»Mein Gegner hat ein wundervolles Pferd«, fuhr Michel fort, »leider habe ich nichts dagegen zu setzen.«
»Oh, das ist nicht wichtig«, ereiferte sich Achmed Serdar, »ich gebe dir das beste Pferd aus meinem Stall, vorausgesetzt, daß Cheir Eddin mit dem Vorschlag einverstanden ist.« »Wenn ich etwas dazu bemerken darf, Achmed Serdar«, schaltete sich Hassan Akef ein, »der Sultan befahl mir, Abu Hanufa nach erfolgreicher Jagd auszurichten,daß ihm Dschesid gehöre, wenn der Gast mit ihm zufrieden war. Und ich denke, der Tataren-Khan war zufrieden.« »Allah beschütze den Sultan und verleihe ihm ewiges Leben«, sagte Michel. »Ich setze also meinen Hengst gegen den Cheir Eddins, wenn dieser einverstanden ist.« »Verdammt«, fluchte Cheir Eddin jetzt, »ich setze alles gegen diese stinkende Kröte ein. Ich scheue keine Kosten und keinen Verlust. Ich werde ihm sein großes Maul Schuß für Schuß verstopfen, daß er gar nicht dazu kommt, die Gegenstände der Wette überhaupt nur zu berühren!«
Michel hatte ihn jetzt, wo er ihn haben wollte.
»Er ist einverstanden, Achmed Serdar«, sagte er, »und da zu einem Pferd und zu einer Flinte auch noch ein guter Pferdebursche gehört, so setze ich meinen Sklaven Horuk gegen die weiße Sklavin ein, die Eddins Roßbursche ist.«
Ringsum verstummte alles. Ein solcher Preis war noch nie gesetzt worden. Die ehrwürdigen Paschas, die sich kein Gewissen daraus machten, einen Sklaven totzupeitschen, fanden den Vorschlag ungeheuerlich. Eigenartigerweise war es in diesem Fall Cheir Eddin selbst, der zustimmte.
»Allah sei gepriesen«, sagte er mit starrem Blick, und Schweiß perlte auf seiner blaß werdenden Stirn, »wenn es mein Schicksal ist, morgen zu sterben, so habe ich wenigstens die Genugtuung, daß ich noch nach meinem Tode gerächt werde. Die Sklavin wird ihm das Leben zur Hölle machen.«
Der einzige, der über diesen Handel bittere Tränen vergoß, war Horuk.
Beim nächtlichen Gelage im Gästehaus war Michel der Mittelpunkt. Viele, die es vorher nicht gewagt hatten, wünschten ihm Glück für den morgigen Tag.
Michel verabschiedete sich ziemlich früh. Morgen würde er seine ganze Kraft brauchen, um den Favoriten der Janitscharen zu besiegen.
Er saß auf dem Diwan in seinem Schlafraum. Ojo hatte seinen Platz gegenüber eingenommen, auf einem großen Kissen.
»Werdet Ihr es schaffen, Senor Doktor?«
»Ich denke schon, Diaz.«
Michel nahm sein Gewehr und überprüfte sorgfältig jeden Teil. Er säuberte die Pfannen, zog die einzelnen Läufe durch, wählte die besten Kugeln aus seinem Beutel und machte alles bereit, so daß er die Muskete morgen nur noch abzudrücken brauchte. Er war dem anderen gegenüber durchaus im Vorteil. Er konnte ruhig zwei, drei oder auch vier Schüsse opfern, ohne laden zu müssen. Cheir Eddin würde zu diesem Zweck wahrscheinlich vom Pferd steigen. »Und was wird aus mir, wenn Ihr verliert, Senor Doktor?«
»Dann mußt du Marina befreien und dich selbst in Sicherheit bringen. Hier in dieser Truhe liegt all unser Geld. Nimm es an dich und versuche auch, Cheir Eddin die Villaverdische Muskete wieder abzunehmen. Er wird sie vielleicht gegen deine Büchse tauschen, weil er doch nicht damit umgehen kann. Wahre auf alle Fälle das Geheimnis des Gewehrs.«
Ojo nickte. Nach einer Weile fragte er:»Die Mannschaft der »Trueno« habt Ihr wohl mittlerweile vergessen, wie?«
»Keineswegs. Es wird meine nächste Aufgabe sein herauszubringen, wo das Schiff liegt und was mit den Leuten geschehen ist. Im Goldenen Horn und im Bosporus habe ich die »Trueno« nicht liegen sehen. Vielleicht ist sie drüben in Skutari.«
»Ihr sprecht, als hättet Ihr gar keine Bedenken, besiegt zu werden«, sagte Ojo. »Bedenken machen unsicher und bringen nichts ein, Diaz. Wir werden schon sehen, wie die Sache ausgeht. Ich möchte jetzt schlafen. Gute Nacht.«
»Buenas noches, Senor Doktor. Ich darf zwar morgen nicht sprechen, aber ich werde an Euch denken.«
»Danke«, sagte Michel. —
»Ein schöner Tag heute«, sagte der Rejs Effendi, als Michel am nächsten Morgen ins Stadion ritt. »Hoffentlich beschert dir Allah noch viele solcher Tage.«
Das Duell hatte mehr Leute angezogen als gestern die Jagd. Das Stadion wimmelte von Paschas, Offizieren, Bejs und sonstigen Gästen. Spannung lag auf allen Gesichtern. »Ich werde es schon überstehen«, meinte Michel zuversichtlich. Aber Achmed Serdar wiegte bedenklich das Haupt.
