Jetta Schapiro-Rosenzweig - Sag niemals, das ist dein letzter Weg

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Sag niemals, das ist dein letzter Weg: краткое содержание, описание и аннотация

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Jetta Schapiro-Rosenzweig wurde als Tochter einer wohlhabenden Familie in Wilna geboren. Als die Stadt 1939 von sowjetischen Truppen erobert wurde, war Jetta schon mit Jascha Schapiro verheiratet und hatte mit ihm eine Tochter – Tamar. Im Herbst 1940 beschlagnahmten die Sowjets ihre Wohnung, und so kam die Familie auf Umwegen nach Ponar, in der Nähe von Wilna. Dort wurden sie Zeugen des deutschen Einmarsches und der Ermordung vieler Wilnaer Juden. Ihr Kampf ums Überleben begann: Flucht aus Ponar, Versteck in einem Kloster, Transport ins Wilnaer Ghetto. Mit der Auflösung des Ghettos zerbrach die Familie. Der Vater kommt ins KZ, die Mutter kann flüchten. Nach 1945 kehren beide nach Wilna zurück und erfahren, dass der Vater im KZ ermordet wurde.
Tamar Dreifuß, ihre Tochter, hat diese Aufzeichnungen für das hier vorliegende Buch 'Sag niemals, das ist dein letzter Weg' aus dem Jiddischen übersetzt.

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Unter dem Titel »Auch wir waren in Ponar - Bekenntnisse einer Wilnaerin« erschien in Israel eine hebräische Ausgabe des gleichen Urtextes von J. Schapiro-Rosenzweig

©Beit Lohamei Haghetaot

Mit freundlicher Genehmigung für den deutschsprachigen Raum

© 2001

e-book-Ausgabe 2020

RHEIN-MO­SEL-VER­LAG

Brandenburg 17, D-56856 Zell/Mosel

Tel. 06542/5151, Fax 06542/61158

www.rhein-mosel-verlag.de

Alle Rech­te vor­be­hal­ten

ISBN 978-3-89801-905-7

Aus­stat­tung: Stefanie Thur

Umschlagzeichnung: Samuel Bak

Jetta Scha­pi­ro-Ro­sen­zweig

Sag niemals, das ist dein letzter Weg

Flucht aus Ponar – Eine Mutter und ihre kleine Tochter kämpfen ums Überleben

Aus dem Jiddischen von Tamar Dreifuß

Rhein-Mo­sel-Ver­lag

Dieses Buch widme ich meiner Mutter selig und meinen beiden Kindern Iris und Raphael.

Vorwort

Vie­le Stun­den habe ich mit der Über­set­zung die­ses Bu­ches mei­ner Mut­ter »Auch wir wa­ren in Po­nar« ver­bracht. Die gan­ze Zeit habe ich die Ge­stalt mei­ner Mut­ter vor mir ge­se­hen. Eine zier­liche blon­de Frau mit blau­en Au­gen. Eine »ari­sche« Frau. Ihr Aus­se­hen und ihre Rus­sisch­kennt­nis­se stan­den ihr bei. Ihr Le­bens­wil­le und ihre ei­ser­ne Kraft ha­ben dazu bei­ge­tra­gen, dass wir trotz al­lem am Le­ben ge­blie­ben sind. Ich bin ihr zu Dank ver­pflich­tet. Dass ich heu­te ein Le­ben in ei­ner in­tak­ten Fa­mi­lie ge­nie­ßen kann, ist nur Dank ih­res Mu­tes und Durch­set­zungs­ver­mö­gens mög­lich ge­wor­den.

Es be­stand eine sehr enge Be­zie­hung zwi­schen uns. Ob­wohl ich nach mei­ner Hei­rat Is­ra­el ver­ließ, wur­de die­se Be­zie­hung nicht un­ter­bro­chen. Wir ha­ben uns fast täg­lich ge­schrie­ben, sind öf­ter zwi­schen Deutsch­land und Is­ra­el hin und her ge­flo­gen und ha­ben län­ge­re Zeit mit­ein­an­der ver­bracht. Ich war mehr in Is­ra­el als sie in Deutsch­land. Der Be­such hier war im­mer mit Er­in­ne­run­gen ver­bun­den, die sie mög­lichst ver­mei­den woll­te. Ihre Er­leb­nis­se im Krieg ha­ben tie­fe Spu­ren hin­ter­las­sen. Nicht nur see­li­sche, auch kör­per­li­che: Herz, Ma­gen, Rheu­ma. Dies und noch mehr plag­te sie bis an ihr Le­bens­en­de.

