Eine dunkelhäutige Schönheit in Uniform gibt lächelnd den Weg frei. Hier wuselt es nicht mehr. Es tröpfelt. Auf dem breiten, mit teuren Fliesen gepflasterten Bürgersteig verlieren sich ein paar Büroangestellte und Geschäftsleute. Die großen gläsernen Drehtüren bewegen sich wie von unsichtbarer Hand geführt. In einem der sechs supermodernen japanischen Lifte schwebt Max unmerklich dem 15. Stockwerk entgegen.
Die Sekretärin des Leiters der Abteilung Projekt-Prüfung findet er an ihrem Schreibtisch. Die junge Frau im eleganten, dunklen Kostüm sitzt hinter einem Berg von Silberpapier. Sie hat sich Pittu, ihr Mittagessen aus Reismehl, Kokosnuss und Curry, mit ins Büro gebracht. Während sie auf ihrem Plastikteller herumstochert, liest sie die „Daily News“.
„Der Chef ist noch nicht da. Die Sitzung dauert noch an. Wenn Sie Platz nehmen wollen...“, lächelt sie einladend. In der Besucherecke lässt sich Max in einen der dunkelblau bezogenen Sessel fallen. Die Glaswände geben den Blick frei auf den Hafen und das tiefblaue Meer. Die weiße Brandung schlägt an die Klippen der alten Festung. Vor der Hafenmole warten mehr als ein Dutzend Frachter darauf, gelöscht zu werden. Von oben wirken die Ozeanriesen wie Spielzeuge. Ebenso wie die alten mehrstöckigen Gebäude aus der Kolonialzeit rund um den Uhrturm.
Der Blick aus luftiger Höhe schönt die Kulisse. Das alte Zentrum ist paralysiert. Früher pulsierte dort unten das Leben. Besonders nach der Abkehr der Regierung von der Kommandowirtschaft glaubte man, hier ein neues Handels- und Finanzzentrum errichten zu können. Colombo wollte mit Singapur konkurrieren. Jetzt ist es hier ziemlich öde. Verwaiste Strassen hinter Barrikaden. Mehrstöckige Häuser, die – halb zerstört – geräumt werden mussten. Das Zentrum konnte sich nie recht erholen, seitdem die Zentralbank Ziel eines Bombenanschlags wurde. Mehr als hundert Menschen waren damals ums Leben gekommen. Der Angriff aus dem Hinterhalt hatte den Bürgerkrieg aus den entfernten Provinzen in die Hauptstadt gebracht. Die Explosion von mehr als 500 Kilogramm Dynamit, das Terroristen auf einem Lastwagen versteckt hatten, war der Ruin für die Geschäftsleute im alten Zentrum. Der Schaden, den die Tiger-Terroristen der Regierung zugefügt hatten, war nicht nur materieller, sondern auch moralischer Art. Die Rebellen wollten aller Welt vor Augen führen: Sicherheit gibt es nirgends auf der Insel, denn die Regierung ist so schwach, dass sie nicht einmal ihr Zentrum schützen kann.
Im Großraumbüro des staatlichen Investitions-Förderungssamtes BOI reiht sich ein Schreibtisch an den nächsten. Die Stühle sind leer. Auf den meisten Tischen türmen sich Unmengen Papier – Aktenordner, Briefe, Notizzettel. Auf einem Tischchen in der Besucherecke entdeckt Max Hochglanz-Broschüren. Sie preisen die besonderen Anreize für ausländische Investoren an. Wer mindestens zehn Millionen Rupies investiert, zahlt weniger Steuern, heißt es da. Max interessiert sich besonders für die Passage über den Tourismus.
„Die Schönheit des Landes ist einzigartig. Nirgends auf der Welt gibt es auf so engem Raum eine so vielfältige, oft noch unberührte Natur. Zudem hat die UNESCO neun der zahlreichen Altertümer auf der Tropeninsel zu hervorragenden Stätten des Weltkulturerbes erklärt. Hunderttausende von Touristen kommen jedes Jahr aus aller Welt. Mit erheblichen Steigerungen der Besucherzahlen ist zu rechnen. Investitionen in der Hotel- und Freizeit-Branche versprechen lohnende Gewinne.“
‚Schönfärberei’, denkt Max, ‚dass die Einnahmen aus dem Tourismus zurückgegangen sind, und dass alle froh sind, wenn wenigstens die Besucherzahlen vom Vorjahr erreicht werden – davon steht hier nichts.’ Er sucht nach dem Erscheinungsdatum der Werbeschrift und stellt fest: ‚Kein Wunder. Das Heft ist alt. Wurde gedruckt, bevor die Terroristen Bomben hochgehen ließen.’
