„Bist du nicht vielleicht ein bisschen zu jung dafür?“
„Das ist ja wohl meine Sache! Wenn du keinen willst – umso besser. Mehr für uns!“
„Sei doch nicht gleich so empfindlich. Ich meinte ja nur. Mehr als einen halben Becher kriegst du sowieso nicht runter.“ Er grinste.
„Das werden wir ja sehen!“
Osa rutschte etwas nervös auf der ausgebreiteten Decke hin und her.
„Und wenn uns jemand erwischt?“
„Wer soll uns denn erwischen? Außerdem passt Afnan auf. Also los, holt eure Becher!“
Doch Osa winkte ab. „Lieber nicht...“
„Ach, du bist wirklich feige! Taruq?“
Der Sohn des Kochs nickte zögernd. „Na gut. Aber nur ein Schluck....“
Lennys reichte ihm die Flasche.
„Was seid ihr nur für Langweiler....“
Dann füllte sie selbst zwei Tonkelche bis zum Rand, reichte einen Rahor und nahm selbst den anderen.
„Na dann... auf unsere eigene kleine Feier! Wir brauchen die Keller der Cas nicht!“
Rahor nippte an seinem Becher, verzog kurz das Gesicht, lächelte aber dann.
„Nicht übel.“
Lennys hingegen begnügte sich nicht mit wenigen Tropfen, sondern nahm gleich mehrere Schlucke. Der Branntwein machte seinem Namen alle Ehre und sie glaubte zuerst, ihre Kehle würde Blasen werfen, doch nach einem kräftigen Husten spürte sie schon die wärmende Wirkung in ihrem Bauch. Der herbe Geschmack der Sakkalabeeren schwebte noch in ihrem Mund.
„Ja, das kann man wohl sagen.“ bestätigte sie Rahors Urteil und tat, als hätte sie eben nur Wasser getrunken.
„Bist ihn wohl doch nicht gewöhnt.“ grinste Rahor und spielte damit auf den Hustenanfall an.
„Unsinn. Ich hatte nur einen trockenen Hals. Diese Hitze heute bringt mich noch um!“ Als wollte sie ihm den entscheidenden Beweis für ihre Worte liefern, setzte sie noch einmal den Becher an ihre Lippen. Diesmal war sie auf das Brennen gefasst und fast schien es ihr, als sei es jetzt weniger unangenehm.
„He, mach langsam.“ warnte Rahor. „Dein Kelch ist schon halb leer. Ich dachte eigentlich, wir wollten noch ein wenig zusammensitzen und vielleicht einen Übungskampf machen.“
„Können wir doch.“
„Nicht, wenn du so weitermachst. Außerdem soll man nicht kämpfen, wenn man Sijak getrunken hat. Die Säbelmeister predigen das jeden Tag.“
„Ach, wir kämpfen doch gar nicht richtig. Und sie sehen es ja auch nicht.“
„Hoffentlich....“ bemerkte Osa ängstlich. „Ich möchte keinen Ärger.“
„Wir kriegen keinen Ärger, solange wir mit Lennys zusammen sind.“ sagte Taruq. „Haben wir doch noch nie. Schon gar nicht, wenn Afnan aufpasst.“ Er leerte seinen Becher, der nur wenige Tropfen enthalten hatte und räkelte sich auf der Decke. „Aber ich könnte mich ehrlich gesagt an solche Abende gewöhnen.“
„Das glaube ich...“ schnaubte Lennys. „Die Cas machen das ständig. Oder nicht, Rahor?“
„Naja, ständig ist vielleicht übertrieben. Aber die Cas sind auch älter. Das sind Männer.“
„Na und? Gib mir ein paar Jahre Training, dann stecke ich die locker in die Tasche!“ Sie erhob erneut den Kelch.
„Du gibst ganz schön an.“
„He, beleidige mich nicht, Rahor! Sonst ...“
„Sonst?“
„Soll ich dir noch einmal beweisen, dass ich besser bin als du?“
Rahor stellte seinen Becher zur Seite, der noch bedeutend voller war als der Lennys'.
„Nur zu. Aber sei vorsichtig! Der Sijak könnte dich beeinträchtigen.“
„Blödsinn.“
Beide zogen ihre Waffen. Während Taruq sich in eine bequemere Position wand, um dem Kommenden besser zu folgen, rutschte Osa ein Stück zurück.
„Passt bloß auf...“
„Yami solei!“
„Arhat zen!“
Dann klirrten die Säbelklingen aufeinander. Doch schon kurz darauf lag Rahors Shajkan im Gras und er sprang instinktiv zurück, bevor ihn ein weiterer Schlag treffen konnte.
