„Da ich nie koche“, sagte sie fast entschuldigend, ernähre ich mich sonst ausschließlich von Fast Food. Ich könnte auch Junkfood sagen. Auf jeden Fall klatschen die bei McDonald‘s immer in die Hände wenn ich komme.“
Nachdem das Geschirr wieder abgeräumt war seufzte sie zufrieden. „Da fällt mir ein“, sie lächelte ihn freundlich an, „wenn du mal mit mir bumsen willst, sag es ruhig. Ich würde dir auch nichts berechnen. Oder kannst du nicht mehr?“
„Danke für das Angebot“, lächelte er, „später vielleicht. Jetzt bin ich mehr an einer Schusswaffe interessiert. Weißt du wo ich mir so etwas besorgen kann?“
„Willst du deine Frau umbringen? Pass bloß auf, die Bullen verdächtigen immer zuerst den Ehemann.“
„Nein, nur zur Selbstverteidigung brauch ich das Ding“, stotterte er unbeholfen.
„Ich habe Zugriff auf einen 9mm Revolver von Smith & Wesson, und eine Makarow Pistole mit Schalldämpfer.“
Zum ersten Mal war Jakob wirklich überrascht. Hatte er sie bisher völlig falsch eingeschätzt? „Welche würdest du mir empfehlen?“ fragte er ausweichend.
„Um dich selbst zu schützen benötigst du ja keinen Schalldämpfer. Also nimm doch den Revolver. Ich muss dir allerdings dazu sagen, dass es sich bei beiden Waffen um gebrauchte handelt; wenn du verstehst was ich meine.“
„Heißt das, es sind mit ihnen schon Menschen erschossen worden?“
„Nicht direkt erschossen, aber doch…“
„Das ist mir egal. Besorg mir so ein Ding.“
„Zur Selbstverteidigung sind sie eigentlich weniger geeignet. Die Polizei kann nämlich feststellen, wo sie schon mal verwendet worden sind.“
„Willst du mir nun die Pistole besorgen oder nicht?“
„Also gut. Bring sechshundert Mäuse mit.“
„Treffen wir uns wieder hier?“
Sie schüttelte den Kopf. „Wenn man mich immer mit dem gleichen Typen rumhängen sieht, schadet das meinem Ruf Jakob.“
Er sah sie verständnislos an.
„Man glaubt dann womöglich ich hätte einen festen Freund und wäre wieder bürgerlich geworden.“
„Das hatte ich nicht bedacht“, sagte er sarkastisch. „Also wohin?“
„Mach du einen Vorschlag.“
„Wir könnten im Atlantic Restaurant essen oder in der Jahreszeiten Bar Pernod trinken und uns dann im Grill bedienen lassen.“
„Danke, dass du mit mir dahin gehen würdest. Aber mir ist das alles zu hochgestochen. Ich kann mich da nicht wohlfühlen. Wärst du auch mit dem Ratskeller einverstanden?“
„Na klar. Parlament heißt der Laden.“
„Also heute in einer Woche. Aber bitte schon um neunzehn Uhr.“
***
Nachdem Bianca außer Sicht war, ließ er sich von einem Taxi zur Palmaille fahren. Dort konnte er mühelos feststellen in welchem der beiden Hochhäuser Kurden-Paul wohnte, da Azad Sabri, deutlich sichtbar, auf dem Klingelschild in der Eingangs- halle des Hauses Nummer sechzehn prangte. Danach hatte er sich auf den Weg in die Große Freiheit gemacht, um seinen Platz am Fenster seiner beiden lesbischen Vermieterinnen wieder einzunehmen. Er musste unbedingt in Erfahrung bringen um welche Zeit Paul seinen Club verließ.
Dann ging alles sehr schnell. Kurden-Paul war, was die Arbeitszeit betraf, korrekt wie ein deutscher Beamter. Er kam um vier und ging um vier, danach konnte man die Atomuhr in Paris stellen. Der Rolls Royce brachte ihn dann zurück in die Palmaille, wo der Fahrer immer an der gleichen Stelle im ersten Untergeschoss der hauseigenen Tiefgarage parkte. Am nächsten Tag genau um zwanzig vor vier öffnete der Fahrer die hintere linke Wagentür und ließ seinen Chef einsteigen. Die beiden Leibwächter setzten sich ebenfalls. Einer neben Kurden-Paul, der andere neben den Fahrer. In dieser Formation hatte Jakob sie, bei seinen Beobachtungen von der anderen Straßenseite, regelmäßig um 15 Uhr 42 aus der Tiefgarage kommen und in Richtung St. Pauli Fischmarkt verschwinden sehen.
