„Lucius!“, sagte Tertia mit leicht flehendem Unterton.
„Nein, ich will das jetzt wissen“, sagte Lucius und zwang sich zu einem Lächeln.
Tertia erwiderte es erleichtert. „Ich dachte schon, du wärest verstimmt.“
Jetzt wurde ihr Lächeln schelmisch, so wie er es kannte, und, wie er zugeben musste, liebte. „Wenn ich es freundlich umschreiben wollte, würde ich dich einen stürmischen Liebhaber nennen, wenn ich es weniger freundlich ausdrücken würde, ausgehungert.“
Das Lächeln gefror ihm im Gesicht. Ausgehungert! Natürlich war er, na gut, ausgehungert, aber das konnte man einem Mann doch nicht ins Gesicht sagen! Sie schien seine Erstarrung nicht zu bemerken, sondern sprach weiter.
„Aber es gibt zwei Dinge, eigentlich drei Dinge, die dich zum idealen Lebensgefährten machen.“
„Und welche?“, fragte er. „Ein Grund wird sein, dass ich keine Manusehe eingehen kann.“
Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln.
„Richtig.“
Tertia entspannte sich immer mehr.
„Der nächste Grund ist, dass du als Centurio so mit anderen Dingen beschäftigt bist, dass du dich nicht um die Belange zu Hause kümmern kannst. Du bist froh, wenn sich deine Lebensgefährtin darum kümmert.“
„Was wiederum für dich von Vorteil ist, da es dir eine gewisse Freiheit und Unabhängigkeit gäbe, auch finanziell, die du sonst nicht haben würdest“, ergänzte Lucius.
„Nicht als eine Frau meines Standes.“ Tertia nickte. „Ich wusste, dass du dies verstehst.“
„Ja, ich bin sehr verständnisvoll“, sagte Lucius, und hob drei Finger. „Was ist der dritte Grund?“
„Der dritte Grund ist, dass meine Kinder, ich meine, unsere Kinder, materiell gut versorgt sein werden“, erläuterte Tertia. „Der Sold eines Centurio ist so hoch, dass unser Sohn der dritten Censusklasse angehören würde, und unsere Tochter würde eine ordentliche Mitgift bekommen. Sie kann gut verheiratet werden.“
„Du vergisst, dass dem Sold ein gewisses Berufsrisiko anhaftet.“
Lucius bemühte sich immer noch, den Sarkasmus nicht allzu sehr durchklingen zu lassen.
„Ja, dieses Risiko bin ich bereit einzugehen. Ich bin nicht mehr die Jüngste und zweimalige Witwe“, erklärte Tertia tapfer.
„Nicht mehr die Jüngste? Du bist nur zwei Jahre älter als ich.“
„Ja, aber als Frau bin ich schon seit zehn Jahren im gebärfähigen Alter und habe auch nur noch zehn Jahre“, erklärte Tertia.
Sie beugte sich vor, zeigte wieder ihr schelmisches Lächeln und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Je länger du lebst, desto besser für mich.“
Lucius holte tief Luft und bemühte sich, vorsichtig auszuatmen.
„Nun, das sind natürlich für dich drei ausgezeichnete Gründe.“
Er bemühte sich, seine Stimme unter Kontrolle zu halten, bemerkte aber, dass sie zitterte. „Was sind die Vorteile für mich?“
„Für dich?“
Sie sah ihn ehrlich überrascht an.
„Ich dachte, die liegen auf der Hand. Ein warmes Bett, in das du dich legen kannst. Jemand, der die Götter um Schutz für dich bittet. Ancus verwendet das Bild der Seeleute gerne“, erklärte sie. „Ich bin das Licht, dass dir leuchtet, wenn du auf See bist, und dir zeigt, wo dein Hafen ist.“
Wie poetisch, dachte Lucius, und verzog das Gesicht. „Ich bin in der Legion nicht bei der Marine.“
„Dann bin ich eben das Herdfeuer, das auf dich wartet“, sagte sie ungeduldig.
Lucius wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Diese Unverblümtheit, mit der sie diesen Vorschlag machte und ihre offensichtliche Erwartung, dass er ihn begeistert annahm, hatten ihn kalt erwischt. Gleichzeitig setzte sie seine Fähigkeiten als Liebhaber herab. Ausgehungert!
