Der junge Mann nahm die Karte, sagte „Sehr gerne, Sir.“ Und entfernte sich.
10.
In Daytona bogen indessen ein schwarzer Van, ein weißer Rover und eine schwarze Limousine fast gleichzeitig aus verschiedenen Richtungen in die First Road ein. Sie hielten ruckartig vor der Hausnummer 31. Aus jedem Wagen sprangen zwei Männer und sie trafen sich alle auf dem Bürgersteig vor einem Laden. Sie sahen sich suchend um. Keine Spur von Bridget oder einem verdächtigen Wagen, mit dem sie hierher gekommen sein könnte. So wie es aussah, nur Einheimische, auf dem Weg nach Hause und ein paar Touristen. Nr. 31 war ein Biokostladen, der gerade von einem jungen schlaksig wirkenden Burschen zugeschlossen wurde.
Simmons hielt auf ihn zu: „Eine Frage, junger Mann. Haben Sie hier heute Abend eine Frau in einem schwarzen Kleid gesehen? Ziemlich hübsch, braune Haare, womöglich in Begleitung.“
Der Junge roch ein Geschäft und fragte: „Wer will das denn wissen?“
Simmons wusste gleich, woher der Wind wehte, griff in die Tasche und gab dem Jungen den ersten Schein, 10 Dollar, den er zu fassen bekam.
Der Junge, grinste, steckte den Schein ein und sagte: „Ich sehe hier viele Frauen.“ Da sah er eine Falte auf der Stirn seines Gegenübers. Der Typ verstand wohl doch keinen Spaß. Er beeilte sich zu sagen: „Nein, eine Hübsche im schwarzen Kleid wäre mir sicher aufgefallen.“
Er bückte sich, um seine Tragetaschen aufzuheben, da fiel ihm ein Handy aus der Hosentasche. Simmons sah es fallen und erkannte es sofort.
„Wo haben Sie das her?“ bellte er ihn an. Der Junge erschrak, wollte es aufheben, aber Simmons war schneller.
Der Junge stammelte: „Das gehört mir. Geben Sie es her.“
Simmons ging noch einen Schritt auf ihn zu. Seine Stimme war jetzt ganz leise, aber dafür umso bedrohlicher: „Woher Sie das haben, will ich wissen.“ Dabei hielt er dem Jungen das Handy direkt vor das Gesicht.
Dieser wich zurück und sagte: “Komische Geschichte. Da kam vorhin ein Wagen, der hielt kurz an, die Scheibe ging runter und jemand warf es da vorne in den Mülleimer.“ Er zeigte mit der rechten Hand auf einen Mülleimer an einer Straßenkreuzung.
Simmons kochte vor Wut: „Wann war das? Können Sie sich erinnern, was das für ein Wagen war? Vielleicht sogar das Nummernschild?“
Der Junge traute sich jetzt nicht mehr, nochmals Geld für die Informationen zu verlangen. Die Kerle hatten anscheinend wirklich keinen Humor. „Es war ein schwarzer Porsche Cayenne. Tolle Karre. Sieht man hier nicht oft. Gefällt mir gut. Das Nummernschild habe ich nur kurz gesehen, war irgendwas mit PA. Hab‘s mir nicht gemerkt. Hatte grad viel Kundschaft. Habe nur gesehen, dass da was rausflog. In meiner Pause bin ich dann gleich zum Mülleimer um nachzusehen, was jemand aus so einem Wagen weg wirft. Ehrlich Mann. Ich sage die Wahrheit. Sie können es behalten.“
Simmons tippte auf dem Handy herum: „Sie hat alles gelöscht. Es ist leer.“ Er steckte es ein. Grußlos ging er mit seinen Leuten zurück zu den Wagen.
Dort angekommen sagte er zu seinen Männern: „Der Junge hatte ihr Handy. Sie waren also hier. Sie hat es aus dem Wagen geworfen. Schwarzer Porsche Cayenne, Nummernschild irgendwas mit PA. Ich nehme an, das ist der Wagen dieses Produzenten Page. Sie ist also mit ihm unterwegs.“
Er wandte sich an einen der Männer. „Alfred, Sie werden seine Handy-Nummer feststellen. Ich rufe ihn dann an.“ Der Angesprochene schob die Tür des Vans auf und stieg sofort ein.
Einer der Männer sagte: „Damit kompromittieren Sie sie aber. Ist das klug? Sie soll doch unerkannt bleiben.“
Simmons dachte nach. Das stimmte. Aber er war stinksauer. Sie hatte ihn angelogen. Er hatte nachgegeben und sie hatte ihn angelogen. Dass er auch nicht Wort gehalten hatte, verdrängte er dabei kurzerhand. Er war immerhin für sie verantwortlich. Da heiligte der Zweck die Mittel. Simmons schnaubte. Das gefiel ihm alles nicht.
