Johann Widmer - Barrabas

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Die Sprache in diesem Buch ist Ausdruck unserer damaligen Identität, der damaligen Zeit und der damaligen Welt.
Die Welt hat sich inzwischen gewaltig verändert, die «gute alte Zeit» (die alles andere als nur gut war) ist Vergangenheit und hat einer weit bessern neuen Zeit Platz gemacht.
Der Wandel hat auch die Sprache verwandelt und sie wird sich in der Zukunft weiter verändern, aber der Inhalt der Geschichten wird seine Gültigkeit auch in der Zukunft behalten.

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Barrabas

Und anderi Gschichte us em Züri Oberland

Johann Widmer

Ich möchte dieses Buch meinem Urenkel EMIL

und seiner Generation widmen.

Die Sprache in diesem Buch ist Ausdruck unserer damaligen Identität, der damaligen Zeit und der damaligen Welt.

Die Welt hat sich inzwischen gewaltig verändert, die „gute alte Zeit“ (die alles andere als nur gut war) ist Vergangenheit und hat einer weit bessern neuen Zeit Platz gemacht.

Der Wandel hat auch die Sprache verwandelt und sie wird sich in der Zukunft weiter verändern, aber der Inhalt der Geschichten wird seine Gültigkeit auch in der Zukunft behalten.

Titelbild von Johann Widmer („Muurer Hans“ 1902 – 1988)

Stiftung Augustine und Johann Widmer, Hrsg.

© Stiftung Augustine und Johann Widmer

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Bildungszentrums reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

www.johann-widmer.ch

ISBN: siehe Umschlag

1. Auflage 2020

Vorwort

Es macht Spass einmal so zu schreiben, wie «einem der Schnabel» gewachsen ist, in seiner Sprache, die man seit der frühesten Kindheit spricht.

Die Sprache die unser Denken, Sprechen, Fühlen und Träumen beherrscht ist sehr individuell und sie verändert sich im Lauf des Lebens fast unmerklich.

Neue Wörter ersetzen alte, viele Begriffe wandeln sich oder verschwinden, die, einst regional typischen Eigenheiten des Wortschatzes und der Aussprache passen sich gegenseitig an, hochdeutsche Wörter verdrängen die mundartlichen und die grammatikalischen Besonderheiten verschwinden.

Auch mein persönliches Züritüütsch hat sich im Laufe meines Lebens verwandelt. Geboren 1938 und aufgewachsen in Lindau ZH.

Damals hat man im Dorf noch sehr stark den Oberländer Dialekt gepflegt mit Schooff, Noodle, Oobig und Moo (Mond), verbunden mit einer typischen Wortmelodie.

Vielleicht als Abgrenzung, als Identifikation unserer Schweizer Eigenart gegenüber der braunen Ideologie und der Armeen, die uns von Norden her bedrohten.

Mit dem Besuch der Kantonsschule in Winterthur passte sich meine Sprache zum Teil an die örtliche Sprechweise an, nicht zuletzt, weil gewisse Ausdrücke meiner archaischen Sprache oft nicht verstanden wurden. Das Schooff wurde zum Schaf, de Lätt wurde zum Lehm und Gfell wurde Glück.

Meine Lehrertätigkeit im Hittenberg, einer Aussenwacht von Wald brachte mich dann wieder zu meinen sprachlichen Wurzeln zurück, es war für mich, wie ein Nachhausekommen.

Hier glänzte nachts wieder der Moo am Himmel, im Frühjahr war d Schtrooss wider oober und man kannte noch den Büürdelibock und den Tängelistock, der Ägerscht und s Äicherli …

DE RUEDI

«Also dä Blanc isch doch en gfitzte Kärli» , hät de Fridel Steffen ame Namittag im Rössli ine erchlärt, «e chli hülpe mit eme Bei und scho chunnt er e feissi Ränte vo der Invaliideversicherig über und s Husiererpadänt rüerets em au grad no naa und das Schlitzohr mues vo dooewägg nüüt me tue, chan echli i de Wält ume gondle und sis Miggiszüügs verhusiere und wänn em die Umereiserei emol sött verleide, chan er au diheime bliibe und uf de fuule Huut ligge, es isch immer für en gsorget.

D Frau Pfaarer soorget für d Chleider, d Gmeind zaalt de Huuszeis und de Staat git em e schöni Ränte. Und wer zalt das alles, hä? Miir, miir Tuble wo euis d Seel us em Liib chrampfed und Stüüre zaled bis euis s Ligge weh tuet.

Herrschaft nomool, es git eifach kei Grächtigkeit me uf däre Wält!

Eso schön wie dä Hülpi wetted mers doch au emol haa, oder, was meinsch, Rüedel?»

