Als die Nacht hereinbrach waren die beiden voll betrunken und schnarchten auf dem Hintersitz.
Hugo fuhr dann mit ihnen in diese Kiesgrube, die er vor kurzem gekauft hatte und weckte die beiden, damit sie aus dem Auto ausstiegen. Nach ein paar Schluck Schnaps seien die zwei halbtot gewesen und dann … ja dann … habe ich sie mit dem Spaten noch ganz „tot gemacht“.
Er seufzte und hatte sogar Tränen in den Augen und meinte dann, dass es ihm schwer gefallen sei, die Tat auszuführen. Als er die beiden Halunken begraben habe, hätte er geheult wie ein schwaches Weib.
„Aber wenn ich es nicht getan hätte, sässen wir alle noch im Knast, denn diese Typen waren ein grosser Risikofaktor, das heisst, die hätten bestimmt mal geplaudert, blöd wie die waren,“ seufzte er.
Sie verfolgten ihn, manchmal, im Traum, er sehe sie, vor allem als sie schon tot waren, diese Augen, wie sie da lagen, das Blut. Es musste schrecklich gewesen sein, doch wie mir schien, hatte ihn dann die gesamte Beute, die nun ihm gehörte, wieder beruhigen und trösten können. Trostgeld-
Nun, ich weinte den beiden auch keine Träne nach, aber ich ahnte, dass sich mit der Anwesenheit des Vaters der beiden die Sache nicht vereinfachen werde.
Ich wollte noch wissen, wo die Zwei begraben worden seien, da zeigte Hugo zum Boden und sagte leise: „Etwa zwei Meter unter dem Fundament in Beton eingegossen. War eine verdammt strenge Arbeit.“
„Aber eine gut bezahlte,“ sagte ich grimmig.
Mir war klar, dass der alte Emil etwas ahnte und einiges wusste, aber er schien Klarheit darüber erhalten zu wollen, wo seine Söhne waren, tot oder lebendig. Er würde nie locker lassen, denn Geduld hatte er in einer einschlägigen Institution gelernt, er würde aber auch vor keinem Mittel zurückschrecken, das ihn dem Ziele näher brachte.
Ich musste herausfinden wie weit ich in Gefahr war. Ich wollte ihn direkt mit der Frage konfrontieren und so rief ich ihn in mein Büro.
Es war ein heisser Augustnachmittag. Ich bot meinem Gast einen Stuhl an und dann holte ich im Kühlschrank zwei eisgekühlte Flaschen Bier. Er nahm einen langen Zug, rülpste dann laut und wischte sich den Mund. „Sorry,“ sagte er grinsend, „aber wir sind ja nicht im Mädcheninternat. Also, Chef, was gibt es Neues?“
„Also Emil, reden wir gleich Tacheles, wir kennen ja beide den Laden und ich weiss wer du bist und weshalb du hier bist. Was hast du im Sinn?“ fragte ich ihn frei heraus.
„Chef, du bist ein feiner Kerl, mit dir zusammen würde ich es wagen die Amerikanische Zentralbank auszurauben, aber darum geht es ja nicht, sondern um meine Söhne,“ sagte er leise.
Er begann zu erzählen.
Von seiner Frau zuerst. Eine rassige, vollbusige und heissblütige Dame muss sie gewesen sein. Kellnerin, mit einem unehelichen Kind in einem Heim in der Ostschweiz. Sie verstand, ihre „Schande“ geheim zu halten.
Er hatte sich in die schöne Heidi verliebt, sie erwiderte seine Liebe und wurde seine Frau. Am Hochzeitstag erfuhr er von ihrer Entgleisung. Er holte das Kind aus dem Heim und dann kamen nach und nach zwei weitere hinzu, zwei Buben, Armin und Freddy, zwei wackere Burschen-
Emil war Mechaniker in einer Maschinenfabrik in Winterthur und verdiente genug Geld um seine Familie durchzubringen.
An den Wochenenden arbeitete Heidi als Kellnerin obwohl es Emil missfiel (man weiss ja, wie gewisse Männer sich den Serviertöchtern gegenüber benehmen).
Als ruchbar wurde, dass sie es mit einem Vertreter habe, verprügelte Emil beide tüchtig und nahm seine Frau wieder nach Hause. Seinem Widersacher hätte er zweihundert Franken Schmerzensgeld bezahlen müssen. Emil weigerte sich und blieb hart.
Von einer Nachbarin erfuhr er dann, dass Heidi jeden Mittwochnachmittag von eben diesem Vertreter besucht werde.
Er sagte nichts.
Am Sonntag reinigte er seine Armeepistole gründlich und liebevoll.
Am Mittwoch fuhr er wie gewohnt zu Hause weg um sechs Uhr morgens.
