„Kein Manipel und keine Centurie in dieser Kohorte wird durch schlechte Marschleistung auffallen“, hatte der Hammer mit einem drohenden Blick unter seinen buschigen Augenbrauen hervor gesagt. „Ihr werdet eure Männer drillen, bis sie jedes Marschmanöver im Schlaf können. Legat und Tribun werden nicht enttäuscht werden!“
Sie näherten sich einer Brücke und damit einer Gefahrenquelle. Die Überquerung eines Flusses mit oder ohne Brücke stellte im Feindesland immer eine Gefahr dar. Jeder Römer wusste aus der eigenen Geschichte, dass ein beherzter Kämpfer wie Horatius an solchen Engpässen eine ganze Armee aufhalten konnte.
„Optio, nach vorne!“, brüllte Lucius, und als das Poltern der genagelten Sohlen von Caedicius nahe war, rief er den nächsten Befehl: „1. und 2. Contubernium Laufschritt! 3. und 4. folgen! Pergite !“
Sofort eilten die beiden Contubernia mit Lucius an der Spitze auf die Brücke zu. Er hörte Ennius und Caelius hinter sich keuchen. Diese Übung war mit Gepäck eine ziemliche Tortur. Es gab aber keinen Grund, die Männer zu schonen. Sie mussten auf Situationen wie diese vorbereitet sein.
Die Bohlen hallten dumpf von den Tritten der genagelten caligae wider, als die Legionäre über die Brücke rannten. Sie erreichten die andere Seite.
„An mir ausrichten!“, stieß Lucius hervor, und rannte nach rechts.
Er hielt ungefähr fünfzehn Schritte hinter der Brücke an, und die beiden Contubernia bildeten eine Front gegen den imaginären Feind, um den Rest der Centurie beim Übergang zu decken. Jetzt kamen die nächsten beiden Contubernia unter der Führung des Signifer herangekeucht. Nachdem Fulcinus seine Position eingenommen hatte, begann Lucius die Reihen zu inspizieren.
„Enger zusammen“, knurrte er und tippte mit der vitis gegen die Schulter der Legionäre. Hastig korrigierten die Männer die Abstände. Die nächsten beiden Contubernia, angeführt von Raecius, dem Tesserarius, trabten über die Brücke, gefolgt von Caedicius mit den letzten beiden Einheiten. Lucius überprüfte und korrigierte die Aufstellung, bevor er den nächsten Befehl rief: „Signum auf die Straße! 1. bis 4. Contubernia dort Aufstelllung nehmen in Marschordnung! Antreten!“
Sofort rannten die Männer der ersten vier Reihen los und reihten sich hinter dem Signum ein.
„ Pergite! “
Sie setzten sich in Bewegung.
„5. bis 8. Contubernia dahinter Aufstellung nehmen! Antreten!“
Eilig rannten jetzt die restlichen Männer los und nahmen hinter ihren Kameraden Aufstellung. „ Pergite! “
Als die Centurie wieder geordnet auf der Straße marschierte, sah sich Lucius zufrieden um. Die Überquerung der Brücke, das Wechseln in Kampfformation und wieder zurück hatten reibungslos geklappt. Das ließ doch hoffen. Bei dem Anblick eines dichten Buschwerks zur linken Hand kam ihm eine Idee. Er stieß den Cornicen an.
„Blas Alarm!“
In den Augen des Cornicen sah man die Überraschung aufblitzen, aber gehorsam blies er das Signal. Die Männer schraken zusammen und Stimmgemurmel wurde laut.
„Centurie, halt! Achtung, Feind linke Hand! Kommt aus dem Buschwerk! ACHTUNG! FEIND LINKE HAND! KOMMT AUS DEM BUSCHWERK!“, brüllte Lucius, die Rufe der Männer übertönend.
Fulcinus wendete sich nach links und lief einige Schritte vor. Die Antesignani folgten und umringten ihn.
„Centurie, Gepäck abwerfen! Am Signum ausrichten!“
Mit lautem Geschepper und Gepolter gingen die Tragestangen zu Boden. Die Männer rannten auf ihre Positionen und hatten in kürzester Zeit Aufstellung genommen.
„Ersten vier Reihen fällt pila !“
Die ersten zwei Reihen senkten die pila nach vorne, die nächsten zwei Reihen lehnten die pila auf die Schulter ihrer Vorderleute und die restlichen Reihen hielten die pila unverändert nach oben. Wie ein Igel, der seine Stacheln aufstellt. Der Anblick erfüllte seinen Zweck der Abschreckung, stellte Lucius zufrieden fest, als er die Formation umrundete.
