Wunchk atmete tief durch. Hoffnung keimte in ihm auf.
„Ich bin offensichtlich in der letzten Zeit von so manchen Entwicklungen überrollt worden”, meinte er schließlich nur noch erschöpft. „Wenn das so ist, können wir jede weitere Hilfe gut gebrauchen. Aber wie schon gesagt: Wir müssen unbeschadet an unseren Bestimmungsort gelangen. Deshalb: Vorsicht, halten Sie nach jeden Hinweisen im Zusammenhang mit den Guruthuwrunuh Ausschau. Wie zum Beispiel verdächtige Kommunikationssignale, Beobachtungen von Planeten, an denen wir vorbeifliegen, möglicherweise Gerüchte an Handelsposten im Bereich dieser Galaxie. Denn wir wissen nicht, was wir am Ende unserer Reise vorfinden werden. Und denken Sie bitte daran: Dieser Unghar muss auch noch irgendwo sein Unwesen treiben.”
Die Mission
Der Rückflug durch den über 150 Lichtquartaq weiten Abgrund war zunächst für viele Besatzungsmitglieder mit Freude und Erleichterung verbunden. Man war froh, endlich diesen toten, kalten und leblosen Ort kollidierender Gesteinstrümmer hinter sich gelassen zu haben.
Aber die Gors verstrichen. Und je länger die Schiffsbesatzung auf die schwarze Leere beidseitig zur Flugrichtung starren musste, desto deprimierender, bedrohlicher und nervenzerreißender wirkten die unfassbaren Abgründe aus Raum und Zeit auf ihre Psyche. Obwohl diese Mannschaft über viele 1000 Gor ein Musterbeispiel für sozialverträglichen Umgang und gegenseitige Rücksichtnahme war, wurde ihr charakterliches Verhalten durch die jetzige Situation auf eine besonders harte Probe gestellt. Denn die Weiterentwicklung des schiffseigenen Antriebs durch den Wissenstransfer mit Borhun und Maruthron, dessen Installation zu Beginn so viel versprechend begann, war inzwischen von Rückschlägen überschattet.
Und vielen, die voller Unruhe aus den Fenstern schauten, in der Hoffnung auf ein baldiges Ende des Nichts, schien es manchmal obendrein noch, als würden sie von einem rätselhaften Schatten verfolgt. Weit, weit hinter ihnen, schien die Raumverzerrung, die das Schiff erzeugte und die das Licht der Galaxien in der Ferne hinter ihnen verschluckte, manchmal unregelmäßig ausgefranst zu sein. Und diese Unsymmetrien schienen allmählich größer zu werden. Aber trotz aller Scans, die der Kommandant anordnete, um Licht in diese eigenartigen Beobachtungen zu bringen und natürlich auch aus dem Grunde, um die Mannschaft zu beruhigen, fand man nichts. Die besonders kritischen Mitglieder unter der Schiffsbesatzung jedoch waren sich trotz aller negativen Messungen und Untersuchungen schließlich sicher, dass sie nicht die einzigen waren, die den langen Rückflug angetreten hatten.
Wunchk flog in die Offiziersmesse, um sich mit Lowhrhana zu treffen. Fast 100 weitere Gor waren erneut vergangen; und noch immer befand sich das Schiff auf dem Rückflug zu den Außenbezirken der Triangulum - Galaxie. Die Stimmung an Bord war auf einem absoluten Tiefpunkt angekommen. Angst und Verzweiflung breiteten sich aus. Selbst aggressive Angriffsflüge und gegenseitige Bedrohungen der Besatzungsmitglieder traten inzwischen verstärkt auf.
Lowhrhana wirkte niedergeschlagen. Seine aschgraue Körperfarbe signalisierte dem Kommandanten, dass er die aktuelle Situation als ausweglos einschätzte.
„Wie lange brauchen wir denn noch?”, fragte Wunchk, als sie sich mit ihrem Greiforgan an speziellen Halterungen festkrallen konnten, um mit der anderen Seite des Nurflügelkörpers einen extrem nahrhaften, bitter schmeckenden Brei aufzunehmen. Frische Nahrungsmittel gab es schon lange nicht mehr; dieser Drink war eine reine Überlebensnahrung.
Sie blickten durch die Duranglasscheiben in einen strukturlosen Abgrund.
„Noch 200 Gor.”
„Was ist mit der Verbesserung der Antriebstechnik, die Ihr zu Beginn des Rückfluges hoffnungsvoll erwähnt hattet?”
