Der Schwarze griff sich an den Kopf, um sich die Perücke zu raufen. Da stieß er einen Ruf des Schreckens aus. Das kostbare Stück war verschwunden. Er zog sich an den eigenen, krausen Haaren, um festzustellen, daß er sich auch bestimmt nicht geirrt hatte. Nein, die Perücke war nicht mehr da.
Ugawambi ballte die rechte Faust gegen die Tür. »Ihr Hunde!« schrie er. »Ihr Schufte! Ihr Räuber!« Seine Angst vor den Leuten Imi Bejs war verflogen. Seine Gedanken kreisten einzig und allein um die verlorene Perücke.
18
In einem der prunkvoll eingerichteten Säle des Palastes saß der Gesandte des Imam von Maskat und spielte mit den Siamkatzen des verschollenen Imi Bej.
Im Raum befanden sich äußerem noch drei andere Männer, die ihm an Kostbarkeit der Kleidung nicht nachstanden.
»Kannst du uns nicht volles Vertrauen schenken, Omar Ben Sedelik Emir?« fragte einer von ihnen.
Omar Ben Sedelik — das war der Mann, der Ugawambi gefangen hatte — lächelte und fuhr den beiden Katzen mit dem Zeigefinger über die Nasen.
»So weit gehen meine Kompetenzen nicht, meine Lieben. Seine Hoheit und seine Heiligkeit, der Imam von Maskat, hat mich nicht hierher geschickt, um Ämter eines Gouvernements zu verteilen, das noch gar nicht besteht, sondern nach dem Verbleib Imi Bejs zu forschen. — Seit wann befindet sich der Bej jetzt auf der Expedition in das Innere Afrikas?«
»Seit Mitte vorigen Jahres, Omar Ben Sedelik Emir.«
»Ist das nicht eine etwas zu lange Zeit?« fragte der Emir.
»Du hast recht, Sayd. Sonst pflegte er nicht länger als zwei bis drei Monate fortzubleiben. Es muß sich etwas Besonderes ereignet haben.«
»So, so, und da seid ihr bisher noch nicht einmal von selbst auf die Idee gekommen, dieses schwarze, betrunkene Stinktier zu vernehmen? Schließlich mußtet ihr euch doch irgend etwas dabei denken, daß er zurückkehrte und Imi Be j nicht.«
Die drei anderen sahen zu Boden. Es waren der Sekretär Imi Bejs, sein Schatzmeister und der Verwalter seiner Güter. Der Botschafter des Imam, der jetzt mit den Katzen spielte, war erst gestern abend mit einem Schiff aus Maskat hier angekommen. Sehr unvermutet für die drei, die noch nichts getan hatten, um nach dem Schicksal ihres Herrn zu forschen.
Es war auch nicht reine Menschenfreundlichkeit, die Omar Ben Sedelik veranlaßte, sich um den Verbleib Imi Bejs zu kümmern. Der Grund war vielmehr ein Befehl Harun ál Walans, der seinem Herrn, dem Imam von Maskat, die Säcke mit den Edelsteinen als Präsent Imi Bejs gebracht hatte. Ein Mann, der über solche Quellen des Reichtums verfügte, war aber dem Herrscher so interessant, daß er abermals einen Botschafter nach Sansibar schickte. Omar Ben Sedelik war sehr enttäuscht, als er vernahm, daß seine Reise vergeblich gewesen war. Da er aber wußte, wie dem Imam das Schicksal des Bej am Herzen lag, nahm er sofort die Nachforschungen über dessen Verbleib in die Hand. Und dabei war er auf Ugawambi gestoßen. Und nun saß dieser im Keller und grübelte darüber nach, wo seine Perücke geblieben war.
»Ich muß schon sagen«, fuhr der Emir fort, »daß ich euch nicht gerade für sehr treue Diener eures Herrn halte. Was glaubt ihr, wie lange es dauern wird, bis der Schwarze seinen Rausch ausgeschlafen hat?«
»Soll ich nachfragen lassen?« fragte einer der drei.
Der Emir nickte. Er drückte seine Geringschätzung gegenüber den dreien dadurch aus, daß er, auch während er sprach, nicht einmal aufsah, sondern seine ganze Aufmerksamkeit den beiden entzückenden Siamkatzen widmete. Die Tierchen, seit Imi Bejs Weggang solcher Zärtlichkeiten entwöhnt, dankten ihm mit heftigem Schnurren.
In dem Augenblick, als sich der eine der Bediensteten Imi Bejs entfernen wollte, um nach Ugawambi zu fragen, betrat unter tiefer Verbeugung ein Diener den Raum und meldete, daß der Gefangene erwacht sei.