„Signifer, Takt vorgeben, zehn Doppelschritte vor! Auf Links! Pergite! “
Der Signifer markierte die Schritte durch das feste Aufstampfen mit dem linken Fuß. Stampf. Die Centurie walzte vorwärts. STAMPF. Die Männer kamen zum Stillstand.
„Nochmal zehn Doppelschritte, und lasst unseren Namen hören!“
Das Stampfen hallte über die Wiesen und Felder. Begleitet wurde es jetzt von den Rufen der Männer.
„GA-LLI-CA, GA-LLI-CA, GA-LLI-CA!“
„Lauter! Jedem, der uns hört, soll eine Scheißangst in die Glieder fahren!“, schrie Lucius.
Tertia hielt die Hände verkrampft in ihrem Schoß und saß gerade wie ein Speerschaft in ihrem Sessel. Appius und Domitia hatten ihnen das Atrium überlassen und sich diskret zurückgezogen.
„Danke, dass du gekommen bist“, sagte Tertia steif. „Es geht um eine geschäftliche Vereinbarung, die uns beiden zum Vorteil gereicht.“
Lucius lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Ich höre.“
Sie war offensichtlich sehr angespannt, und er wollte ihr das Gespräch so angenehm wie möglich machen. Immerhin bewahrte sie Fassung.
„Du weißt, dass mein Vater und meine Brüder sehr im mos maiorum verhaftet sind. Für sie kommt nur eine Manusehe infrage.“
„Aber du unterstehst nicht deinen Brüdern“, wandte Lucius ein.
„Richtig, ich unterstehe nicht meinen Brüdern, aber ich habe kein Geld.“
„Was ist mit deiner Mitgift?“
„Die Klage wird von Novius eingereicht, aber es dauert, bis das entschieden wird. Wir sind zuversichtlich, dass die Mitgift zurückgezahlt wird.“
„Dann ist doch alles gut.“
„Nein. Novius fungiert erstmal als mein Treuhänder. Er bekommt das Geld und will es mir erst bei einer erneuten Hochzeit geben, das hat er schon angekündigt.“
„Ein reizender Kerl. Aber du willst keine weitere Ehe“, stellte Lucius fest und dachte einen Moment nach. „Oh.“ Nun verstand er. „Damit will er dich unter seinen Willen zwingen.“
Sie nickte schweigend.
„Du brauchst einen Patron, um zu klagen.“
Sie nickte wieder.
„Novius wird meinen Status als sui iuris anfechten.“
„Das kann er doch nicht. Du hast dreimal geboren“, ereiferte sich Lucius.
„Diese Regelung gilt für Rom, für die Provinzen aber nicht. Ich würde natürlich einwenden, dass Augusta Treverorum eine Colonie ist und damit die Regelung von Rom gilt“, sagte Tertia.
„Aber es würde einen erneuten Prozess nötig machen, der Geld verschlingen wird. Du sitzt in der Klemme“, sagte Lucius mitfühlend.
„Und da kommst du ins Spiel“, sagte Tertia.
„Was kann ich für dich tun?“, fragte Lucius. „Ein Darlehen vielleicht? Rechtsbeistand? Mein Bruder ist Anwalt.“
Tertia verzog das Gesicht, als ob sie in eine Zitrone gebissen hätte.
„Lucius, lass uns ganz offen reden. Wir haben vier Monate das Bett geteilt und du weißt mehr von mir als meine Brüder“, begann Tertia.
Lucius neigte zustimmend den Kopf.
„Du weißt auch, dass ich nicht einer romantischen Schwärmerei verfallen bin und in dir meinen Helden der Sage sehe, der mich aus dem Unrecht befreit hat“, sagte Tertia.
Lucius schluckte. Natürlich wusste er das, aber dies so unverblümt gesagt zu bekommen, war doch ein leichter Schlag.
„Du bist nicht unbedingt das Ideal aus Ovids Ars armotaria !“, fuhr Tertia erbarmungslos fort.
„Von was? Ovids Liebeskunst?“ Lucius sah sie erstaunt an. „Davon habe ich noch nie gehört.“
„Ovids Buch verbreitet sich hinter vorgehaltener Hand, und in den Bädern schwärmen die Frauen davon“, erzählte Tertia.
„Ah ja, und Ovids Ideal entspreche ich auch nicht. Wem entspreche ich dann?“
Читать дальше