„Das ist mir jetzt egal. Wir finden sie und bringen sie so schnell wie möglich nach Hause.“
Er beugte sich in den Van: „Wie weit sind Sie?“
Alfred hatte gerade sein Handy am Ohr, er hielt die Hand darauf und antwortete: „Ich versuche gerade, Pages Assistentin ans Telefon zu bekommen.“ Er nahm die Hand weg und sprach in sein Handy: „Hallo, Mrs, Bishop, mein Name ist Alfred Buck. Ein Mitarbeiter Ihrer Firma sagte mir, dass Sie die Assistentin von Mr. Page sind. Ich muss ihn dringend sprechen. Könnten Sie mir freundlicherweise seine Nummer geben?“
11.
Agatha Bishop war seit drei Jahren die Assistentin, Privatsekretärin und Mädchen für alles für Nick Page. Wer zu ihm wollte, musste an ihr vorbei, und das war nicht so einfach. Sie hatte ein gutes Gespür für Menschen und war ein Organisationsgenie. Nick hatte damals eine Sekretärin für seine Produktionsfirma gesucht. Sie war die erste, die zum Vorstellungsgespräch kam. Als er ihre Zeugnisse sah, war er erstaunt. Sie war eigentlich Anwaltsgehilfin. Nach ihrer erfolgreich absolvierten Ausbildung hatte ihr ein halbes Jahr Praxis bei einer Anwaltsfirma gezeigt, dass sie diese Arbeit nicht ausfüllte. Sie wollte sich verändern, da kam ihr das Stellenangebot einer Filmproduktionsfirma gerade recht. Eine Freundin hatte sie darauf aufmerksam gemacht.
Nick mochte die große, attraktive Rothaarige auf Anhieb und auch ihr war der neue Chef gleich sympathisch. Die Chemie stimmte vom ersten Augenblick an zwischen ihnen. Und doch war es nie mehr als Sympathie und große Achtung, die beide füreinander empfanden.
Das Arbeitsverhältnis war von Offenheit und einem hohen Maß an Vertrauen geprägt. Sie hatten sich in diesen drei Jahren so gut kennengelernt, dass manchmal keine Worte zwischen ihnen nötig waren, um zu wissen was der Andere dachte. Obwohl ihr Umgang miteinander mehr an Freunde denken ließ, blieb ihr Verhältnis geschäftlich.
Agatha war natürlich über die Verabredung vom heutigen Abend informiert, hatte sie doch selbst den Tisch im Club reserviert. Dass sie das Ganze diskret behandelte, war selbstverständlich. Sie hatte von Anfang an bemerkt, dass ihr Chef die Engländerin anders ansah als andere Frauen. Auch war zu spüren, dass er die ganze Zeit, seit Bridget hier war, unter einer seltsamen Spannung zu stehen schien. Die Verabredung heute würde vielleicht Neues bringen. Agatha war sehr gespannt auf den Ausgang des Abends. Obwohl ihr die Frau doch manchmal recht seltsam vorkam. Aber Nick mochte sie offensichtlich und nur das zählte. Als nun dieser Alfred Buck anrief und Nicks Nummer haben wollte, schrillten bei ihr die Alarmglocken.
12.
Agatha antwortete in besonders geschäftsmäßigem Ton: „Es ist Freitagabend. Mr. Page ist im Wochenende. Um was geht es bitte?“
„Das möchte ich ihm lieber selbst sagen. Geben Sie mir bitte seine Nummer.“
„Tut mir leid, das ist ausgeschlossen. Wenn Sie mit Mr. Page reden wollen, müssen Sie sich bis Montag gedulden. Sie dürfen mich gerne noch einmal anrufen. Wir machen dann einen Termin aus. Natürlich nachdem Sie mir den Grund ihres Anrufs genannt haben.“
Mr. Buck versuchte es noch einmal: „Es wäre aber von großer Wichtigkeit, dass ich ihn gleich sprechen könnte.“
Agatha blieb unbeeindruckt: „Wenn Sie mir sagen würden, um was es geht, könnte ich selbst beurteilen, ob diese Sache wirklich so dringend ist.“
„Tut mir leid, das geht nicht.“
„Dann tut es mir auch leid.“ Sie legte auf und wählte sogleich Nicks Nummer. Das Ganze kam ihr doch sehr spanisch vor. Nick hatte sein Handy auf vibrieren gestellt. Sie waren gerade mit der Vorspeise fertig, als er das leichte Gefühl spürte, welches der Vibrationsalarm verursachte.
Er vermutete gleich, dass es Agatha war. Da Agatha wusste, wo er war und dass er nicht gestört werden wollte, musste es wohl wichtig sein. Nick entschuldigte sich bei Bridget für einen Augenblick, stand vom Tisch auf und ging aus dem Zimmer. Er ging den Gang entlang zu den Herrentoiletten und trat ein.
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