Der Zusammenhang von Denken, Reden und Handeln wird vom ersten Kapitel der Bibel an sofort deutlich. In der Schöpfungsgeschichte (1. Mo. 1-2) heißt es: »Gott sprach und es geschieht.« So lief es und so läuft es. Gottes Worte kommen nicht leer zurück. Sie schaffen etwas Konkretes, sie gestalten und verändern die Geschichte.
Im oberen Teil des Covers sehen wir Kieselalgen, die kleinsten Bausteine des Lebens. Der Künstler wollte deutlich machen, dass Evolution und Schöpfung kein Gegensatz sind. Auch wenn sich die Fische vor vielen Millionen Jahren aus solchen Algen entwickelt haben, sind sie doch von Gott gewollt und gemacht. Gott denkt sich etwas, spricht und setzt es um. Ohne die Umsetzung wäre alles Denken und Reden sinnlos und überflüssig. »Du redest nur, aber machst es nicht!« Das ist auch Gott gegenüber eine Kritik, die provoziert – und die Gott immer wieder handfest widerlegt. Mit der Schöpfung fing es an, hier und heute geht es weiter.
In der Mitte des Covers schiebt sich ein dicker Fisch ins Blickfeld. Besonders jenen, die Kindergottesdienst, Jungschar oder Religionsunterricht erlebt haben, fällt vermutlich sofort die wundersame Geschichte von Jona ein. Gott schickt diesen Mann nach Ninive. Dort soll etwas geschehen. Die Einwohner der Stadt sollen ihr Leben ändern. Damit dies geschieht, soll Jona die Stadt besuchen und die Menschen dort zur Umkehr rufen. Solche Umkehr beginnt tatsächlich im Kopf und mit dem Hören, ereignet sich dann jedoch stets handfest, sichtbar und in konkretem Handeln und Lebensvollzügen.
Jona aber verdrückt sich. Er will nichts machen, so wichtig es für Ninive auch sein mag und so sehr sein Gott es auch will. Doch er kommt damit nicht durch. Er gerät in einen Sturm und wird ins Meer geworfen. Ein großer Fisch verschlingt ihn. (Wir bleiben präzise: Im Jona-Buch ist nicht von einem Wal oder gar Walfisch die Rede, nur von einem großen Fisch.) Irgendwo am Strand vor Ninive spuckt der Fisch den Fliehenden aus. Dem bleibt nichts übrig, als endlich zum Propheten Gottes zu werden und zu machen, was er machen soll.
Ich finde, die Geschichte passt gut zu unserem Thema. Warum flieht Jona? Weil Gott streng, böse und ungerecht ist? Weil Jona seinem Gott theologisch nicht mehr zustimmt oder das alles nicht mehr glauben oder denken kann? Irrtum. Jona flieht aus nur einem Grund: Er will nicht tun , was Gott ihm sagt. Er hat Angst vor der Umsetzung dessen, was Gott von ihm fordert. Er verweigert sich der Herausforderung Gottes. Er will nicht nach Ninive gehen, sich dort vor Stadtrat und Einwohner stellen und die Stadt zur Umkehr rufen. Also drückt er sich, versucht es jedenfalls.
Dieser dicke Fisch in Eierschalenweiß (für den Künstler die Farbe der Gegenwart Gottes) steht für die klare Zusage unseres Schöpfers: Ich habe mit dir etwas vor. Ich setze alles daran, durch dich etwas Rettendes zu bewirken. Ich will weder, dass du vor mir auf der Flucht bist, noch, dass du vor deinem Auftrag ständig davonläufst. Jona, Hermann oder wie immer dein Name ist – ich lasse nicht locker, bis du machst und tust, wozu ich dich beauftragt und gesandt habe.
Achtung, Falle!
Dieses Buch ist kein theologisches Fachbuch. Es ist für geistlich interessierte Normalchristen geschrieben und für jene, die ihr Denken und Leben möglichst reflektiert angehen möchten. Was beim Thema »Nachfolge« und »Tun des Glaubens« für uns alle eine Herausforderung ist, egal wie belesen, erfahren und theologisch vorgebildet wir sind, ist ein übles Missverständnis. Es lautet: Machbarkeit.
»Yes, we can!«
Schnell wird dieser Slogan von Barack Obama für eine falsch verstandene Motivationstheologie missbraucht. So unter dem Motto: Wenn wir es nur anpacken, natürlich richtig und engagiert, dann packen wir es! Es liegt an dir! Wir schaffen das! Selbst ist der Mann! Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!
