast du noch nicht mitgekriegt, dass ich völlig fertig bin?«
Hashimoto grinste ihn an. »Eigentlich hatte ich ja jemand anderes im Auge, aber soviel ich bemerkt habe, hast du dich sehr gut unterhalten und mehr geredet, als das letzte halbe Jahr. Hoffentlich bedeutet das nicht, dass ich jetzt bis Silvester nur noch schriftliche Notizen von dir bekomme.«
Kais rechter Mundwinkel zuckte. »Da wir noch einige Tage da sind und du schätzungsweise morgen wieder Damengesellschaft haben willst, solltest du dir für unsere Rückreise deine Zeichensprachenkenntnisse wieder ins Gedächtnis rufen.«
Sein Freund schmunzelte. So gut gelaunt hatte er ihn schon lange nicht mehr erlebt. Noch vor zwei Tagen hatte er mit Engelszungen auf ihn eingeredet, er sollte doch mit ihm mitkommen. »Du musst endlich mal etwas ausspannen, hör auf das, was dir der Onkel Doktor gesagt hat. Deine Firma kann auch mal eine Woche ohne dich auskommen. Wenn ich schon Urlaub machen kann, dann wirst du dir auch mal eine Auszeit nehmen können.«
Schlussendlich hatte Kai zugestimmt und so waren sie heute am späten Nachmittag hier angekommen. Hashimoto schüttelte den Kopf. In einem Land, das viertausend Kilometer lang und breit war, zufällig aufeinanderzutreffen, war schon echt beachtenswert. Vor allem, wenn man sich eigentlich in verschiedenen Kreisen bewegte.
Aber bei Hetty und Kai wurde der Zufall, langsam aber sicher, zur Regel. Und so hatte er die Gelegenheit bekommen, diese fiktive Gestalt aus Kais Erzählungen persönlich kennenzulernen und festzustellen, dass sein Freund in seiner Beschreibung nicht übertrieben hatte. Diese Frau hatte tatsächlich etwas Besonderes an sich.
Doch für ihn selbst war ihre Begleiterin noch bedeutend interessanter. »Was hältst du von Susi?«
Kai lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. »Da sich ein gewisser Japaner da voll und ganz in Front geworfen hat, könnte der mir jetzt mal erzählen, was er für eine Meinung hat und ich kommentiere!«
Hashimoto schenkte nach und knurrte seinen Freund an. »Anscheinend muss man tatsächlich Hetty heißen, um dich zum Reden zu bringen.«
Während er mit seinem Fazit begann, bemerkte er grinsend, dass Kai zumindest auf seine letzte Bemerkung mit einem leichten Anflug von Irritation reagierte.
Kapitel 8
Hetty war enttäuscht. Sie hatte immer gedacht, Kai wäre ein Ausnahmefall und würde nicht die gleichen Verhaltensweisen, wie die meisten der australischen Männer, an den Tag legen. Aber jetzt sah er mit einem äußerst interessierten Blick zu, wie Susi in den Pool stieg. So wie alle anderen Männer, die momentan am Schwimmbecken waren.
»Was hast du erwartet, dass er nicht aus Fleisch und Blut ist? Du hast ja selbst schon konstatiert, dass jemand tot sein müsste, um nicht von Susi beeindruckt zu sein. Und auch wenn du ihn Graf Dracula nennst, weilt er doch unter den Lebenden.« Die Sarkasmusabteilung war seltsamerweise heute nur logisch und nicht messerscharf vernichtend.
Na ja, was sollte sie an ihr auch vernichten. Der morgige Blick in den Spiegel hatte gezeigt, dass aus der durchschnittlich aussehenden Frau Mitte vierzig, über Nacht keine zehn Jahre jüngere, tolle, aufregende Blondine geworden war. Damit standen ihre Chancen bei Kai zu landen, nach wie vor bei weit unter Null. Was gab es da noch zu sagen?
