Die Fotografin ignorierte die anzüglichen Bemerkungen ihres Mannes und stellte eine Gegenfrage:
»Glaubst du denn, es sei jemand anders dort im Haus? Wieso denn, traust du den beiden solche Eskapaden nach den vielen Ehejahren etwa gar nicht mehr zu?«
Sie blickte ihren Mann leicht vorwurfsvoll an. Er lachte:
»Nein, das ist es nicht. Aber sie sollen ja auch einen Sohn und eine Tochter haben. Die sind beide über zwanzig und könnten doch die Abwesenheit ihrer Eltern mit Freunden und Freuden geniessen. Wäre doch gut möglich. So wie du das Ganze geschildert hast und was ich da auf dem Bild deutlich erkennen kann, deutet doch eher auf jüngere Mitmenschen hin. Rasieren und tätowieren soll ja heute bei den Jungen mega in Mode sein, habe ich wenigstens irgendwo gelesen.«
Franz grinste anzüglich und kniff ein Auge zu.
»Oder bist du etwa sogar neidisch auf den Saunagang der beiden?«
Nun lachte auch sie:
»Aber Hallo Franz, ich bin ganz zufrieden und glücklich so wie wir es haben. Wäre für unsere Knochen auch gar nicht gut, so im Schnee herum zu tollen und erst noch nackt! Ja, du könntest recht haben. Das waren vielleicht gar nicht der Bänker und seine Frau. Die Frau, welche ich gesehen habe, scheint mir doch einen üppigeren Busen zu haben als die Frau des Finänzlers. Ich kenne sie ja vom Turnen. Ach komm, lassen wir es gut sein. Diese Geschichte geht uns ja eigentlich gar nichts an. Wie war es im Wald?«
Franz hatte die gesuchten Grenzmarkierungen dank seines GPS Handy leicht gefunden. Er war beeindruckt vom gepflegten Zustand des Waldes und über die guten Waldstrassen. Seine Meinung stand fest. Der Wald war wirklich wertvoll. Interessant war für ihn allerdings auch die Tatsache, dass der Wald an einer Stelle bis auf gut zwanzig Meter an das Haus des Rechnungsführers der Kirchgemeinde herankam.
»Von da aus hättest du die beiden besser ins Visier nehmen können, du kleine Spannerin! Aber Spass beiseite. Ich werde mich mit Tobias Fink besprechen. Die Bürgergemeinde besitzt auch Wald und er kann mich sicher beraten, wie wir in diesem Geschäft vorgehen sollen.«
Mit leicht geröteten Wangen räumten sie die Reste des Picknicks zusammen. Franz schaute immer wieder zum Wintergarten hinunter. Seine Frau ballte eine handvoll Schnee und warf die Kugel ihrem Mann von hinten an den Kopf.
»Jetzt bist aber du der Spanner, komm lass uns gehen. Mir wird langsam kalt. Ich brauche Bewegung und etwas Wärme wäre auch ganz gut. Doch beim Finänzler gehen wir bestimmt nicht vorbei. Bei denen steht jetzt bestimmt etwas Anderes auf dem Programm als Kaffee und Süssigkeiten mit seinem Präsidenten «
»Da triffst du sicher ins Schwarze. Lass uns gehen, hat ja auch Schnee bei uns auf dem Rasen und ausser der Tätowierung würde ja auch alles stimmen...«
Sie versetzte ihm zärtlich einen Stups. Sie umarmten sich lachend und machten sich auf den Heimweg.
Die Zeit zwischen Weihnachten und Sylvester war auch in unserem grossen Dorf eine geruhsame. Viele nutzten die ausgezeichneten Schneeverhältnisse in den Bergen um wieder einmal auf den Skis zu stehen. Andere flogen für einige Tage in die Wärme oder unternahmen in den freien Tagen längst fällige Besuche. In den Geschäften war Hochbetrieb. Es wurde umgetauscht und neu gekauft was das Zeug hielt. Väter fuhren mit ihren Söhnen an den berühmten Eishockey Cup in einem Kurort in Graubünden und bestaunten die NHL Cracks aus Amerika, die wieder einmal wegen eines Lockouts in Europa übers Eis stürmten. Die nebenamtlichen Mitglieder von Behörden hatten endlich genügend Zeit für das Aktenstudium. So hielt auch Franz seinen Kirchenrat und die Leiterinnen und Leiter von Kommissionen, Arbeitsgruppen oder Projektteams auf Trab. Er sass jeden Morgen einige Stunden am PC, verschickte Mails und plante das neue Geschäftsjahr für seine Gemeinde. Die sich abzeichnende Geldknappheit bereitete ihm mehr und mehr Sorgen. Seinem Finanzvorsteher sandte er den Auftrag, ihm einige Tage vor der Sitzung eine exakte Aufstellung über die Situation zu senden. Er bat ihn auch, das Treffen mit der Schilderung der Finanzlage aus seiner Sicht zu eröffnen und möglichst schonungslos aufzuzeichnen was im neuen Jahr auf die Kirchgemeinde zukommen wird. Sein Stellvertreter antwortete ihm innert Stunden, er mache dies natürlich gerne und sei schon fast bereit.
