Klaus Heitmann - Piranesis Räume

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Der italienische Kupferstecher und Archäologe Giovanni Battista Piranesi verläuft sich bei Recherchen im Untergrund Roms. Er gelangt in eine Welt, die den rätselhaften Bildphantasien der sechzehn Radierungen entspricht, welche er unter dem Titel «Carceri» herausgeben hat. Zu ihm gesellt sich Giovanni Salametti, ein Mann des Volkes, der auf der Suche nach seinem Huhn ist, welches sich ebenfalls in der römischen Unterwelt verfangen hat. Über Gott, Rom und die Welt diskutierend suchen der Künstler und der Hühnerzüchter nach dem Ausgang aus dem Raumlabyrinth, das desto verwirrender wird, je tiefer sie darin eindringen. Unterwegs stoßen sie auf zahlreiche bestimmende Figuren der europäischen Kulturgeschichte – Mathematiker, Künstler, Naturwissenschaftler, Sozialwissenschaftler und Philosophen. Diese versuchen ihnen an Hand verschiedener Raumtheorien den Weg zu weisen. Piranesi und Salametti folgen den Empfehlungen, finden sich im Raum aber dennoch nicht zurecht. Es ergibt sich vielmehr immer wieder, dass die Theorien ihrer Ratgeber nicht vollständig mit der Realität des Raumes übereinstimmen. Dessen Fundamente und Grenzen werden zusehends so unklar wie bei den Räumen in Piranesis radierten Kerkerphantasien.

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Klaus Heitmann

Piranesis Räume

Philosophischer ROMan

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Inhaltsverzeichnis Titel Klaus Heitmann Piranesis Räume Philosophischer ROMan - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Klaus Heitmann Piranesis Räume Philosophischer ROMan Dieses ebook wurde erstellt bei

Vorbemerkung Vorbemerkung In “Piranesis Räume” treten eine Reihe von Personen der Kulturgeschichte von der Antike bis in die Neuzeit auf, die im Text namentlich nicht benannt werden. Sie sind in den meisten Fällen so gekennzeichnet, dass sie der Kenner leicht ermitteln kann. Wer Gefallen an geistesgeschichtlicher Detektivarbeit findet, wird den Text daher zunächst ohne Erläuterung lesen wollen. Die Identität der Figuren wird am Schluss unter Auflösung Piranesi-Personal aufgedeckt.

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Auflösung Piranesi-Personal

Hinweis auf weitere Schriften des Autors

Impressum neobooks

Vorbemerkung

In “Piranesis Räume” treten eine Reihe von Personen der Kulturgeschichte von der Antike bis in die Neuzeit auf, die im Text namentlich nicht benannt werden. Sie sind in den meisten Fällen so gekennzeichnet, dass sie der Kenner leicht ermitteln kann. Wer Gefallen an geistesgeschichtlicher Detektivarbeit findet, wird den Text daher zunächst ohne Erläuterung lesen wollen. Die Identität der Figuren wird am Schluss unter Auflösung Piranesi-Personalaufgedeckt.

I

Im Frühjahr 1740 wurde für den 19-jährigen venezianischen Architekturadepten Giovanni Battista Piranesi ein Traum zur Wirklichkeit. Er betrat im Gefolge von Francesco Vernier, den die Signoria der Serenissima als Botschafter zu dem soeben neu gewählten Papst Benedikt XIV. gesandt hatte, Rom, um die Bauten der Alten zu studieren. Die ewige Stadt sollte ihn Zeit seines Lebens gefangen halten.

Piranesi kannte das antike Rom aus den Zeichnungen seines Landsmannes Andrea Palladio, welche bei seinen Architekturstudien als Lehrmaterial dienten. Auch hatte ihm sein Bruder, der Kartäusermönch Angelo, immer wieder von den heroischen Gestalten und Ereignissen der römischen Geschichte berichtet und ihm häufig aus dem Geschichtswerk des Livius vorgelesen. Rom hatte dabei seine Phantasie so sehr entzündet, dass ihm seine Bauten und Gestalten nachts schon im Traum erschienen waren. Wiewohl es in seiner Heimatstadt nicht an Wundern der Architektur fehlte, war ihm die Größe und Faktur der römischen Bauten aber immer rätselhaft erschienen. Es verlangte ihm daher danach, sie mit eigenen Augen zu sehen und ihr Geheimnis zu entschlüsseln. Hierzu wollte er, die bauliche Hinterlassenschaft der Alten zunächst einmal zeichnerisch aufnehmen und sie in einer Weise in Kupfer stechen, die ihrer „magnificenza“ gerecht würde. Im Übrigen wollte er möglichst auch noch den Beweis führen, dass die Architektur der alten Römer und überhaupt ihre Kunst gegenüber der griechischen eigenständig, ja ihr sogar überlegen sei. Es war ihm also nur allzu willkommen, dass er sich der Gesandtschaft anschließen konnte, die seine Heimatstadt an dem Tiber schickte.