„Nicht schlecht.“ murrte er anerkennend. „Aber das ist ein Übungskampf. Du schlägst zu fest.“
„Ich schlage zu fest? Ich bin ein Mädchen und jünger als du! Angst, Rahor?“
„Nein. Aber du musst lernen, dich zu kontrollieren.“
Sie spuckte abfällig auf den Boden, hob ihren Becher auf und leerte die zweite Hälfte in einem Zug.
„Belehr mich nicht. Los, nochmal! Yami solei!“
Diesmal hielt Rahor dagegen, und schaffte es, den Säbel zu behalten. Allerdings entging ihm nicht, dass Lennys nicht mehr ganz so gut zielte wie sonst und nach ein paar Schlägen zog er sich zurück.
„Das ist gefährlich. Wir sollten das lassen. Es ist schon zu dunkel.“ Der letzte Satz war gelogen, denn als Batí konnte er in der Dunkelheit ebenso gut sehen wie seine Gegnerin, aber er stellte erleichtert fest, dass sie ihm die Ausrede abnahm.
„Du hättest wieder verloren!“ sagte sie und schob den Säbel wieder in seine Scheide.
„Ganz wie du meinst...“ lächelte Rahor und setzte sich wieder neben Taruq, der gerade ein Gähnen unterdrückte.
„Schon müde?“
„Ein wenig...“ gab der Junge zu.
„Noch Sijak?“
„Nein, lieber nicht.“
„Gib mir noch welchen!“ forderte Lennys und Rahor wandte sich überrascht um.
„Du hast schon einen ganzen Becher getrunken!“
„Und? Willst du's mir verbieten? Gib schon her!“
Als sie versuchte, den Becher zu füllen, verschüttete sie einen Teil des blutroten Getränks über ihre Hände.
„Ich finde, du solltest langsam machen...“ Rahor schlug einen belehrenden Tonfall an. „Du bist erst...“
„Vierzehn. Das sagtest du schon. Alt genug.“
Sie saßen noch eine Weile beisammen und schon bald neigte sich auch Lennys' zweiter Kelch dem Ende. Die Flasche war bereits zur Hälfte geleert.
Taruq stand auf.
„Verzeiht, aber ich bin jetzt doch recht müde. Und ich muss morgen früh beizeiten den Hof kehren..."
„Ja, ja, geh nur...“
Auch Osa rappelte sich hoch.
„Ich komme mit, Taruq. Meine Eltern sehen es gar nicht gern, wenn ich zu spät nach Hause komme...“
„Langweiler...“ sagte Lennys noch einmal, als die beiden hinter den Hecken verschwunden waren. „Bleibst du noch?“
Rahor streckte sich auf der Decke aus.
„Wenn du willst, schon. Bist du denn gar nicht müde?“
„Müde? Ich? Ich bin eine Batí!“ Stolz warf sie den Kopf in den Nacken.
„Das bist du zweifellos. Ich auch, wie du weißt.“
„Eben.“
Sie tastete nach der Flasche, doch Rahor hielt sie am Handgelenk fest.
„Findest du nicht, dass du genug hast?“
„Hör endlich auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln!“
Er ließ sie los.
„Ganz wie du meinst. Aber beschwer dich morgen nicht bei mir, ich hätte dich nicht gewarnt.“
„Du bist ein unerträglicher Besserwisser!“
Sie tastete weiter und stellte fest, dass die Sijakflasche außerhalb ihrer Reichweite stand. Als sie versuchte aufzustehen, verlor sie beinahe das Gleichgewicht.
„Lennys, auch auf die Gefahr hin, dass du...“
„Halt den Mund!“ fuhr sie ihn an, holte die Flasche und ließ sich wieder neben Rahor auf die Decke fallen. Das Gehen war ihr nicht ganz leicht gefallen und mit einem Mal hatte sie das Gefühl, der Boden sei nicht mehr so sicher und fest wie sonst. Diesmal versuchte sie gar nicht erst, den Becher zu füllen, sondern setzte gleich die Flasche an den Mund.
„Na na na....“ Rahor schüttelte den Kopf. „Jetzt ist es aber wirklich genug! Du hast ja vorhin noch nicht einmal etwas von Afnans Platten gegessen.“ Er nahm ihr den Sijak weg.
„He, was soll das?“
„Da kannst du toben, wie du willst, aber wenn das hier irgendjemand mitkriegt, bekommst nicht nur du Ärger! Und mein Vater und ich haben mehr zu verlieren als du!“
„Gar nichts habt ihr!“
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