1985 er­hielt ich ei­nen An­ruf von mei­ner Tan­te, dass bei­de El­tern sich im Kran­ken­haus be­fän­den. Von ei­nem Tag zum an­de­ren buch­te ich ei­nen Flug nach Is­ra­el. Ich sah ein, dass die ein­zi­ge Lö­sung dar­in be­stand, sie zu mir zu neh­men und hier zu pfle­gen.

Es fiel ih­nen nicht leicht, Is­ra­el zu ver­las­sen, doch es gab kei­ne Al­ter­na­ti­ve. Ich habe mei­ne Mut­ter fast drei Jah­re ge­pflegt. Zum Schluss sieg­te die Krank­heit über sie und sie ver­starb in mei­nen Ar­men am 30. Ok­to­ber 1987. Mein Stief­va­ter leb­te da­nach noch 10 Jah­re bei uns. 1997 ist er mit 95 Jah­ren ver­stor­ben. So ging bei uns eine Epo­che zu Ende.

Ich bin froh, dass ich mit mei­ner Mut­ter we­nigs­tens die letz­ten Jah­re ver­brin­gen konn­te. Das Le­ben hier in Deutsch­land hat sie nicht mehr sehr ge­stört. Sie war glück­lich, mit ih­rer Toch­ter, ih­ren En­kel­kin­dern und ih­rem Schwie­ger­sohn zu­sam­men zu sein.

Ich bin froh, dass sie die­ses Buch ge­schrie­ben hat und dass ich es über­set­zen durf­te. So wird sie bei vie­len in Er­in­ne­rung blei­ben und viel­leicht dazu bei­tra­gen, dass sich die­se Ge­scheh­nis­se nicht wie­der­ho­len.

Tamar Dreifuß

Jetta Schapiro-Rosenzweig

Mei­ne Er­in­ne­run­gen, die ich schil­dern möch­te, um­fas­sen die Zeit von 1941 bis 1944. Ich möch­te, dass mei­ne Ge­ne­ra­ti­on und auch die Nach­fah­ren die­se Überlebens-Erinnerungen ken­nen­ler­nen. Sie dür­fen nicht in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten.

Am Ende des Zwei­ten Welt­kriegs war mei­ne Hei­mats­tadt Wil­na zer­stört. Es war nicht mehr mein Wil­na – das jü­di­sche Wil­na gab es nicht mehr; auch die Fa­mi­lie von da­mals gab es nicht mehr. Mei­ne Toch­ter Ta­mar und mich hat­te das Schick­sal üb­rig ge­las­sen. Zu­sam­men sind wir durch die Höl­le ge­gan­gen und zu­sam­men ha­ben wir über­lebt. Zwar fan­den wir mei­ne Schwes­ter Mi­zia und ih­ren Sohn Samek bei unserer Tan­te Jan­ni­na – von ihr wer­de ich viel zu er­zäh­len ha­ben – doch wir er­fuh­ren, dass Jo­nas, der Mann von Mi­zia, kurz vor der Be­frei­ung von der Ge­­sta­po hin­ge­rich­tet wor­den war. Mir wur­de zu­ge­tra­gen, dass mein Mann Ja­scha in ei­nem der deut­schen Kon­zent­ra­ti­ons­la­ger ums Le­ben ge­kom­men ist.

We­nig spä­ter gin­gen wir nach Po­len. Dort habe ich Sig­mund Ro­sen­zweig ken­nen­ge­lernt. Er ver­lor wäh­rend des Krie­ges sei­ne Frau, sei­nen Sohn und sei­ne Toch­ter. In ihm fand Ta­mar ei­nen lie­be­vol­len Va­ter. Nach kur­zer Zeit hei­ra­te­ten wir, und ge­mein­sam mit mei­ner Schwes­ter und ih­rem Sohn zo­gen wir nach Is­ra­el.