De Rüedel Widmer wo mit em am Tisch hocket, hät gmeint: «Jää, ich weiss grad nöd öb die Husiererei sonen Schläck sei. Dä armi Kärli macht sicher mänge Kilometer am Tag und hüüfig ohni öppis z verchaufe.»

«Heb nu na Verbärmscht mit däm Typ», hät de Fridel giftig ume ggää, «stell der doch emol voor, was dää verdienet ime Taag, dä tüür Cheib. Es isch ja uverschämt, was dää für sini Gänggeliwaar heuscht!

I der EPA z Winterthur choscht di gliichligi Waar nöd emol d Helfti.

Isch das dänn nöd gschtole, was dää für sis Züüg nimmt?»

«Ja dänn goosch halt wäg jedere Schliessgufe schnäll uf Winterthur abe, daas chunnt di sicher vill billiger», lachet de Rüedel.

«Muesch aber doch zuegää, das die Husiererei käs ehrlis Gschäft isch, das isch doch öppis zwüschet bättle und stääle. Stell der voor, da chunnt sonen laame Griggi oder en Högerlig a dini Tüür, jäämeret der eis voor, das fascht s hüülendi Eeländ überchunnsch vom zuelose und dezue ane lueget er dich aa, wien en truurige Hund. Da chasch doch eifach nöd säge, er söli verschwinde, nei, da chasch nöd andersch, da chaufsch em us luuter Verbärmscht öppis ab.

Chuum isch er es Huus wiiter, so merksch, was für en wohlfele Mischt du da kauft häsch und wie dich dä Cheib vertwütscht hät. Weisch, ich wirde do jedesmal sternshagel verruckt, wänn mich so eine wider emol inegleit hät.»

«Vreni, nomol s gliich!»

Wos Vreni die Bier praacht hät und iischänkt, sind em Fridel sini Händ däm Meitli sini runde Stelle go tätschle, aber do isch dä Puurscht friili a di lätz Adrässe choo. Hett er sich nöd im allerletschte Augeblick na puckt, hett er e saftigi Ohrfiige gfasst.

Em Fridel sin Tischnochber hät nüüt gseit, er hät bloss grinset.

Em Fridel sin Seelezuestand isch dur dä Zwüschefall ä nöd besser worde.

Jetz hätt er afoh über d Wiiber schimpfe mit de altbekannte blöde Sprüch vo dene wo nöd händ chöne lande.

Em Rüedel isch es au bi däm Thema nöd wohl gsii und er häts graaduse gseit.

Aber de Fridel hät jetz halt emal e Schiissluune gha, nüüt isch em Rächt gsi, weder de Gmeindrat no de Pfarrer, alles sind Glünggi oder Schafseckel gsii und schliessli isch er wider bi sim Tagesthema achoo, de Husierer: «Die sind doch es stinkfuuls Lumpepack, z fuul zum Schaffe sinds alli mitenand, fuuli Seck, jedere eerliche Aarbet wiichets uus, die Gauner. Lumpewaar, Plegeri.

Aber warum söll mer au schwitze bim schaffe, wämer d Lüüt anderscht ume vertwütsche und ene s Gält uf e fiini Aart us em Sack zie chan. Sind alls di gliichlige, au dä Blanc.

Überhaupt, BLANC, wohär nimmt dä eigentlich sin französische Name? Blanc heisst ja nüüt anders als Wiiss. Meint dä cheibe Blöffer, er seigi us besserem Dräck als ander Lüüt mit sim wältsche Name? Oder isch er am Änd gar kän rächte Schwiizer? Das würd so zuenem passe.

Papiirlischwiizer, die hämer ja psunders gärn bin euis, so ne feufti Kolone, won eus s letschti Brot wägfrisst und defüür eus uusspieniert…

…Blanc…

Dä cha ja welewäg käs Woort französisch, dä cheibe Uufschniider.»

Wo de Fridel sini Täubi miteme grosse Schluck Bier abegschwämmt hät, isch de Rüedel äntli au wider emol z Woort choo. Er hät gmeint, mer chöni sin Name ja chuum irgend neumet sälber uussueche, der einti heissi jetzt halt Wägme, der anderi Widmer, Steffen oder ebe Blanc, aber keine chön vill derfüür. Und dä Blanc chömi welewäg scho neumen us em Wältsche, er heig ämel au e wältschi Frau.

Do hät de Fridel wider giftig uufbigeert und gseit: «Ja, und? Wän eine e Wältschi hürootet hät er wäge däm no lang kän wältsche Name. Das chäm ja schön use, wänn miir Mane müesstid de Name von eusere Frau aanäh, das wüürdi bigoscht grad no fääle daas!»

De Rüedel hät sis Bierglas i d Hand gnoo und em Fridel zueproschtet, i de Hoffnig, er gäb äntli Rue und redi vo öppis anderem als vo Husierer und Verträtter.

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