Mein „Bekenntnisschreiben“ hatte ich auf Anraten von Barbara fotokopieren lassen damit ich alle Interessenten bedienen konnte. Sie hatte mir auch einen Anwalt mitgebracht zu dem ich aber kein Vertrauen fassen konnte, denn er konnte so überheblich tun, war aber unfähig zuzuhören. Er war ein eingebildeter Affe, aber falls er mir helfen konnte da heraus zu kommen war er mir schon recht.
Zwei Tage später kam Barbara in Begleitung von Josy, die sie im Spital von Rüti gefunden hatte, wohin man sie als Putzmädchen verbannt hatte. Josy war immer noch bereit mich zu heiraten, (einen „Verbrecher“), ihre Eltern hatten ihre Einwilligung gegeben und wir zwei würden die nächsten Tage das Aufgebot bestellen und in 14 Tagen konnten wir heiraten. Josy zog sofort in meine Wohnung ein. Ich blieb vorläufig noch im staatlichen Gewahrsam. Die Eltern hatten aber die Bedingung gestellt, dass wir die Stadt Winterthur verlassen müssten. Mit zunehmender Distanz verkleinert sich die Schande.
Man liess mich noch eine Weile im Knast schmoren in der Hoffnung noch etwas aus mir herausbringen zu können, aber da ich nicht der Anführer der Räuberbande war, konnte ich nichts wissen. Eine aktive Mittäterschaft konnte mir auch nicht nachgewiesen werden, es sei denn man lege mir den Organisationsplan zur Last. Man hatte auch kein Geld in meiner Bude gefunden und konnte mir auch keinerlei Kontakt mit den Dieben nachweisen aber man hatte wenigstens einen Verdächtigen festgenommen. So konnte man der Bevölkerung zeigen, wie tüchtig der Polizeiapparat sei.
In Begleitung von zwei Beamten meldeten wir unsere Heirat im Zivilstandsamt an und etwas später bekamen wir auch noch den Segen des Staates zu unserer Heirat. Als Trauzeugen hatte ich meine zwei Wärter mitgenommen, zwei feine Typen, die Herren Feusi und Frauenfelder.
Eine Eheschliessung aus dem Knast heraus ist ja nicht der Alltag, aber diese Ehe hat ein Leben lang gehalten, bis der Tod uns geschieden hat …
Schliesslich wurde ich eines Tages provisorisch freigelassen mit der Auflage, mich jeden Morgen um 10 Uhr auf dem Polizeiposten zu melden bis ein Gerichtsentscheid gefasst werde. Die Stadt dürfe ich so lange nicht verlassen. So konnten wir auch dem Wunsch des Schwiegervaters nicht nachkommen, hier wegzuziehen.
An Weihnachten erhielten wir per Post eine nagelneue Tausendernote zugeschickt. Als Absender war Barbara angegeben, aber diese wusste nichts davon
Wir hatten alle drei denselben Gedanken: Raubgut.
Was sollte ich tun, zur Polizei gehen und es melden?
Die beiden Frauen lachten mich aus und Barbara meinte es wäre nur recht und gut, wenn ich etwas von dem Kuchen bekomme, für den ich so lange unschuldig gesessen habe.
Bevor ich den leeren Umschlag in den Ofen warf schaute ich noch nach dem Poststempel. Zürich HBf.
Drei Wochen später kam unser Sohn Josef zur Welt.
Zwei Tage später schickte uns der Hauptbahnhof in Zürich wieder eine druckfrische Tausendernote.
Barbara eröffnete mit dem Geld unauffällig für ihr Patenkind ein Sparkonto bei der Bank.
Ich war mir sicher, dass Hugo in der Gegend war, das Geld konnte nur von ihm stammen, aber ich war ehrlich erstaunt, dass er sich erkenntlich zeigte für mein Schweigen.
Ich bezahlte auch schwer dafür mit zwei Jahren bedingt, also verurteilt, vorbestraft oder wie es auch heissen mag, für mich bedeutete es Ausschluss aus der Gesellschaft. Ich würde keine Ausbildung mehr machen können, keine gute Arbeitsstelle finden, kein Geld auf ehrliche Weise verdienen und so auch keine Familie ernähren können. Das war eine verdammt harte Strafe für mich aber ich hatte auch keine Lust, das Verfahren weiterzuziehen, mein Glaube an eine gerechte Justiz war erloschen.
Wäre da nicht Josy und Seppli gewesen, wäre ich jetzt zu den grünen Baretts in der Fremdenlegion gegangen. Ich hatte es mir auch eine Zeit lang überlegt, denn es würde doch für meine Frau auch nicht einfach werden mit einem Ex – Sträfling zusammenzuleben. Und erst der Kleine, wenn der mal zur Schule musste. Als ich mit Josy darüber sprach meinte sie, wir würden mit allen Problemen fertig werden, wenn wir nur zusammenhielten.