Unruhe verbreitet sich, als mit den Sachbearbeitern, die nun nach der Mittagspause schnatternd ihre Plätze einnehmen, eine Gruppe von Italienern ankommt. Die Männer in den bunten Freizeithemden wollen gleich zum Chef. Aber auch sie werden in die Besucherecke geschickt. Sobald sie in den blauen Sesseln sitzen, beginnt ein lautes, gestenreiches Palaver.
Max liest über Standortfragen. Auch außerhalb der zollfreien Zonen, in denen nur für den Export produziert wird, könnten Ausländer Land erwerben – entweder zum Kauf oder als Pachtland. Der Staat verpachtet Land für 33, in Ausnahmefällen sogar für 99 Jahre.
'Unser Park ist viel zu groß, als dass wir hier genügend Land kaufen können,' hatten Max und Messalina befunden. 'Alles Geld, das wir in das Grundstück investieren, fehlt uns dann beim Aufbau der Anlage.' So war Max heute nach Colombo gekommen, um über Pachtland der Regierung zu verhandeln – um Besichtigungstermine zu vereinbaren.
Aus dem Augenwinkel sieht Max einen kleinen drahtigen Mann in Weiß, den Tennisschläger unterm Arm, auf das Chefzimmer zufedern. ‚Das ist ja Fazi,' erkennt er.
Schon ist er neben ihm.
„Wie war das Match?“, fragt er leutselig. „Sie haben gewonnen, hab ich Recht?“
Max war dem sportlichen Abteilungsleiter bei seinem letzten Besuch vorgestellt worden. Der hatte ihm seine Visitenkarte gegeben. „Für Sie bin ich jederzeit erreichbar“, hatte er gesagt. Und unter den goldenen Druckbuchstaben „Muhammad Hassan Al Fazi – Direktor Projekt-Prüfung“ hatte er handschriftlich die Nummer seines Mobiltelefons vermerkt.
„Wir haben nicht nach Punkten gespielt,“ antwortet Fazi. „Aber das Match war gut.“ Das „a“ in Match zieht er wie ein Amerikaner. Er findet alles cool und nachahmenswert, was aus Amerika kommt. Max fühlt, wie gut dem Direktor belanglose Schmeicheleinheiten tun. Fazi atmet tief ein, lächelt – und wächst um Zentimeter. Er zieht Max mit sich in sein Büro. Erst als sich die Tür hinter den beiden schließt, erkennen die Wartenden in der Besucherecke, dass Max cool und nachahmenswert den Termin der Italiener übernommen hat.
Bevor Max zur Sache kommen kann, vergehen Minuten, die ihm wie Stunden vorkommen. „Baseball und Football, so richtige Männerspiele,“ meint Fazi. „Kricket natürlich auch eine prima Sache. Muss ich schon zugeben. Vor allem Golf ist groß im Kommen.“
Der Singhalese zündet sich umständlich eine Zigarre an, und fast hat Max Gelegenheit, diplomatisch auf sein Thema überzuleiten. „Tennis, die Top-Nachricht heute morgen im Radio...“
“Haben Sie gehört? Der Dollar ist wieder gefallen. Auch die Rupie hat verloren. Gar nicht so schlecht für unser Projekt“, sagt Max hoffnungsvoll.
Fazis Zigarre entwickelt eine gehörige Rauchwolke. Der Mann in Weiß zieht die Luft durch die Tabakrolle, drückt den Rauch an die Innenwände seiner Wangen und pafft dann prustend.
„Sportler inhalieren nicht,“ sagt er nur, als er den fragenden Blick seines Gegenübers bemerkt.
"Herr Perera wollte mich über Pachtland informieren.“
„Perera hält den Kontakt zu den einzelnen Ministerien, die industriell und landwirtschaftlich nutzbares Staatseigentum verwalten. Er handelt nach meinen Anweisungen.,“ pafft Fazi, das Büro immer mehr in Schwaden hüllend. ‚Der ist ja schlimmer als Messi! Ein Glück, dass sie keine Zigarren raucht,' denkt Max und sagt:
“Umso besser. Dann bin ich ja hier richtig. Können Sie uns Pachtland anbieten?“
„Ja, Herr Perera kann Ihnen eine Liste zusammenstellen.“
„Können Sie denn nicht heran an die Adressen? Ich meine, zum Beispiel heute, jetzt?“
Während Max fragt, ahnt er schon, wie die Antwort lauten wird.
„Wissen Sie...“, sagt der sportbegeisterte Direktor jovial, als er den enttäuschten Blick seines Besuchers sieht, „unser Amt ist mit großen Vollmachten ausgestattet. Früher hat es Monate, manchmal Jahre gedauert, bis die Eigentumsverhältnisse und Kompetenzen geklärt waren. Jetzt läuft das alles sehr viel schneller.“ Wie zur Bekräftigung klopft Fazi mit seinem Tennisschläger auf die Tischplatte und lächelt selbstzufrieden durch den Dunst.
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