Soaktan schlug einem der beiden mit seiner Axt die Waffe aus der Hand, noch ehe dieser überhaupt zum Schlag ausholen konnte, und trat nach einer schnellen und geradezu akrobatischen Drehbewegung dem anderen gegen den Hals, wodurch der Getroffene auf den staubigen Boden fiel.
Tado sah, wie der letzte der Bogenschützen hinter einem nahen Felsen auftauchte. Doch bevor er überhaupt zielen konnte, hatte Giful bereits einen Pfeil gezogen, ihn aufgelegt, den Bogen gespannt und ihn abgefeuert. Das Geschoss fand sein Ziel und durchbohrte den Brustkorb des Gegners.
Soaktan, der sich beider Angreifer scheinbar mühelos hatte entledigen können, wurde nun von einem dritten Krieger attackiert. Dieser trug einen etwa zwei Meter langen Metallstab, an deren beiden Enden jeweils eine Klinge befestigt war. Die Axt des Mannes aus Akhoum parierte einen heftigen Schlag, danach ließ sie Soaktan fallen, griff gleichzeitig nach der Waffe seines Gegners, lief einen in unmittelbarer Nähe befindlichen mannshohen Gesteinsbrocken einige Schritte hinauf und trat ihm dann von dort aus mit solcher Wucht ins Gesicht, dass Tado bis zu seiner Deckung herüber das Zerbrechen eines Schädelknochens hören konnte.
Lukdan hatte inzwischen die Aufmerksamkeit von drei Feinden auf sich gezogen, die ihn nun umzingelten. Der Angegriffene wehrte etliche Schläge ab, es blieb Tado ein Rätsel, wie er sich mit nur zwei Schwertern an scheinbar allen Seiten gleichzeitig verteidigen konnte. Schließlich landete er sogar einige Treffer. Die gezackten Klingen seiner Säbel fügten den Spähern aus Syphora tiefe Wunden zu, sodass sie schon nach kurzer Zeit zusammenbrachen und Lukdan sich ihrer entledigen konnte.
Der letzte feindliche Krieger hatte sich von hinten an Tado, Giful und Yala herangeschlichen. Diesmal war es Ersterer, der die nahende Gefahr bemerkte und einem gut geführten Schlag nur durch eine reflexartige Ausweichbewegung entgehen konnte, mit der er sich auf die Seite des Angreifers brachte und ihm gegen das Knie trat. Der Mann wankte einige Schritte zurück, sodass auch Giful auf ihn aufmerksam wurde und ihn durch einen gezielten Schuss ausschaltete.
Nach diesem Zwischenfall marschierte die kleine Gruppe noch schneller als zuvor. Tado nahm einen der Säbel der gefallenen Krieger aus Syphora an sich.
Unterwegs kamen sie an einem kleinen Wasserloch vorbei, an dem sie ihren Durst stillen konnten. Es schmeckte nicht besonders gut. Erst jetzt fiel ihm auf, dass keiner von ihnen Proviant oder dergleichen bei sich hatte.
Je weiter sie nach Norden vordrangen, desto üppiger wurde die Vegetation. Gelegentlich bedeckten nun kleine Ansammlungen von Büschen und niedriges, trockenes Gras den Boden. Einmal kreuzte ein löwenähnliches Tier ihren Weg, das Soaktan als Reigul identifizierte. Nachdem sie sich bei Yala erkundigt hatten, ob dieses Tier genießbar sei, erlegten sie es und hoben es für das Abendessen auf. Gegen Abend erreichten sie tatsächlich eine Stelle, an der ein einsamer Baum wuchs, dessen Krone relativ weit über den ausgetrockneten Boden ragte. Sie schürten ein Feuer und brieten den Reigul. Letzteres überließen die Krieger aus Akhoum Yala, die sich offensichtlich damit auskannte. Tado sah ihr dabei zu, immerhin hatte er im Moment nichts Besseres zu tun. Soaktan und Lukdan schärften ihre Waffen, während Giful die Gegend auskundschaftete.
Als sie alle wieder zusammen waren, gab Yala jedem ein recht großes Stück Reigul.
„Ohne Gewürze mag es vielleicht etwas trocken schmecken“, sagte sie entschuldigend. Sie behielt Recht, doch keiner der anderen machte eine entsprechend Bemerkung.
Bei der Einteilung der Nachtwache wurden sie und Tado außen vor gelassen, wohl weniger, weil die Krieger eine Flucht befürchteten, sondern eher, weil sie ihnen eine solche Aufgabe nicht zutrauten.
* * *
Sie wurden am nächsten Morgen unsanft geweckt. Offensichtlich hatte es einen Zwischenfall gegeben.
„Was ist los?“, erkundigte sich Tado.
