„Und doch sieht niemand ein Mädchen in mir, geschweige denn eine Frau. Ich werde bald 18 und mein Körper wird sich nicht mehr ändern. Nicht von allein. Nicht Junge nicht Mädchen. Nicht Mann nicht Frau“, sage ich und meine Stimme schwillt zu einem Schrei an.
„Das ist dein Problem?“ Die Augen der Alten wandern zu meiner Brust. „Nun, du hast recht.“ Ich verschränke die Arme und entkomme ihrem abschätzigen Blick doch nicht.
Es ist nicht immer schön, recht zu haben.
„Aber lass dir eines gesagt sein, Dummchen. Eine Hexe kann alles sein, was sie will.“ Und plötzlich steht eine wunderschöne Frau vor mir, sie ist nackt und herrlich anzusehen. Dann fällt sie auf alle Viere, verwandelt sich in einen Katze, springt in die Luft und wird zu einem Raben, der über mir kreist und mich mit seinem Krächzen auslacht.
Dann steht wieder die Alte vor mir. Sie schüttelt den Kopf. Eine Feder hängt ihr noch im Haar.
„Wenn du nicht weißt, was du bist oder sein willst, lerne und du kannst zu allem werden, was du dir wünschst. Für einen Preis. Nichts in der Welt ist umsonst“, sagt sie und wirkt älter als zuvor. Ist Zeit der Preis, frage ich mich und spüre die Unruhe in mir. Ich starre die Alte an, die hustet und hustet, um dann einen Fellknäul auszuwürgen.
Und meine Augen werden größer und die Welt um mich herum wächst. Ich schrumpfe, werde kleiner, als sie größer und weiter wird. Und ich komme mir wirklich dumm und engstirnig vor. Habe ich doch nicht einmal über den Tellerrand geblickt und mich stattdessen in Suppe ertränkt.
Ich könnte eine Hexe sein.
Ich könnte alles werden, was ich will.
Ob Mann, Frau, Tier …
Und eine Gier erwacht in mir.
Wie ein Wurm kriecht sie in meinen Eingeweiden. Ich will das, was die Hexe mir gezeigt hat. Ich muss diese Fähigkeit haben. All meine Probleme würden sich in Luft auflösen. Einfach so. Ich könnte zu jeder Zeit sein, was ich will. Ich müsste mich nicht für immer entscheiden, könnte Körper tragen wie Kleidung. Jeder Preis scheint gerechtfertigt für so viele Möglichkeiten, für solch eine unendliche Freiheit.
Ich will eine Hexe werden. Ich will zaubern können, mich verwandeln. Und als die Alte mir in die Augen schaut und sie das Glitzern erkennt, kicherte sie leise, dann seufzt sie und sagt: „Folge mir! Es wird wahrlich nicht leicht, aus dir eine Hexe zu machen, geschweige denn eine starke.“
„Warum?“, frage ich und rappele mich auf.
„Die Macht einer Hexe … weißt du, worin sie liegt?“, fragt sie und ich erwidere unüberlegt: „In ihren Warzen?“
„Dummes, dummes Menschenmädchen. Die Macht einer Hexe liegt in ihrer Weiblichkeit“, sagt die Hexe und wirft mir einen giftigen Blick zu. Als ich automatisch ein Abwehrzeichen mache, lacht sie. Und durch ihr Lachen hindurch drängt sich die Erkenntnis.
Und ich bleibe wie vom Donner gerührt stehen.
„Ich sehe, du verstehst das Dilemma, in dem wir uns befinden. Nicht nur, dass du kaum weibliche Formen hast“, ihr Finger bohrt sich wieder mal in meine Brust, „du bist dir hier nicht einmal sicher, ob du weiblich bist oder gar sein willst.“ Und als ihr Finger zwischen meine Augenbraue leicht die Haut ritzt, weiß ich, dass es kein leichter Weg sein wird und dass es eventuell unmöglich für mich sein könnte.
„Aber wir müssen mit dem arbeiten, was uns das Schicksal vorwirft. Und der Junge hat schon recht … ich bin nicht ganz unschuldig an diesem Zustand. Indirekt. Direkt ist er schuld, sein nichtsnutziger Vater und seine sture Mutter. Liebe … pah. Ein Jucken zwischen den Beinen, das war es!“, plappert sie vor sich hin wie eine geistig Abwesende.
„Was … was meint Ihr damit? Wie könnt Ihr schuld an dem sein, wie ich jetzt bin?“, frage ich vorsichtig. Nicht sicher, ob ich die Antwort wirklich hören möchte.
„Mund halten und mitkommen! Wir fangen mit dem Unterricht an und gehen auf die Suche“, blökt sie mich an.
Ich will etwas sagen, doch so sehr ich es auch versuche, wie weit ich meinen Mund auch aufreiße, es kommt kein Laut heraus. Die verfluchte Hexe hat mir meine Stimme gestohlen. ‚ Ich werde dein Geheimnis schon noch aufdecken . Und wenn ich es aus Logan herausprügeln muss ‘, denke ich so laut ich kann und wackle bedrohlich mit meinen Augenbrauen, balle meine Hände zu Fäusten und folge ihr doch stumm. Nicht einmal meine Füße geben ein Geräusch von sich.
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