»Bringt ihn herauf«, befahl Omar Ben Sedelik mit scharfer Stimme.
Es währte nicht lange, so stand Ugawambi vor ihm.
Der Schwarze, respektlos wie er war, dachte nicht daran, einen Kniefall zu vollführen. Er widmete den Anwesenden auch keinerlei Aufmerksamkeit. Er bückte sich vielmehr, um eine der beiden Katzen in seine Arme zu nehmen. Dann ließ er sich Omar gegenüber auf einem Sitzkissen nieder und streichelte das weiße Tierchen mit dem schwarzen Gesicht.
»Was bist du für ein süßes Vieh«, sagte er. »Du hast eine so schöne helle Farbe; aber ein schwarzes Gesicht wie Ugawambi. Ja, ja, es ist mit dir wie mit uns Schwarzen, die in Madagaskartown wohnen. Wir sind auch zur Hälfte schwarz und zur Hälfte weiß. Außen haben wir ein schwarzes Fell; aber im Kopf, da drinnen, wo das Gehirn sitzt, da sind wir weiß. Nur beschäftigt sich niemand so mit uns wie mit euch. Es ist keiner da, der uns streichelt.«
Sinnend betrachtete er die blauen Augen des Kätzchens.
Omar Ben Sedelik war von seinem Diwan hochgeschnellt wie von einer Tarantel gestochen. Was wagte dieser Negerhund?
Er wollte schreien. Aber da vernahm er, wie der Schwarze mit dem Tiere sprach. Und da alle Araber an der Küste auch Kisuaheli verstanden, so lauschte Omar ungewollt den Worten. Dann aber übermannte ihn der Zorn.
»Bist du nicht bei Sinnen?« schrie er Ugawambi an.
Der blickte zu ihm auf, ruhig, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen.
»Weshalb ereiferst du dich so? Hab keine Angst, ich tue deinen Katzen nichts.«
Omar schnaufte. Daß der Neger es wagte, ihn so respektlos anzusprechen, brachte ihn aus der Fassung.
»Knie nieder, Mensch, wenn ich mit dir spreche.«
Ugawambi setzte die Katze behutsam auf die Erde. Dann erhob er sich. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem breiten Grinsen.
Er tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn und meinte:
»Ich bin nicht dein Untertan! Knie selbst auf der harten Erde, wenn es dir Spaß macht. Was willst du eigentlich von mir?«
Die drei Bediensteten Imi Bejs, die noch immer im Zimmer waren, hatten Mühe, sich eines Lachens zu erwehren. Und obwohl auch in ihren Augen ein Neger tiefer stand als ein Tier, so freuten sie sich innerlich doch darüber, daß dem arroganten Omar hier eine Abfuhr erteilt wurde, die er wahrscheinlich sein Leben lang nicht vergessen würde.
Omar Ben Sedelik sah hilflos zu ihnen hinüber. Er wußte tatsächlich nicht, wie ihm geschah.
Und Ugawambi erreichte das, was er mit seiner verblüffenden Frechheit noch immer erreicht hatte. Man machte gute Miene zum bösen Spiel und tat so — wenigstens vorübergehend —, als betrachte man ihn als gleichwertigen Gesprächspartner.
Omar gab sich einen Ruck und fragte mit ruhiger Stimme :
»Ich möchte von dir wissen, was aus deinem Herrn, Imi Bej, geworden ist.«
»Meinem Herrn?« fragte Ugawambi. »Wie kommst du darauf, Imi Bej meinen Herrn zu nennen?«
»Nun, er war doch dein Herr. Er hatte dich doch als Führer seines Sklavenzuges engagiert.«
»Er war weder mein Herr, noch hat er mich engagiert. Es stimmt wohl, daß ich ihn geführt habe, aber ich war sein Geschäftspartner und sollte fünfundzwanzig Prozent des Gewinns erhalten.«
Omar starrte ihn ungläubig an.
»Das ist doch nicht dein Ernst?«
»Und ob das mein Ernst ist.«
»Hm.«
»Du brauchst gar nicht so ungläubig »hm« zu machen. Es war so, wie ich es sage. Aber dein Freund Imi Bej war ein schlechter Geschäftspartner. Als ich ihn weit genug geführt hatte und er glaubte, er würde den Rest des Weges von selbst finden, ließ er mich von seinen verdammten Sklavenjägern wegjagen. Der Teufel hole ihn. Hoffentlich bricht er sich das Genick.«
»Was fällt dir ein, Schwarzer! Du sprichst von einemder vornehmsten und mächtigsten Männer von ganz Sansibar!«
»Wenn alle Vornehmen solche Betrüger sind, dann danke ich für die Vornehmheit.«
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