Franz sprach mit Tobias Fink über die Frage, welchen Preis der Aubodenwald wohl erzielen könnte. Fink sass zwar nicht in der Kirchenleitung, war aber in der Dorfpolitik erfahren und wusste durch die Arbeit seiner Frau auch gut Bescheid über die Situation in den Kirchgemeinden und so führt uns dieses Zwischenspiel fast zwangsläufig zu:
Rebecca Fink, die Frau von Tobias war während diesen Tagen oft in dem von ihr geleiteten Treffpunkt für Armutsbetroffene am Bahnhof zu finden. Gerade in dieser Zeit suchten viele weniger gut situierte Mitmenschen Wärme und ein gutes Gespräch mit den freiwilligen Helferinnen von Rebecca. Sie kannte ihre Kundinnen und Kunden gut und war froh, wenn sie bei grossen menschlichen Sorgen auf die Hilfe von Claire zählen konnte. Das Projekt Armutstreff wurde von den beiden Kirchgemeinden aufgebaut und finanziell unterstützt. Deshalb war auch Claire häufig im Treff anwesend. Ihre Familie, wie sie die allein stehenden älteren Gemeindemitglieder oft spasseshalber nannte, trank gerne einen Kaffee im Treffpunkt und schüttete den Betreuerinnen ihr Herz aus. Auch Tobias, Evi und Maria von den Ökumenen sassen regelmässig am grossen ovalen Tisch und beteiligten sich an den Diskussionen. Tobias betreute die Informatik des Treffs, die Homepage und half seiner Frau wo immer er konnte. So bat sie ihn, ihre Präsentation über das soziale Projekt a'Treff vorzubereiten. Sie sollte anfangs Jahr vor den Leiterinnen und Leitern der sozialen Dienste der umliegenden politischen Gemeinden die Pionierarbeit der reformierten und katholischen Kirchgemeinden des grossen Dorfes vorstellen. Im a'Treff sass Rebecca mit einer Helferin am Stammtisch. Sie sprachen mit Betroffenen, zwei Frauen und drei Männern über die Problematik der Vereinsamung von Alten und Randständigen, gerade über Weihnachten. Claire stiess zu der Gruppe und fragte Rebecca:
»Kommt Tobias heute auch? Ich habe da ein Problem mit meinem neuen iPhone. Vielleicht kann er mir helfen, ist ja auch ein unglaublicher Blödsinn mit diesen Geräten. Da hast du ein einfaches, simples Nokia Handy, alles funktioniert. Du kannst SMSlen, hast einen Player drauf und auch die Uhr ist stets bei dir. Da fällt ein solcher Hype wie der um den ganzen Applekult über das Land und schon beginnen die Sorgen. Ich fahre extra nach Zürich, löse im Apple Store ein Ticket und stehe stundenlang an, bis mich ein zwar hübscher aber sehr gestresster Guide nach meinen Wünschen fragt. Nach drei Stunden habe ich endlich mein iPhone 5 und zu Hause stelle ich fest, dass ich meine Daten nicht mehr so einfach übertragen kann. Total umgehauen hat es mich aber, als ich vorhin beim Aufgeben eines eingeschriebenen Briefes am Postschalter von der umtriebigen Regula gefragt wurde: Möchtest du auf das neue iPhone wechseln? Wir haben es hier am Lager und wenn du heute eines kaufst, gibt es die Autobahnvignette für das nächste Jahr und ein Jasmine Duschshampoo gratis dazu! Wäre doch ein guter Deal!«
Die Besucher des a'Treffs lachten herzhaft. Auf der Strasse blickten sich derweil vorbeigehende Passanten um und motzten:
»Typisch, wir schuften den ganzen Tag und diese Randständigen amüsieren sich auf unsere Kosten.«
In der gemütlichen a'Treff Stube antwortete Rebecca:
»Ja, Tobias sollte kommen und wird dir bestimmt gerne helfen. Du weisst ja, wie er solche kniffeligen Sachen liebt. Deshalb ging er auch heute gerne in den Zwinglisaal, um meine Präsentation vorzubereiten. Er wird wohl auch dort mit den Tücken der zeitgemässen Kommunikations- und Präsentationstechnik zu kämpfen haben.«
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