Ich will im fol­gen­den ver­su­chen, ei­ni­ges von den vie­len grau­en­vol­len Ge­scheh­nis­sen je­ner Zeit zu schil­dern. Nur ein klei­ner Teil da­von kann hier zur Spra­che kom­men, es ist nur ein win­zi­ges Stück des Gan­zen, trotz­dem maß­ge­bend für die­se Epo­che.

Der Anfang: Von Wilna nach Ponar 1941

Mei­ne Hei­mat war Wil­na, eine pol­ni­sche Stadt nahe der li­tau­i­schen Gren­ze. Wil­na ist auch be­kannt un­ter dem Na­men »Je­ru­sa­lem De­li­ta«. In un­se­rem Wil­na er­hiel­ten sich vie­le all­täg­li­che jü­di­sche Ge­bräu­che und volks­tüm­li­che Wer­te. Nicht nur die Eli­te konn­te sich mit ih­rem Na­men rüh­men, auch der ein­fa­che Mensch konn­te sich dort ent­fal­ten. Das be­son­de­re an Wil­na spie­gel­te sich in den Ge­sprä­chen zwi­schen den Holz­fäl­lern auf dem Holz­markt, auf dem Schul­hof in der Ju­den­ga­sse, in ei­ner der Syn­ago­gen, es war das saf­ti­ge Wil­na­er Jid­disch.

1941 war Li­tau­en schon von der Sow­jet­uni­on ein­ge­nom­men wor­den und Deutsch­land hatte Po­len schon ganz er­obert. In die­sem Jahr brach der Krieg zwi­schen Deutsch­land und der Sow­jet­uni­on aus.

Jetzt, da ich den Ver­such un­ter­neh­me zu schil­dern, was wir er­lebt ha­ben, so­wohl in Wil­na, un­se­rer Ge­burts­stadt, als auch in Po­nar, wäh­rend un­se­rer Wan­de­run­gen in der Frem­de, er­scheint es so­gar für mich, ob­wohl ich al­les tat­säch­lich er­lebt habe, schwer zu glau­ben, dass es in Wirk­lich­keit ge­schah.

Beim Er­zäh­len wird sich hier und da ein Bild ein­schlei­chen von den gu­ten Zei­ten in der schö­nen Land­schaft rund um Wil­na, mit ih­rem Hü­geln rings­her­um, dem Wilia-Fluss, den Brü­cken und Strän­den. Nicht zu ver­ges­sen die Wangerskastraße ne­ben dem Bäumemarkt (Holz­markt). Dort habe ich eine glück­li­che Ju­gend in ei­nem an­ge­se­he­nen jü­di­schen Haus verbracht.

Die Ei­gen­art des Hau­ses be­stimm­ten Va­ter und Mut­ter, je­der eine Per­sön­lich­keit für sich. Be­son­ders stark ist die Er­in­ne­rung an das Jahr 1940, an die Fes­te Pu­rim und Pes­sach1. Sie ver­kör­pern für uns eine Epo­che, die lei­der zu Ende ging. Das Pu­rim­fest (ähn­lich dem Kar­ne­val) war für uns et­was Be­son­de­res. Die Ge­burts­ta­ge so­wohl mei­ner Schwes­ter Mi­zia als auch mei­nes Bru­ders Je­rach­miel, der da­mals schon in Palästina lebte, der Hoch­zeits­tag der El­tern und der Ge­burts­tag mei­ner Toch­ter fie­len alle auf die­sen Zeit­punkt. Der Ur­sprung des Fes­tes – Ha­mans Nie­der­gang und die Ret­tung Mor­de­chais und des Jü­di­schen Vol­kes in Per­sien – die­ses Wun­der aus der Es­ter-Rol­le konn­te ein his­to­ri­sches Zei­chen mit hoff­nungs­vol­ler Be­deu­tung für die Zu­kunft sein.

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