„Gerade daher habe ich Euch rufen lassen. Wir werden leider damit vermutlich keinen Erfolg haben. Denn seit über 20 Gor haben wir keinen Kontakt mehr mit Borhun und unseren Wissenschaftskollegen auf Yewwhrhon. Das letzte Signal war seltsam verstümmelt.”
„Hatte ich etwa recht, dass Ihre Freunde doch nicht so zuverlässig sind, wie Ihr zu Beginn behauptet hattet?”, fragte Wunchk hart und trocken, mit einer Spur Sarkasmus in seiner Stimme.
„Wie ich schon sagte, haben sie mich noch nie im Stich gelassen”, versuchte Lowhrana scheinbar ungerührt sachlich zu antworten. „Ich befürchte vielmehr, dass sich irgend etwas völlig Unvorhergesehenes ereignet hat.”
Seine Stimmung kippte. Lowhrana zeigte plötzlich offene Angst. Er konnte sich nicht mehr richtig konzentrieren.
Wunchk war verwirrt. Lowhrana schien seine Gefühle nicht mehr vollständig unter Kontrolle zu haben. Letzterer versuchte noch stets, ruhig und beherrscht zu bleiben. Auch wenn es ihm davor graute, noch eine Ewigkeit in diesem scheinbar unendlichen, uferlosen Nichts, dass das Schiff umgab, existieren zu müssen.
„Ihre Reaktion verstehe ich nicht. Wieso sind Sie so sicher, dass die Kroaxar absolut vertrauenswürdig sind? Können Sie einen solch weitreichenden Schluss in der jetzigen Situation ziehen?
Denn andererseits: Warum sind Sie in diesem Moment so nervös?
Hat dies etwas mit meiner Person zu tun? Sie sollten doch inzwischen wissen, dass ich weder nachtragend noch voreingenommen bin, auch wenn ich auf Grund meiner Erziehung sehr mufrgghzentriert bin. Ich kann meine Unsicherheit gegenüber anderen Rassen nun einmal nicht verbergen. Aber das mag auch daran liegen, dass ich zu wenig Kontakt mit ihnen in der Vergangenheit hatte. ”
Lowrhana zeigte durch ein Flackern in seiner stark pigmentierten Haut, was mit einem irdischen Kopfschütteln zu vergleichen war, dass er diesen Denkansatz verneinte.
„Ich weiß Ihre beruhigende Art zu schätzen, aber darum geht es nicht. Und was das Vertrauen gegenüber Borhun und Maruthron angeht: Bei diesen beiden Kroaxar bin ich mir ihrer Zuverlässigkeit absolut sicher.”
Er machte eine Pause. Der Kommandant wartete gespannt, welche Erkenntnisse sein Gegenüber gefunden hatte, die ihn so aus seinem seelischen Gleichgewicht warfen.
„Ich beginne gerade, alle eigenartigen Beobachtungen und Vorkommnisse der letzten Zeit zu analysieren”, erklärte Lowrhana. „Lassen Sie mich bitte einen Moment nachdenken. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mit mir die letzten Jahre nach Ungereimtheiten aller Art in Politik und Wissenschaft chronologisch abklopfen könnten.”
Wunchk signalisierte Zustimmung.
Lowrhana grübelte eine Weile, während Wunchk das beunruhigende Gefühl beschlich, einer unfasslichen, abgrundtiefen Bedrohung gegenüberzustehen, denen sie machtlos ausgesetzt zu sein schienen. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er das Gefühl völligen Ausgeliefertseins hatte. Er verwünschte innerlich den Tag, jemals diese Mission angetreten zu haben, auch wenn er genau wusste, dass er damals kalt gestellt worden wäre, hätte er dieses Himmelfahrtskommando abgelehnt.
Lowhrana riss ihn aus seinen Grübeleien.
„Vor ungefähr 25000 Gor - an den genauen Zeitpunkt kann ich mich aber nicht mehr erinnern - kam es zu einer extremen Verhärtung unserer politischen Führung im Umgang mit anderen Rassen. Hardliner hatten plötzlich das Sagen und entwickelten die aggressionsfördernden Strategien, wie dieses verschärfte Begrüßungsritual. Dazu kam, dass seitens der wissenschaftlichen Elite wissenschaftlicher Austausch mit den Blurrogh und Kroaxar zunehmend verhindert wurde. Der Informationsfluss in Zusammenhang mit Hochtechnologieentwicklung wurde nach und nach ausgetrocknet. Reisen zum Yewwhrhon oder nach Orodon wurden extrem erschwert. Nur dadurch, dass mein Institut ein eigenes Expeditionsschiff hatte, konnte der Kontakt über die Zeit des politischen Imperialismus der Mufrgghführer aufrecht erhalten werden.”
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