„Du brauchst gar nicht die verletzte Eitelkeit zu spielen. Oppidum Ubiorum ist als vicus entstanden. In den Tavernen weinen genug Legionäre in ihren Wein und sehnen sich nach einem Busen, an den sie ihr müdes Haupt legen können, und einem Heim, in das sie zurückkehren können. Die meisten bumsen sich durch alle Bordelle, aber insgeheim sehnen sie sich nach einem festen Platz, und ich glaube nicht, dass ein Centurio da anders ist.“
Sie sah ihn herausfordernd und wütend an.
Lucius zog es vor, zu schweigen. Natürlich suchte ein Centurio auch diesen Platz, aber er war gerade nicht bereit, ihr dies einzugestehen.
„Du kannst natürlich auch auf eine sechzehnjährige Hure warten, mit großen Titten und noch größeren Augen, die dich anhimmelt, nur auf dein Geld scharf ist und keinen Hafen bietet. Ich habe mir das weitere Vorgehen gut überlegt. Ich werde meinen Brüdern sagen, dass ich keiner Ehe meine Zustimmung geben werde, bevor das mit der Mitgift nicht geklärt ist. So gewinnen wir Zeit für die Vorbereitungen.“
Lucius machte den Mund auf, um sie zu fragen, von was für Vorbereitungen sie da redete, aber er überlegte es sich anders.
„Du bietest mir das concubinatus an, weil du sonst keinen kennst“, brach es aus ihm heraus.
„Ich kenne nicht so viele Männer, das stimmt, aber von denen bist du mir der Liebste.“
Sie sagte das so treuherzig, als ob sie ihm ein großes Kompliment gemacht hätte. Vielleicht hatte sie das auch, in einem hatte sie ja Recht: Er scherte sich nicht um Frauen, und daher wusste er auch nicht, was diese dachten. Aber seinen Stolz hatte er trotzdem. So darauf herumtrampeln, wie Tertia das gerade gemacht hatte, durfte keine Frau. Sollte er ihr sagen, dass sie sich verrechnet hatte? Ein Sohn wäre sowieso nicht sein Sohn, und damit auch nicht römischer Bürger. So sah es nämlich aus. Ruckartig stand er auf.
„Ich muss mir dein verlockendes Angebot durch den Kopf gehen lassen“, sagte er lahm.
Tertia sah ihn enttäuscht an.
„Ich gebe dir Bescheid. Das wird aber bis nach dem Feldzug warten müssen. Wir brechen morgen auf.“
Ohne sich um ihre gekränkte Miene zu kümmern, verließ er den Raum.
Lucius drängte sich zu den Centurionen der 3. Kohorte durch. Kaum in Vetera angekommen hatte Gaius Furnius, der Legat, alle Centurionen zusammengerufen. Ein ungewöhnlicher Vorgang. Entsprechend neugierig sahen sie auf die Gruppe Männer, die den Legaten begleiteten. Furnius trug seine Senatorentunika, eine weiße Tunika mit breiten roten Streifen. Normalerweise trugen die Legate eine Militärtunika, wenn sie mit ihren Soldaten sprachen. Vielleicht trug er sie aber wegen dem zwanzigjährigen Schnösel, der alle Blicke auf sich zog. Der trug nämlich eine Toga. Eine Toga! In einem Militärlager! Unter den übrigen Männern befanden sich einige, denen man auf zwanzig Meilen ansah, dass sie Griechen waren. Wer sonst trug so eigentümliche Frisuren oder sogar einen Bart?
„Und? Was verkündet Titus Famus?“, fragte Lucius in die Runde.
Ligarius und Secundus sahen ihn unwillig an, als ob er sie bei einer intimen Handlung störte. Mamilius brummte schlecht gelaunt vor sich hin.
Nur Cossulius antwortete: „Der junge Schönling da soll angeblich der Sohn von Taurus sein. Vielleicht sucht er Nachwuchs für seinen ludus !“
Lucius pfiff durch die Zähne. Titus Statilius Taurus war einer der Männer, denen Augustus seinen Aufstieg verdankte, und als einziger dieser Männer noch in Amt und Würden. Er betrieb die angesehenste Gladiatorenschule von Rom. Wollte er unter den zu erwartenden Gefangenen die besten für die Arena kaufen?
Furnius nickte dem Primus Pilus zu.
„ Tace ! Ruhe!“, brüllte Gemellus.
Taurus trat vor und zupfte seine Toga zurecht.
„Ich bin Titus Statilius Taurus Minor. Euer Patron, der Princeps Imperator Caesar Augustus, der stets um euer Wohlergehen besorgt ist, hat mit Kummer vernommen, dass hier an der Grenze des Imperiums seine treuen Soldaten Not leiden, weil sie keine ausreichende medizinische Versorgung haben.“
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