»Du mußt reiten wie der Teufel und darfst keinen Fehlschuß tun, Hanufa Effendim. Dein Gegner ist der berühmteste Schütze im ganzen Reich. Wenn du nicht sehr großes Glück hast, wirst du nie wieder eine Sklavin ansprechen.«
»Ich weiß, ich weiß, Achmed Serdar. Kannst du mit nicht einiges über Eddins Taktik sagen?« »Nun, er ist dir im Schießen kaum überlegen. Aber sein Hengst ist so fabelhaft dressiert, daß er aufs Wort mitten im Galopp wie ein Felsblock stehenbleibt. Der Reiter stemmt sich dabei mit aller Kraft in die Steigbügel, um durch den plötzlichen Ruck nicht den Halt zu verlieren. Dann
aber hat er eine ruhige Position, um einen sicheren Schuß anzubringen. Wenn die Entfernung nicht größer ist als zweihundert Fuß, so trifft er bestimmt.« »Da gibt es nur eins: ich muß eher schießen.« »Allah rette dich, wenn du nicht triffst.«
Michel lächelte. In diesem Punkt hatte er seine eigene Meinung. Wenn er beim erstenmal nicht traf, würde er eben zum zweitenmal schießen.
In diesem Augenblick ritt der Emir-el-Osman in die Kampfbahn. Mit ihm kamen noch einige dreißig höchste Chargen an. Auf allen Gesichtern lag ein Ausdruck fieberhafter Spannung. Das Feld wurde abgesteckt. In der Mitte etwa stand ein dicker Baum. Von dort aus wurden tausend Schritte nach allen vier Seiten abgemessen. Man legte fest, daß sofort geschossen würde, wenn einer der Gegner aus diesem Feld herausritt. Der Emir-el-Osman hatte zwei Strohhalme in der Hand.
»Ich bitte die Duellanten, je einen zu ziehen. Wer den kürzeren hat, muß dem anderen die Platzwahl überlassen.«
»Entschuldige, Erhabener«, sagte Cheir Eddin, »ich kann keinen Halm ziehen. Dazu müßte ich zu dicht an die stinkende Hyäne herankommen. Meine Nase würde das nicht aushalten. Würdest du die Güte haben und meinen Halm ziehen?«
»Achmed Serdar, würdest du für mich wählen?« fragte Michel. »Ich möchte auch nicht zu dicht an Eddin herankommen, aus Ehrfurcht vor seiner Nase, die so groß und rot ist, als täte er es den Christen nach und tränke jeden Tag ein ganzes Faß Wein.«
Die Umstehenden schienen diese Beschimpfungen für durchaus in der Ordnung zu halten. Achmed Serdar zog den kürzeren Halm. Also hatte Cheir Eddin den Vorzug, daß er sich den Startplatz aussuchen durfte. Das bedeutete, daß Michel gegen die Sonne reiten mußte. Der schwarze Hengst Cheir Eddins wurde gebracht. Es war ein prächtiges Tier, wie man auf den ersten Blick erkennen konnte. Michel sah, daß ihm Dschesid nicht ganz gewachsen sein würde. Was das Reiten betraf, so lag der Vorteil zweifellos beim Herausforderer.
Als die beiden Gegner ihre Plätze eingenommen hatten und neben ihren Pferden standen, ritt der Emir-el-Osman zu dem Baum in der Mitte des Kampffeldes und rief mit lauter Stimme: »Fertig, Cheir Eddin?«
Aus der Ferne kam der dünne Ton der bejahenden Antwort.
»Fertig, Abu Hanufa?«
»Ja!«
Der Emir-el-Osman zog seine Pistole und feuerte den Startschuß ab. Der große Augenblick war gekommen.
Die Pferde stürmten über den Turnierplatz aufeinander zu. Michel hatte die Villaverdische Muskete quer über dem Sattelknauf liegen. In wenigen Sekunden hatten sie sich auf zweihundert Fuß genähert.
Cheir Eddins Rappe stoppte genauso, wie Achmed Serdar es beschrieb. Er hatte nicht übertrieben. Wie ein Fels stand der Hengst. Michels Gegner riß die Flinte hoch. Aber er hatte nicht die Fertigkeit, nach kurzem Zielen abzudrücken.
Читать дальше