Am Nachmittag hörte die Nachbarin zwei Schüsse, dann trat Emil vor das Haus und wartete auf die Polizei.
18 Jahre für kaltblütig geplanten und ausgeführten Doppelmord, war das Gerichtsurteil.
Die drei Kinder kamen in ein Kinderheim und bekamen eine streng christliche, moralische Erziehung, die sie zu ehrlichen, frommen und guten Menschen erziehen wollte.
Die Tochter verkam bald einmal in der Prostitution, sicher schon gut vorbereitet im Kinderheim und die Jungen bildeten von Anfang an ein Ganovenduo, die „Gebrüder Kromer“, die schon im Heim erfolgreich zusammengearbeitet hatten.
Und jetzt? Wollte er Hugo umlegen, bestrafen für den Mord an Armin und Freddy?
Wollte er an die Beute seiner Söhne herankommen durch Erpressung?
Erpresser haben denkbar schlechte Überlebenschancen.
Und wenn ihm Hugo zuvor kam?
Wer zuerst die Pistole zieht ist im Vorteil und Hugo hatte bereits bewiesen, dass er zu allem fähig war.
Es war eine verdammt heikle Situation, auch für mich. Ich riskierte viel, wenn ich Partei ergriff, aber wenn ich nichts unternahm würde es auch ohne mich zu einer Entscheidung kommen, deren Ausgang sehr ungewiss war.
Ich stellte Hugo nochmals zur Rede und versuchte ihn zu überzeugen, dass eine einvernehmliche friedliche Lösung das Beste war, was er tun konnte. Aber er machte plötzlich auf stur. Den Alten da an der Beute beteiligen kam nicht in Frage, denn das wäre ein Schuldgeständnis und Hugo müsste in den Knast.
An dieser Stelle erwähnte ich, dass ich übrigens meinen Anteil auch noch nicht erhalten hätte.
Mir schien, dass in diesem Moment Hugos Augen einen gefährlichen gelblichen Schimmer bekamen und ich begriff schlagartig, dass er mich die ganze Zeit nur hinausgehalten hatte, weil ich ein gefährlicher Zeuge und Mitwisser war. Seine Grosszügigkeit, seine Offenheit und seine Freundschaft hatten nur den Zweck, mich an sich zu binden, damit ich nicht begehrlich werden konnte oder ihn sogar bei der Polizei anzeigte.
Ich hatte sein Spiel durchschaut, liess mir aber nichts anmerken, sondern tat so, als ob ich für ihn und gegen Emil Partei ergreifen würde, denn ich hatte keine Lust im Fundament eines geplanten Erweiterungsbaus einbetoniert zu werden.
Er fand, dass wir Emil loswerden müssten, schnell und spurenfrei. Er überliess es mir, etwas Perfektes und Feines herauszufinden. Was meinen Anteil betreffe sei es etwas kompliziert, da er alles Geld auf die Caimaninseln gebracht habe, aber er werde meinen Teil „tröpfchenweise“ zurückholen und mir auszahlen. Damit ich an seine Ehrlichkeit glauben könne, werde er mir eine Immobilie in Italien überschreiben lassen, ein kleines Weingut im Piemont, das gut und gern eine Million wert sei, aber wir würden nur die Hälfte berechnen, schon wegen der Steuern und so.
Ohne dass ich das millionenschwere Weingut vorher hatte besichtigen können, wurde es von einem Notar in Asti an mich und meine Familie überschrieben.
An einem Herbstabend kam Hugo bei uns zuhause vorbei. Josy übte im Zimmer nebenan ihr Prüfungsstück auf der Geige und Hugo meinte, das klinge ja ganz gut, aber auf einem besseren Instrument könnte man viel mehr aus dem Stück herausholen.
Am Abend verwickelte er Josy noch in ein Gespräch über Geigen. Er schien sich dabei auszukennen, jedenfalls kannte er alle alten „Geigenschreiner“, wie er sie nannte, aus Cremona. Dann fragte er so nebenbei, ob sie Lust hätte auf so einem altehrwürdigen Instrument herum zu fiedeln.
Etwa eine Woche später kam er in mein Büro, sichtlich verlegen, denn er schien wieder einmal etwas auf dem Herzen zu haben und brauchte meine Hilfe. Als ich ihn fragte, meinte er, es seien zwei Probleme.
Als erstes habe er eine „Amati“ auf einer Auktion ersteigert. Ich nahm an, dass es sich um ein Motorrad handle, da er zu jenem Zeitpunkt den „Easy Riders“ verfallen war. Er lachte sein hochmütiges Lächeln, das mich zum Deppen stempelte, und meinte dann, ich sei wirklich der richtige Partner für eine Geigerin.
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