Einer der Lastwagenfahrer hat dir einen Deal angeboten: Ihr würdet darum spielen, dass du dich hinter das Steuer seines Lastwagen setzen könnest. Um eine Runde auf dem Gelände zu fahren, müsstest du das Spiel gewinnen. Ihr habt in der Fahrzeugkabine Karten gespielt. Jeder von euch hat seine Karten auf dem Sitz zwischen euch ausgespielt, er hat beim Steuer gesessen und sich auf die rechte Seite gedreht, du bist ihm gegenüber gesessen, bei der rechten Vordertür des Lastwagens. Er ließ sich beim Kartenspielen nicht kampflos schlagen, du musstest wirklich gewinnen, um zu deiner Fahrt zu kommen. Es war ein bekanntes und auch für Kinder einfaches Kartenspiel, man musste bluffen, um zu gewinnen, du hattest dieses Spiel auf der Straße deiner Großmutter gelernt, du hattest es einige Hundert Male mit deinen Straßenkameraden gespielt. Es gab zweiunddreißig Karten. Jeder von euch hatte zu Beginn vier Karten in der Hand, einer von euch legte eine Karte auf den Spielteppich, der aus einem Wäschestück des Chauffeurs bestand, dann legte der andere eine Karte obendrauf. Man musste dieselbe Karte wie der Gegner haben, oder ihn übertrumpfen, auf diese Weise ging die Runde an einen der Spieler. Dann ging das Spiel weiter, jeder nahm eine neue Karte vom Stapel, die zwischen euch lag.
Du hast selten gewonnen, du verbrachtest Stunden mit Kartenspielen, ohne einmal das Steuerrad des Lastwagens angefasst zu haben, du hast dich mit dem Fahrer unterhalten, und ihr habt geschwitzt in der Hitze seiner Führerkabine, deren Türfenster heruntergekurbelt waren. Von Zeit zu Zeit sagte er, «ich werde ein Stück vorfahren, in den Schatten!», und hat den Motor in Gang gesetzt. Er hat seinen Lastwagen in den Schatten gefahren, und ihr habt das Spiel wieder aufgenommen. Manchmal musstet ihr euer Kartenspiel mittendrin unterbrechen, der Chauffeur hat den Motor gestartet, hat dir gesagt, dass du aussteigen sollst, und ist etwas erledigen gegangen, für die Baustelle, er ist Backsteine oder Zement aufladen gegangen. Du kanntest alle Lastwagenfahrer, die auf der Baustelle deines Vaters arbeiteten, und dein Vater hat nie erfahren, dass einer seiner Fahrer dir einen Deal vorgeschlagen hat, damit du dich hinter das Steuer seines Fahrzeuges setzen konntest, auf dem Gelände. Du kanntest alle Unebenheiten des Terrains, auf dem du das Steuerrad des Lastwagens übernehmen durftest. Es gab Schlaglöcher, und manche Stellen waren mit gelblichen Grasbüscheln bedeckt. Du bist über Steine gefahren, die groß wie Gänseeier waren, du hast versucht, mit den Rädern des Lastwagens über die trockenen Äste zu fahren, die auf diesem Gemeindegrundstück, das nur als deine Fahrlernpiste und als Durchfahrtsweg für die Dorfeinwohner diente, verstreut lagen.
* * *
Ich schaue ihr in die Augen, sie misst mich mit ihren Augenlidern, sie legt ihre Augenlider an mein Gesicht, und ich werde verschluckt von ihren Wimpern und ihren Pupillen, und die Farbe ihrer Augen breitet sich in mir aus wie ein Feld, sie hat grüne Augen, es ist ein Grün mit grauen und blauen Sprenkeln, sie schaut mich noch immer an, sie fixiert mich.
Ich nehme ihre Augen in die meinen auf, sie taucht in mich ein, ich bekomme keine Luft mehr, ich möchte außerhalb ihrer Augen einen Weg einatmen, eine Straße, einen Ausweg, der zur Ruhe führt, ihre Augen eine Flasche Wein, eine Schubkarre wie eine Hängematte, ein Bett wie ein Weingarten, sie schaut mich weiter an, ihre Augen insistieren, sie durchbohren meinen Blick, meine Hellsichtigkeit, meine Losgelöstheit von der Welt geht durch sie hindurch.
Ich weiß nicht, ob sie mich sieht, ich weiß nicht, was sie in mir sieht, ich sehe sie ganz nahe vor mir, sie auf einem Stuhl, ich auf einem anderen Stuhl, wir schauen uns an. Sie ist so nahe, dass sie mit einer Hand mein Bein berührt, ihre Finger haben eines meiner Beine ergriffen, und ich schaue ihr noch immer in die Augen, die leuchten wie Hemdknöpfe in einem Fertiglinsengericht. Sie streicht mit ihrer Hand über mein Bein, sie kommt näher, ich spüre, wie sie mich in eine andere Welt stößt, es gibt Welten, denen ich nicht angehöre, diese Welten gehören ihr und anderen, ich möchte nicht in eine andere Welt gehen, sie erfasst mich mit ihren Augen, ich erkenne sie wieder, sie ist diejenige, die vor mir, mit mir und neben mir «waschbaren Brustprotektor» getragen hat. Für die Kleine hat sie es getan. Die Große war nie an der Brust, die Kleine hängt immer an den Brüsten ihrer Mutter, sie ist meine Frau, und sie hat ihre waschbaren Brustprotektoren getragen, deren primäre Funktion ist: «Absorbiert den Milchausfluss und schützt die Kleider.»