Wir versuchten uns einzurichten. Wir blieben erst einmal noch einige Zeit in der Stadt, denn wir hatten da eine Wohnung und ich konnte als Kellner etwas Weniges verdienen, das aber nie reichen würde unsere kleine Familie zu erhalten. Verhungern mussten wir nicht, das hätte die gute Maria nicht zugelassen, aber man braucht zum Leben mehr als nur das tägliche Brot.
Am Wochenende half Josy in der Küche des Gasthauses und der Wochenmarkt, der direkt vor unserer Haustüre stattfand verhalf uns zu noch essbaren Gemüseabfällen und billigem Ausschussobst.
Aber alle meine Anstrengungen, eine gutbezahlte Arbeit zu finden, waren nutzlos und keine gutgemeinte Fürsprache konnte daran etwas ändern.
Einzig in einer Gruppe von Judo und Karatekämpfern fand ich Anschluss und konnte mit Lektionen für Anfänger, der Reinigung des Clublokals und der Verwaltung des Vereins etwas Geld verdienen. Mir war aber auch der soziale Anschluss wichtig, denn hier wich mir niemand aus wegen meiner Vorstrafe, hier waren viele Mitglieder dem Gericht weit besser bekannt als ich, aber davon sprach man nie. Wir waren eine harte Bande, aber wir duldeten nur loyale, aufrichtige und verantwortungsbewusste Leute unter uns.
Fairplay und grosse Selbstbeherrschung sind bei allen Kampfsportarten sehr wichtig, denn ein gut ausgebildeter und durchtrainierter Kämpfer ist eine Mordmaschine, wenn er die Selbstkontrolle verliert.
Ich hatte dabei jedenfalls meinen Jähzorn beherrschen gelernt.
In dieser Gruppe wurde ich als Kumpel geschätzt und als Kampfpartner gefürchtet, weil ich scheinbar eine überaus schnelle Reaktion hatte, zudem erahnte ich die Griffe meiner Gegner einen Sekundenbruchteil bevor sie zupackten.
In dieser Gruppe wurde Hugo mehrmals erwähnt und zwar als junger Rechtsanwalt, der voll auf der Seite der Gesetzlosen stehe. Ich wunderte mich, wie er, zeitmässig, seinen akademischen Titel hatte erwerben können.
Seppli feierte seinen zweiten Geburtstag (das nächste Kind war auch schon unterwegs) als Hugo bei uns auftauchte. Ich hatte ihn kaum wiedererkannt, denn er hatte nun dunkle Haare, trug eine schwarze Brille und steckte in einem schicken Anzug. Der Mafiaboss wie man ihn aus Filmen kennt. Aber was mich am meisten irritierte war seine Narbe, sie war unsichtbar geworden, das heisst, wenn man ganz genau hinschaute konnte man sie noch erahnen.
Auf meinen fragenden Blick meinte er, dass er „das Ding“ habe wegmachen lassen, es hätte sich schlecht gemacht in seiner Stellung. Ja, er sei nun Doktor der Jurisprudenz, grinste er und fügte bei : „ohne je eine Uni betreten zu haben.“ Ein Spezialist an einer italienischen Uni hatte ihm die Doktorarbeit geschrieben, sie für ihn eingereicht und schliesslich hatte die Hochschule, für viel Geld, den guten Hugo zum Doktor Jur gemacht. Es geht auch so. Hauptsache ist das Ziel, der Weg dazu ist Nebensache.
Er überreichte Josy einen dicken Umschlag und einen Zettel, dazu meinte er, das sei die Quittung von der Bank, er hätte dem Kleinen etwas auf sein Sparkonto einbezahlt, es sei so unauffälliger, als wenn ich es gemacht hätte. Im Umschlag sei noch eine kleine Finanzhilfe.
Als ich protestieren wollte meinte er, wir hätten eh noch etwas zu besprechen.
Er eröffnete uns, dass wir reiche Leute seien, denn wir bekämen noch unseren Anteil vom Bankraub, das sei doch selbstverständlich und gerecht, denn ich hätte ja die Quittung vom Gericht bereits erhalten.
Mein Anteil belaufe sich auf 1,3 Millionen und sei sicher verwahrt und gelagert.
Josy war dagegen, dass wir das Geld annehmen, aber ich fand es verlockend, denn so kämen wir einen Schritt vorwärts und hätten den Kindern eine Zukunft zu bieten, die mehr als nur gestopfte Strümpfe und leere Mägen versprach. Zudem hatte mich das Gericht als Mittäter verurteilt, also hatte ich Anrecht auf meinen Teil der Beute. Die Versicherung hatte den Schaden der Bank vergütet, mir hatte das Gericht meine Zukunft versaut und jetzt bekam ich das Schmerzensgeld also war die Welt wieder in Ordnung.
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