Sabina S. Schneider
Von den Göttern verlassen IV
Der Vernichter
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Inhaltsverzeichnis
Titel Sabina S. Schneider Von den Göttern verlassen IV Der Vernichter Dieses ebook wurde erstellt bei
PROLOG
ROSA KINDHEIT
ANSICHTEN EINER STADT
GRAU WIE STEIN
ZIVILISATION
VERDUNKELTE SICHT
DER MASTERPLAN
SONNE UND ERDE
EPILOG
Impressum neobooks
Bewegungslos lag sie in der dunklen Kammer, tief im Teffelofgebirge, in einem Grab, das keine Tote beherbergte, ihr Körper gefangen in dem Augenblick kurz vor ihrem Scheiden. Der Mangel an Sauerstoff ließ den Anwesenden den Kopf schwirren. Zu wenig für elf in dem dunklen Gewölbe. Der Geruch von Stein, Kälte und der Abwesenheit von Zeit erfüllte die Höhle. Das grüne Airenfeuer, erstarrt in der Sekunde, als sich Gelb und Blau begegneten und Licht gebaren, erleuchtete den Raum, der nicht existieren durfte. Und doch würden sie alle hier enden.
Malhim blickte auf das Weiß ihrer Haut und das Schwarz ihrer Haare. Steif lag sie da, wie eine Statue, gehauen in den heiligen Berg einer Rasse, die nicht die seine war. Konnte er sie wirklich hier lassen? Konnte er Serena nicht tot, nicht lebendig in der Tiefe eines Berges lassen, der weder ihr Zuhause war noch seins? Auch wenn sein Verstand wusste, dass dies die einzige Möglichkeit war, wollte sein Herz sich doch nicht von ihr trennen. Die Sehnsucht nach ihr, die ihn zu ihren Lebzeiten verzehrt hatte, war mit ihrem Ableben nicht erloschen.
Sein Herz, das Schuld war an ihrem Untergang und dem ihres gemeinsamen Sohnes und vielleicht an dem der ganzen Landen, schlug schmerzhaft in der zugeschnürten Brust. Als der Schmerz ihn mit dem Schuldbewusstsein marterte, erzitterte sein ganzer Körper. Doch Malhim schluckte ihn herunter. Er war König der Senjyou und als solcher durfte er keine Schwäche zeigen.
Die Stille verschluckte alles. Niemand verabschiedete sich, denn sie würden sich hier in diesem Raum alle wiedersehen. Doch warum hatte Serena die erste sein müssen? Malhim blickte zu seiner Rechten.
Mof hielt mit zitternden Händen einen Anhänger an sein Herz gedrückt, liebkoste ihn wie einen kostbaren Schatz. Sein Freund war in den wenigen Jahren gealtert, obwohl Senjyou nicht alterten. Nicht in diesem Sinne. Doch das Amulett mit den drei Seelen, die es beherbergte, saugte ihn aus. Würde er als Nächstes hier enden und mit ihm Molly, Salmon und Aragar?
Malhims Augen flohen vor den Schatten unter den Augen seines teuren Kameraden und fanden in Arias Moosgrün nur Trauer und Schmerz. Ihre kleine Gestalt war gebeugt. Obwohl sie trotz ihres jungen Alters die Schwere des Airenthrones immer mit gestrecktem Rücken getragen hatte, schien sie unter der Last des Anblicks zu zerbrechen.
Neben ihr stand Krohl. Der Airen hatte, um das Recht, an der Seite seiner Tochter stehen zu dürfen, nicht zu verwirken, seinen Geburtsnamen abgelegt. Durch seine wutentbrannten grauen Augen schimmerte ein Grün, das an Airas Moosfarbe erinnerte. Der Zauber musste erneuert werden, schoss es Malhim durch den Kopf, als sein Blick weiter wanderte und verschreckt auf Larons Gesicht liegenblieb. Verwirrung und Unglaube waren alles, was man in den Zügen des Vostoken, dessen Tochter reglos vor ihm lag, lesen konnte.
Dann verfing sich Malhims Blick in vollkommenem Hass. Armirus‘ Hass auf die, die seine Nichte ermordet hatten. Malhim fühlte, wie ein schwarzer Sturm in ihm wütete, die Bestie, die er in Ketten gelegt hatte, sich an dem Hass labte und mit ihm eins werden wollte. Doch bevor sie sich befreien konnte, sprangen seine Augen weiter zu Mikhael und quälende Liebe und Zorn brachen Malhims Herz und er eilte von steinernen Altären, die all ihre Namen eingraviert hatten, zu den Nächsten in der Runde der Anwesenden, die einen Kreis um sie bildeten.