Gleichermaßen problemlos war das Essen mit Bianca im Ratskeller verlaufen. Er durfte nicht nur wieder ihren erstaunlichen Appetit bewundern, sondern auch einen roten Stoffbeutel mit der Aufschrift ‚750 Jahre Duvenstedt‘, den sie ihm wortlos zuschob. Wahrscheinlich lebt sie in den Walddörfern, wo man sie als um die Welt reisende Modeeinkäuferin kennt, dachte er spontan. Da sie seinen Umschlag mit ihrem Honorar und dem Kaufpreis ungeprüft einsteckte, entschloss er sich ihr ebenfalls zu vertrauen und zwängte den Beutel in seine Aktentasche.
„Fünfzig Schuss gratis“, hatte sie lächelnd zu ihm gesagt, „damit kannst du die Hälfte aller Zuhälter auf dem Kiez um meucheln.“
„Wer sagt denn sowas?“ hatte er geantwortet und zwei weitere Pernod bestellt.
Am nächsten Tag war er nach Hanstedt in die Heide gefahren, wo er früher gelegentlich mit Louise Pilze gesammelt hatte, um seine Makarow zu testen. Er schoss zehnmal auf einen Baumstumpf und fand, dass er eine gute Wahl getroffen hatte.
Der Rest war reine Formsache. X-mal im Geist geübt und immer wieder auf Schwächen analysiert. Er fühlte sich gut vorbereitet und sicher. Jetzt trottete er, wie Rentner das so tun, scheinbar ziellos vom Bahnhof Altona zur Palmaille 16. Er betrat die Eingangshalle und öffnete die Tür zur Tiefgarage, hinter die er sich stellte. Punkt 15 Uhr 32 rief er mit einem prepaid Handy das Polizeirevier an, dem es bisher nicht gelungen war Kurden-Paul zu überführen. Er teilte mit, dass Azad Sabri gerade damit beschäftigt war, mit seinen Leibwächtern, Drogen in einen Rolls zu verstauen, der im ersten Untergeschoss der Tiefgarage des Hochhauses Palmaille 16 geparkt war. Dann unterbrach er die Verbindung.
Er schätzte sie würden sieben bis acht Minuten benötigen. Vielleicht auch etwas weniger. Er wartete geduldig. Um 15 Uhr 38 verschloss er die Tür hinter der er stand, mit einem Keil aus seiner Aktentasche und ging einen Stock tiefer zur Parkgarage. Genau um 15 Uhr 39 öffnete er die Eisentür und sah Kurden-Paul, der eben aus dem Fahrstuhl gestiegen war und mit seinen Guards im Gefolge zu seinem Wagen schritt. Der Mörder und Zuhälter war keine fünf Meter von ihm entfernt. Jakob jagte ihm drei Kugeln in den Kopf, die seine Schädeldecke zerfetzten, so dass ihm Teile seiner Gehirnmasse übers Gesicht liefen. Er warf die Pistole in Richtung des zusammenbrechenden Sabri, dessen Leibwächter sich schützend über ihn geworfen hatten, schloss die Tür und verkeilte sie. Dann lief zurück ins Parterre, entfernte den Türkeil, und hastete weiter in Richtung 1. Stock. Unter sich hörte er wie die beiden Leibwächter wütend gegen die Eisentür trommelten. Gleichzeitig konnte er sich nähernde Polizeisirenen wahrnehmen. Im 2. Stock ging Jakob die Puste aus. Er trat in den Flur und drückte den Fahrstuhlknopf Richtung Parterre. Nach einiger Zeit, die er auch dringend zum Verschnaufen und zum Ausziehen seiner Handschuhe benötigt hatte öffnete sich die Lifttür. Drei Insassen starrten ihn mit leeren Blicken an. Er grüßte freundlich, trat ein, wendete ihnen den Rücken und pries dankbar die Anonymität in den Hochhäusern dieser Welt.
Als sich im Parterre die Tür wieder öffnete, wurden sie bereits von einem Wachtmeister heraus gewunken, der sie aufforderte umgehend das Haus zu verlassen, da sie sich inmitten eines gefährlichen Polizeieinsatzes befänden. Jakob, der keinen Grund sah sich den Anweisungen der Polizei zu widersetzen, kam der Aufforderung zügig nach.
***
Nachdem die Leibwächter ihren Schock überwunden hatten und realisierten, was mit ihrem Chef geschehen war, stürmten sie gemeinsam zur Tür und versuchten vergeblich sie gewaltsam zu öffnen. Als dies nicht gelang, wollten sie einfach nur noch raus aus dieser Mausefalle. Sie schleppten die Leiche in den Kofferraum und herrschten den Fahrer an hier zu verschwinden. Dieser hatte inzwischen Jakobs Pistole aufgehoben und wollte wissen, was er damit machen sollte. Als kurz darauf ein Sondereinsatzkommando der Polizei über die Zufahrt in die Garage eindrang, verlor einer der Leibwächter die Nerven und begann zu schießen.
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