Damit wir in dieser Falle nicht festsitzen, gefangen und geknebelt werden, sind saubere Differenzierungen erforderlich. Was sind die Indikative (Aussagen, Feststellungen) und was die Imperative (Aufforderungen, Befehle)? Was kann nur Gott allein tun, was überlässt er ganz und gar uns und wo fordert er uns zu partnerschaftlicher Kooperation heraus? Was sind die Voraussetzungen für unser Handeln, was die konkreten Handlungsformen und was die Ergebnisse? Was kann und muss ich als Einzelner tun, was geht nur gemeinsam mit anderen?
Diese und weitere Unterscheidungen sind unverzichtbar, wollen wir nicht Nachfolge Jesu mit Aktionismus verwechseln und vertrauensvollen Gehorsam des Glaubens mit regelkonformem Moralismus. Wir werden im Folgenden noch sehr oft darauf zu achten haben, dass die Falle der Machbarkeit nicht zuschnappt.
Dabei hilfreich ist generell das Gespräch über das Gelesene in einer Gruppe. Wenn Sie mögen, können Sie für sich allein oder zusammen mit anderen (z.B. im Haus- oder Gesprächskreis) die mit ✪Sternchen gekennzeichneten Anregungen aufnehmen. Wenn ein Gebet so markiert ist – beten Sie gerne mit.
✪ Gleich zu Beginn können Sie ja einmal für sich selbst, aber auch gemeinsam mit anderen überlegen, wo und ob Sie überhaupt in unserem Thema eine Herausforderung oder Provokation entdecken.
1. Was wirklich zählt ...
»So will ich nicht enden!« Dies war mein Fazit nach der Teilnahme an einem Treffen pensionierter Pastoren. Ich war frisch »im Dienst« und hatte mich auf die Begegnung mit den erfahrenen Brüdern gefreut (ja, damals waren wohl noch gar keine »Schwestern« dabei). Ich wollte lernen. Hier trafen sich die bewährten Streiter für das Evangelium.
Und ich lernte – vor allem wie ich nicht enden wollte.
Die Referate und vorgestellten Gedanken zu biblischen Texten waren prima, teilweise sogar brillant. Die lang angelegte Vorstellungsrunde zerstörte meine Achtung und gedankliche Inspiration dann allerdings wie eine Signalstörung bei Gewitter ein buntes, schönes Fernseherlebnis. Ja, es hat mir irgendwie wehgetan. Je mehr der Brüder von sich erzählten, zerbrachen meine Illusionen. »Ich bin noch dreimal die Woche in Haus- und Bibelkreisen.« »Einmal im Monat predige ich und leite den Männerkreis.« »Ich begleite ein Hospiz.« »Ich mache noch mindestens drei Familienfreizeiten im Jahr.« Neben unterschiedlichen Namen und beruflich vergleichbarem Werdegang bekam ich interessante Informationen über die Brüder – aber im Prinzip wiederholte es sich. Sie alle erzählten von dem, was sie einmal gemacht hatten oder eben noch machten, taten und leisteten. »Ich mache in Friedland (ehemaliges Übergangslager für Aussiedler) noch über 360 Andachten und Gottesdienste im Jahr.« Dieses Statement schoss für mich den Vogel ab.
Wo war ich hier gelandet? Bei einer Preisverleihung für pastorale Höchstleistungen? Auf einer Bewerbungsplattform für Prediger, die sich durch möglichst viele Einsätze auszeichnen und unentbehrlich sind? Beim Eurovision-Prediger-Contest, wo der Beste gewinnt?
Nein, das waren Ruheständler, Emeriti (= entpflichtete Pastoren)! Allerdings mit i.R., »in Rotation« statt »im Ruhestand«. Als Berufsanfänger sträubten sich mir die Haare.
Hatten diese Männer Gottes denn überhaupt nichts begriffen? Hatten sie je verstanden, was sie (vermutlich) selbst gepredigt haben? Allein aus Gnade. Allein der Glaube. Allein Jesus. War das nicht Inhalt, Grund und Perspektive unseres Glaubens? Jene so oft vorgetragene stolze reformatorische Formel von der »Rechtfertigung allein aus Gnade und nicht aus den Werken!« – war dies alles an meinen alten, ach sonst so lutherischen Brüdern vorübergegangen?
Heute kann ich mit diesen Kollegen etwas barmherziger und verständnisvoller umgehen. Es ist wirklich schwer, sich ohne den Hinweis auf sein Tun und Machen zu definieren.
✪ Probieren Sie es gerne einmal aus und beschreiben Sie sich, ohne Ihr Handeln und Wirken ins Spiel zu bringen.
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