In Halif Zügen erkannte er seine eigene Hilflosigkeit und in Nadines Trauer, Lauras leuchten vor Liebe und Schmerz. Nur die Züge von Haril waren wie immer kalt und ausdruckslos. Doch seine Hände zitterten. Trauerte seine rechte Hand um die Frau, die in den Augen des konservativen Magiers nie einen Fuß auf Senjyouboden hätte setzen dürfen?
Malhims Blick wurde wieder von der leblosen Gestalt in der Mitte angezogen. Auf ihrem steinernen Altar lag sie da, umgeben von leeren Gräbern. Konnten sie ihre Aufgabe erfüllen, bevor der Letzte seinen Platz in diesem Grabmal der Untoten eingenommen hatte?
Aira stimmte ein leises Summen an und riss Malhim aus seinen Gedanken. Der tiefe Ton der Trauer und der Wut erfüllte den Raum, prallte an den Wänden ab und hallte in ihren Herzen wider. Einer nach dem anderen ging an Malhim vorbei und verließ die unnatürliche Aushöhlung durch den schmalen Eingang. Der Senjyoukönig blieb alleine zurück.
Nachdem seine Augen die kalten Wände abgesucht hatten, blieb ihnen nur der bewegungslose Körper. Erinnerungen an die eine Nacht, in der er Serena zu seiner gemacht und Lucel gezeugt hatte, durchströmten ihn. Erinnerung an die süßen Qualen der Jahre, in denen sie ihm so nahe und doch so unerreichbar gewesen war.
Ohne es zu wollen, war er an ihre Schlafstätte herangetreten und bedeckte ihre Lippen mit seinen. Wie ihr Verhalten zu Lebzeiten, waren sie kalt und hart. Er hatte nicht im Leben die Hitze der Liebe in ihr entflammen können und konnte ihr auch jetzt keine Wärme einhauchen.
Seine Finger krallten sich verzweifelt in die blaue Seide. Blau wie ihre Augen, die nie wieder sehen würden. Seine Hände wanderten ihren Körper entlang. Danach hatte er sich all die Jahre gesehnt. Doch die Haut war hart wie Stein und kalt wie Eis. Als wäre sie nur das Abbild einer Frau, gekonnt von einem Meister in Stein gemeißelt.
Sie war so jung von ihm gegangen. Sie hätte noch 50, 60, vielleicht sogar 70 Jahre vor sich gehabt. Ein Wimpernschlag in dem Leben eines Senjyou. Doch es waren wertvolle Jahre, die ihm mit ihr geraubt worden waren. Zeit, in der sie vielleicht gelernt hätte, seine Liebe zu erwidern.
Malhims Hand strich über ihr Handgelenk hoch über den Unterarm zur Schulter, hin zu ihrem Hals und den schönen Rundungen der Brust, die sich nicht mehr hob. Kurz verweilte seine Hand bei Zerelf, das Amulett des Friedens, das den Landen nur Blut gebracht hatte.
Dann verlor er den Boden unter den Füßen und flog durch die Luft, prallte an die Wand und saugte den Schmerz dankbar in sich auf. Er wollte ihn, hatte ihn verdient. Benommen sah er auf und blickte in Mikhaels funkelnde Augen. Wut, Zorn, Hilflosigkeit und Hass loderten ihm entgegen, doch auch Malhim hasste. Er hasste diese bernsteinfarbenen Augen.
Eifersüchtig blickte er auf die vollen Lippen, die vor Zorn bebten. Hatten sie das genossen, was ihm all die Jahre verwehrt geblieben war? Hatten die Lippen eines anderen Mannes sich leidenschaftlich mit dem Mund der Mutter seines Kindes vereint?
In den 10 Jahren war Serena oft auf Reisen gewesen, hatte Mikhael häufig besucht. Und jedes Mal hatte Malhim gezittert und war vor dem einen Albtraum verfolgt worden, der ihn alleine in die Knie zwingen konnte. Und jetzt war dieser wahr geworden: Serena würde nicht wiederkommen. Nie wieder würde sie zu ihm zurückkommen.
„Niederste Kreatur, die auf dieser Erde kriecht, musst du ihren Körper in Leben und Tod schänden?“ Mikhaels Stimme bebte unter der Wucht seiner Gefühle. Er war wütend auf den Senjyou, war es immer gewesen. Jetzt brach die Wut die Beschränkungen, die er sich um Serenas willen auferlegt hatte, und seine Fäuste landeten im Gesicht des schönen Königs, der die Bestrafung dankbar annahm.
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