Ich sehe, wie sie mich anschaut, und ich habe sie ihre Brüste anschauen sehen, während sie die Kleine gestillt hat, «weich, zuverlässig und ästhetisch» das Ding, das sie über mehrere Monate hinweg getragen hat, ihre Augen müssen an diesem Ding hängengeblieben sein, sie schaut mich mit all den Dingen ihres Lebens an, ich merke, dass sie bettelt, sie verlangt nach Luft für sich: «luftdurchlässig».
Ich sehe sie in ihren Augen und in ihren Gesten, die sie aufstehen und zu mir herkommen lassen, ich weiß, dass sie sich auf meine Knie setzen wird, sie liebt es, auf meinen Knien zu sitzen, sie und ich, eng beieinander, sie auf meinen Beinen und mit ihren Armen um mich geschlungen, wir werden uns, «Einheitsgröße, perfekter Halt», dieses Dings bewusst, das ihr dazu gedient hat und noch immer dient, die Kleine zu stillen.
Sie schmiegt sich an mich, ihr Gesicht und ihre Augen liegen an meinem Hals, sie umarmt mich, ich spüre sie vibrieren wie ein Blatt Papier vor dem laufenden Staubsaugerrohr, sie atmet mich ein, ich atme sie ein, ein anderes Detail: «Erhältlich in Apotheken und Drogerien zu Packungen à 4 Stück».
Ich fasse an ihre Hüften, ich fasse an ihre Hüften und an ihre Pobacken, sie mag es nicht besonders, wenn ich ihr an die Pobacken fasse, sie fährt mit ihrer Hand über meinen Rücken, meine Schultern, sie sitzt auf mir, rittlings auf meinen Knien auf einem Stuhl sitzen wir. Ich küsse sie, und sie küsst mich, die Große und die Kleine spielen in ihrem Zimmer, sie lachen und kreischen in ihrem Spiel, sie und ich, gegeneinander gelehnt, wie eine angezündete Zigarette verzehren wir einander.
Ihre Augen, die denen meiner Frau gleichen, sie taucht sie ein und lässt sie an meinen Augen zehren, sie nähert sich meinem Körper, sie stößt mich weg, sie zieht mich zu sich hin, sie redet mich mit ihrer Stimme an und sagt: «Vor dem ersten Gebrauch Brustprotektoren bei 60° C waschen». Ich weiß nicht, ich weiß nicht mehr, ob wir diese Dinger gemäß der Bedienungsanleitung gewaschen haben, ich weiß nicht, ob die Kleine ein Kind der Welt der Bedienungsanleitung ist, ich weiß nicht, ob das Leben eine Art Bedienungsanleitung ist, ich weiß es nicht, sie weiß es nicht, wir wissen es nicht.
* * *
Deine Mutter ist hier, im Hof des Hauses der Frau deines Vaters. Sie sitzt auf einem Stuhl in der Ecke des Hofes, und sie hat Tränen in den Augen. Seit sie angekommen ist, sitzt sie in dieser Ecke des Hofes und schaut die Leute an, die an ihr vorbeigehen, und sie weint. Deine Mutter ist heute Morgen angereist, um hier zu sein, sie ist im Zug angereist, um am Begräbnis deines Vaters zugegen zu sein. Sie ist schwarz gekleidet, wie die meisten Frauen in diesem Hof, sie sitzt auf dem Stuhl und weint, und sie schaut dir zu, wie du mit denen redest, die dich ansprechen und dir Fragen stellen über dich und deinen Vater, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Deine Mutter weiß, dass du nie mit ihr zusammenleben wirst. Sie weint, und sie denkt, dass du nicht mehr bei deinem Vater leben wirst, und sie will verstehen, weshalb dein Vater in einem Lastwagen gestorben ist, der Backsteine transportiert hat, die für den Bau von zwei Zimmern für dich gedacht waren, im Hof des Hauses der Frau deines Vaters. Du siehst deine Mutter auf diesem Stuhl sitzen, und du gehst zu ihr hin, und du bleibst vor deiner weinenden Mutter stehen, und du siehst, wie sie ihr Gesicht in ihre offenen Hände legt, und der Kopf in ihren Händen legt sich auf ihre Knie, und du siehst den gekrümmten Rücken deiner schluchzenden Mutter, und ihre schwarzen Haare fallen über ihre Beine und verdecken ihr Gesicht und die Hände. Du umfasst den Rücken deiner Mutter mit deinen Armen und legst deinen Kopf auf den gekrümmten Rücken deiner Mutter, die auf diesem Stuhl hockt in einer Ecke des Hofes, und du hörst deine Mutter weinen, und ihr bleibt eine Weile so sitzen, und deine Mutter beugt ihren Rücken auf dem Stuhl zurück, und du siehst sie mit ihren Händen die Tränen wegwischen, und sie fängt an zu lachen und sagt, «wenn Gott es so gewollt hat, dass du ohne deinen Vater und weit weg von mir lebst, dann sollst du so leben!» Und sie lächelt dich weiter an und nimmt dich in die Arme und küsst dich auf die Stirn und sagt: «geh zu deinem Vater!»
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