Hetty versuchte erneut in ihrem Buch zu lesen, das sie eigentlich nur noch als Alibi in der Hand hielt. Denn seitdem Kai sich vor einer Stunde in einen der Liegestühle neben sie gelegt hatte, war sie damit beschäftigt gewesen, ihn heimlich zu beobachten.
Der hatte inzwischen schon einige Runden im Pool gedreht und war nun seinerseits dabei, Susi zu observieren. »Ist deine Freundin eigentlich in festen Händen?«
Hetty wollte schon ätzend antworten. »Frag sie doch selber!«
Doch durch so eine Antwort hätte er weit mehr über ihre momentanen Gefühle erfahren, als ihr lieb war. Das wäre äußerst kontraproduktiv gewesen und die mühsam aufgebaute Tarnung der Desinteressiertheit wäre, wie ein marodes Kartenhaus, zusammengefallen. So schüttelte sie also nur den Kopf und erzählte ihrem Gegenüber, in einem absolut gleichgültigen Tonfall, was ihr Susi über ihre Wohngemeinschaft gesagt hatte.
Kai nickte zustimmend, als Hetty ihm erklärte, dass es für Susi nicht ganz leicht war, Beziehungen zu haben. »Das kann ich mir vorstellen. Es wird wenig Männer geben, die nicht nur an ihrem Äußeren interessiert sind.«
Er blickte in die Runde und deutete mit dem Kopf. »Schau dir das an, wie die alle gucken!«
Hetty dachte genervt: Und du selber? Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
Bevor ihr eine deftige Antwort einfiel, fuhr Kai fort. »Weißt du was mir Hashimoto die ganze Nacht erzählt hat? Der ist völlig von den Socken, weil Susi die gleichen Interessensgebiete wie er hat, fließend japanisch spricht, hochintelligent ist und dazu auch noch so furchtbar nett.«
Kai hob den rechten Mundwinkel. »Ich glaube, wenn du den fragst wie sie aussieht, dann antwortet er, darauf hat er nicht so geachtet.«
Er stand auf. »Na, dann werde ich ihm mal die frohe Botschaft überbringen.«
»Mach den Mund zu, es zieht!« Diese Bemerkung ihres Verstandes weckte sie aus ihrer Erstarrung, in die sie verfallen war, während sie Kai nachschaute, als er sich entfernte.
Aus seiner Äußerung war sehr eindeutig zu entnehmen, dass er sozusagen in Hashimotos Auftrag unterwegs gewesen war, um für ihn das Gelände zu sondieren. Und so wie es aussah, hatte er Susis Aussehen zwar zur Kenntnis genommen, aber selber nicht das geringste Interesse an ihr.
»Also stell ihn wieder brav zurück auf das Podest, damit wir ihn weiter anbeten können!« Die Hormongruppe hatte sich schnell von der kurzzeitigen Irritation erholt und lag bereits wieder demütig auf den Knien.
»Was hast du heute eigentlich für uns geplant?« Susi trocknete sich, zum Vergnügen der männlichen Besucher des Pools, gründlich ab. Hetty überlegte kurz, ob sie mit einem Hut zum Sammeln gehen sollte. Eigentlich müsste Susi für die Show etwas verlangen.
Doch die wartete immer noch auf ihre Antwort und zeigte dabei in keinster Weise, dass sie bemerkte, welchen angenehmen Blickfang sie hier bot.
Hetty runzelte die Stirn. »Also etwas Bestimmtes habe ich nicht vorgehabt, aber wir könnten zum Nourlangie Rock fahren, da gibt es Aborigine Zeichnungen zu sehen und einen Wandertrack, der eine Stunde durch die Gegend führt.«
Sie tätschelte ihren Bauch. »Ich bräuchte wieder ein bisschen Bewegung.«
Susi hörte Aborigine und war sofort Feuer und Flamme. Sie beschlossen kurz nach dem Mittag loszufahren, denn da der Felsen sozusagen ums Eck lag, nämlich nur schlappe fünfzig Kilometer entfernt, reichte der Nachmittag für diesen Ausflug völlig aus.
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