Als sich Piranesi der Stadt Rom näherte, stand vor ihm das Bild einer erhabenen und majestätischen Baukunst von nie übertroffener Festigkeit und Vollkommenheit. Alles, so schien es ihm, war hier so, wie es zu sein hatte, jeder Teil war dort, wo er hingehörte und notwendiger Ausdruck eines Ganzen, das, wiewohl nie mehr als die Summe seiner Teile, über sich das Bild wahrer Größe aufscheinen ließ.

Die Wirklichkeit freilich hielt dieser Vorstellung nicht stand. Piranesi fand die Überreste der antiken Bauten meist weit weniger vollständig und wohlerhalten, als es die peniblen Zeichnungen Palladios suggerierten. Viele waren in Wehranlagen der ewig befeindeten römischen Stadtgeschlechter aus dem Mittelalter versteckt, waren in Kirchen eingebaut oder lagen unter Palästen aus neuerer Zeit. Soweit Gebäude noch über ein Dach verfügten, dienten die alten Räumlichkeiten häufig Handwerkern und sonstigen Gewerbetreibenden als Arbeitsstätte oder Lagerraum. Eines Tages etwa geriet Piranesi mit dem französischen Ruinenmaler Hubert Robert, mit dem er sich, da man das Interesse an den alten Resten teilte, angefreundet hatte, in eine weiträumige düstere Basilika, wo Wäscherinnen unter kassettierten Tonnengewölben, welche von einer Vierungskuppel unterbrochen waren, für die hohen Herren der Stadt bei offenem Feuer und großer Rauch- und Dampfentwicklung riesige Laken in einem Zuber kochten, die sie anschließend zwischen mächtigen Säulen zum Trocknen aufhängten. Was von den alten Bauten nicht auf diese Weise zweckentfremdet, was nicht gänzlich umgestaltet oder abgetragen war, lag versunken im Schutt der Jahrhunderte, aus dem nur hier und da verwitterte Reste ragten. Ein Römergeschlecht, das wenig gemein hatte mit dem Heldenvolk, das diese Bauten erstellt hatte, hauste dazwischen samt allerhand Getier in Unterkünften, die aus vorgefundenen Steinquadern und Ziegeln zusammengestückelt waren, zwischen denen hier und da Säulentrommeln oder behauene Sims- und Gebälkteile steckten. Auf dem Forum Romanum, auf dem einstmals Weltpolitik gemacht wurde, weidete man Vieh, weswegen es „campo vaccino“, Feld der Kühe, genannt wurde.

Piranesi nahm im Stadtgebiet so gut wie jedes antike Gemäuer auf, dessen er habhaft werden konnte, und bannte es – in begleitenden Texten streitlustig immer den Vorrang der Römer vor den Griechen betonend – mit dramatischen Licht- und Schatteneffekten detailreich auf die Kupferplatte. Nach Art seiner Profession arbeitete er dabei einerseits penibel mit Bandmaß, rechtem Winkel und Zirkel. Von den perspektivischen Bühnenzaubereien der Bibienas, die er schon in den Opernhäusern seiner Heimatstadt kennen gelernt hatte, und den Deckengemälden in den neueren römischen Kirchen, allen voran der ins Unendliche strebenden Himmelsarchitektur des Andrea Pozzo in St. Ignazio, hatte er aber auch gelernt, wie man durch eine freie Handhabung von Linien und Winkeln die „magnifizierende“ Wirkung der Abbildungen erhöhen konnte. Das Kolosseum etwa stellte er nicht nur so dar, dass es sich vor dem Betrachter wie ein gigantischer architektonischer Organismus aufbläht, neben dem der Titusbogen wie ein Schoßhündchen wirkt. Er dehnte die elliptische Form der Arena dabei dergestalt zur Hyperbel, dass ihre Arkaden ins Unendliche zu führen schienen.

Auch außerhalb der Stadt war Piranesi auf den Spuren der Alten Er hielt sich - фото 2

Auch außerhalb der Stadt war Piranesi auf den Spuren der Alten. Er hielt sich vor allem immer wieder in Tivoli auf, das schon im Altertum, als es – noch weniger spielerisch – Tibur hieß, die Menschen angezogen hatte, welche sich fern des Getriebes der Weltstadt auf das wahre Leben zu besinnen versuchten. Dort radierte er mehrfach den grandios über den Wasserfällen des Anio thronenden Rundtempel der Sybille und – in gerader Linie suggestiv in die Tiefe des Bildraumes führend – die Auch außerhalb der Stadt war Piranesi auf den Spuren der Alten. Er hielt sich vor allem immer wieder in Tivoli auf, das schon im Altertum, als es – noch weniger spielerisch – Tibur hieß, die Menschen angezogen hatte, welche sich fern des Getriebes der Weltstadt auf das wahre Leben zu besinnen versuchten. Dort radierte er mehrfach den grandios über den Wasserfällen des Anio thronenden Rundtempel der Sybille und – in gerader Linie suggestiv in die Tiefe des Bildraumes führend – die mächtigen übereinander stehenden Bogenreihen eines Heiligtums am Rande der Schlucht des Anio, welches man für die Substrukturen der Villa des Mäzenas hielt, wobei er seiner Neigung, mit unendlicher Akribie auch die feinsten Schattierungen und Lichtbrechungen zerfallenden Mauerwerks festzuhalten, hier in besonderem Maße freien Lauf ließ.

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