„Eine Hundertschaft Syphoras nähert sich von Südosten her. Möglicherweise ist sie ein Teil des Heeres, das sich auf dem Marsch nach Akhoum befindet. Ich weiß nicht, wie sie uns gefunden haben, oder ob wir überhaupt ihr Ziel sind. Möglicherweise ist gestern einer der Späher entkommen. Wir müssen die Sumpfgebiete vor ihnen erreichen, sie dürfen den Auftrag auf keinen Fall gefährden“, sagte Giful.
Tado hätte gern gewusst, woher dieser all die Informationen hatte. Es blieb ihm jedoch keine weitere Zeit, um Fragen zu stellen, denn Soaktan drängte ihn und Yala zum Aufbruch, während Lukdan bereits einige Meter weit gegangen war. Sie bewegten sich nun im Laufschritt vorwärts, und nach einiger Zeit tat sich ein Wald vor ihnen auf. Alte, niedrige und sehr breite Stämme mit größtenteils sehr unebenem Stamm wuchsen zwischen gräulich schimmernden, unförmigen Tümpeln, und ihr Blätterdach bildete eine undurchdringliche Decke, durch die kaum ein Lichtstrahl den Boden erreichte. Übel riechender Schlamm bahnte sich seinen Weg durch das Gehölz, Wasserlinsen und Schlingpflanzen mischten ein mattes Grün unter die trübe Landschaft. Moosartige Gewächse hingen von den Zweigen herab und verliehen dem Bild etwas Mystisches.
Nur zögerlich betraten die Fünf die verbotenen Sümpfe von Sekhan, wie sie auch genannt wurden. Die stickige Luft, der modrig-faulige Geruch und die hohe Luftfeuchtigkeit erschwerten das Atmen. Mücken und andere Insekten umschwirrten die kleine Gruppe. Ein unheilvoller Dunst beschränkte die Sicht auf etwa zehn Meter.
Die Gruppe folgte einem schmalen Trampelpfad durch den sumpfigen Morast, von Zeit zu Zeit sahen sie sich jedoch gezwungen, zu Fuß durch knietiefen Schlamm zu waten, der ab und zu links und rechts von ihnen ein wenig hin und her schwappte. Blutegel und Schlammwürmer lebten im undurchsichtigen, dickflüssigen, wässrigen Boden. In den Bäumen hingen riesige Nester dunkelbrauner, fast faustgroßer Spinnen, einige Netze spannten sich quer über den Weg, über den sie hintereinander schritten, sodass an ihnen schon bald Teile der klebrigen, weißen Fäden hingen.
Yala hielt sich dicht bei Tado, offensichtlich hatte sie recht große Angst vor den zugegebenermaßen nicht gerade kleinen Spinnen. Eines der Exemplare fand den Weg auf Soaktans Oberarm, dieser stieß es umgehend mit seiner Axt von sich, sodass es Yala vor die Füße flog, was diese mit einem leisen Aufschrei quittierte.
„Lasst euch nicht von den Sumpfspinnen beißen. Sie sind zwar nicht sehr giftig, beißen aber sehr gerne und die Wunde kann gigantische Ausmaße annehmen“, gab Lukdan daraufhin zu verstehen. Er ging voran, weshalb Tado sich wunderte, wie er überhaupt etwas von dem kleinen Zwischenfall hatte mitbekommen können, auch fragte er sich, wie ihr Führer sich in diesem unübersichtlichen Morast zurechtfand, denn offensichtlich folgte er keinem bestimmten Pfad durch dieses Gebiet.
Jedenfalls trugen seine Worte nicht unbedingt zur Beruhigung Yalas bei, eher das Gegenteil war der Fall.
Ihr Weg führte sie schließlich an den Rand eines sich zu beiden Seiten weit erstreckenden Sumpfes, und kein Pfad führte sicher hindurch, nur einige Bäume mit sonderbaren, aus dem Schlamm hervorragenden Wurzeln, durchbrachen die Oberfläche des Morasts. Fliegen umspielten den Kopf eines mittelgroßen Sumpfkrokodils, das ziemlich genau in der Mitte des fauligen Teichs zur Hälfte auf einem abgebrochenen Ast daniederlag, zur anderen Hälfte im schlammigen Wasser versank. Ein abscheulich aussehender Vogel mit praktisch nicht vorhandenem Gefieder stocherte mit seinem grauen Schnabel in dem halb verwesten Skelett eines vermutlich verirrten Reiguls herum.
Giful legte einen Pfeil auf die Sehne seines Bogens und zielte auf das Sumpfkrokodil. Dieses öffnete in diesem Moment sein Maul, sodass das abgefeuerte Geschoss tatsächlich zwischen den beiden Kiefern des Reptils hindurchzischte und sein Ziel verfehlte.
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