Klaus Dörner - Bürger und Irre

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Wie geht die bürgerliche Gesellschaft mit denen um, die, gemessen an ihrem Begriff der Vernunft, unvernünftig sind? Klaus Dörner zeigt die Tatsache und die Gründe, warum die bürgerlichen Gesellschaften in England, Frankreich und Deutschland erst im Zusammenhang mit der industriell-kapitalistischen Revolution ihre psychisch Kranken als «die Irren» wahrnahmen: eine reich dokumentierte Geschichte der Psychiatire-Geschichtsschreibung, mit kritischem Überblick der klassischen Werke und ihrer Tendenz. «Bürger und Irre» war seit seinem ersten Erscheinen 1969 bahnbrechend bei der Entstehung der Psychiatriebewegung in der Bundesrepublik und in Italien. Die zahlreichen Einzeluntersuchungen, die in der Folge entstanden, die Übersetzungen in alle europäischen Sprachen zeigen, dass die Wirkung dieses Werkes ungebrochen ist. «Solange psychisch Kranke bestenfalls nur den halben Pflegesatz im Vergleich zu körperlich Kranken zugesprochen bekommen, dauert die ungleiche Auseinandersetzung zwischen 'Bürgern' und 'armen Irren' an.» Klaus Dörner

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Mit dieser Entwicklung der Hysterielehre ist nun ein Teil der ausgegrenzten Unvernunft – namentlich der der Leidenschaften – als wesentlicher Bestandteil der bürgerlichen Gesellschaft akzeptiert, und zwar nicht mehr nur als von der Rationalität zu beherrschendes gefährliches Übel, sondern als durch innere Sicht erkennbare körperlich-sozial-moralische und eigenständig wirkende Kraft. Vom rationalen Aspekt der englischen Aufklärung ist dieser romantische seit der Revolution kaum zu trennen (Sydenham, Shaftesbury). 27aDie »hysterical passions« sind ein körperlicher Indikator für Genius und Originalität des Individuums wie für handelskapitalistischen Reichtum – bald auch für Freiheit – der Gesellschaft, aber zugleich für den Grad an Labilität und körperlich-moralischem Leiden, der als Preis dafür zu zahlen ist. Die Spekulationen und der Zusammenbruch der Südsee-Kompanie von 1720, der »South Sea Bubble«, wurde zum paradigmatischen Ereignis. Es brachte die rational schwer erklärbare ärztliche Erfahrung, daß mehr Patienten zur Behandlung kamen, »whose heads were turned by the immense riches which fortune had suddenly thrown in their way, than of those, who had been completely ruined by that abominable bubble. Such is the force of insatiable avarice in destroying the rational faculties.« 28Ähnliches besagt das Staunen Montesquieus darüber, daß die Engländer – im Vergleich zu den Römern – ohne einleuchtenden Grund Selbstmord begehen, selbst auf dem Gipfel des Glücks. Es ist die soziosomatische Gesetzmäßigkeit der Hysterie, die verlangt, ihr mit therapeutischen Mitteln zu begegnen, die denselben Gesetzen entsprechen; denn die Zeiten sind vorbei, in denen hier eine zu sühnende religiöse Schuld vermutet wird. Hysterie und Spleen sind aber ebensowenig vom Körper bzw. von der Gesellschaft abtrennbare »imaginary Whims or Fancies«: es ist hier schlechterdings unmöglich, durch Reden einen Irrtum rational aufzuklären, »to counsel a Man [...], tho’ never so eloquently apply’d«. 29Die Hysterie zeigt dem Individuum wie der Gesellschaft an, daß es nun möglich, aber auch notwendig ist, reflexiv sich selbst zu behandeln, die Stabilität der Bewegungen selbst zu regulieren. Die Stabilität kann nur relativ sein, da sie nicht durch äußere Autorität verliehen wurde, sie darf es nur sein, da von dem Maß garantierter Labilität individuelle Originalität auf der einen Seite, das Bewegungsspiel der Öffentlichkeit, Handel und Reichtum auf der anderen abhängen. Nur so kann es zu befriedigender Stärke und Lebendigkeit der »animal spirits« wie des »public spirit« kommen in der sich modernisierenden Gesellschaft.

c) Ausgriffe auf die Unvernunft

Ist so die Unvernunft der Hysterie in die bürgerliche Öffentlichkeit nicht nur integriert, vielmehr sogar fast mit ihr identifiziert, so bleibt doch auch die Ausgrenzung der Unvernunft – der Armut und des Irreseins – keine absolute mehr. Dem Publikum der Subjekte erscheint auch diese Grenze nicht mehr als objektive und haltgebende. Dieser Prozeß beginnt sehr allmählich. Die »poor lunaticks« werden zunächst kaum für die Medizin sichtbar, eher an ihrer theoretischen und praktischen Peripherie. Aber auch hier ist es eine Bewegung der gleichzeitigen Differenzierung und Identifizierung. Locke sieht sich hierzu gelegentlich seiner Untersuchung über den menschlichen Verstand (1690) veranlaßt, zu der er sich bezeichnenderweise dadurch freies Feld schafft, daß er die Frage nach den körperlichen Bedingungen (»animal spirits« o. ä.) für das Zustandekommen der Empfindungen und Ideen ausklammert. Erst durch diesen Verzicht kommt er zu einer repräsentativen Definition des eigentlichen Wahnsinns und zu dessen Unterscheidung vom Blödsinn. Danach gilt für Irre, Madmen: »having joined together some Ideas very wrongly, they mistake them for Truths« ; und es liegt »the difference between Idiots and mad Men, that mad Men put wrong Ideas together, and so make wrong Propositions, but argue and reason right from them: But Idiots make very few or no Propositions, but argue and reason scarce at all.« 30Frei von einem somatischen Erklärungsschema kommt Locke aber auch zu der identifizierenden Annahme, daß sein Begriff der »madness«, die falsche Ideenverknüpfung, auf alle Menschen gelegentlich anzuwenden sei. Sie sind dann in dieser Hinsicht von Bedlam-Insassen nicht zu unterscheiden. Solche falschen Assoziationen kommen vor allem durch Fixierung von Gewohnheiten zustande, wodurch Anti-und Sympathien entstehen. Nur für diesen Vorgang läßt Locke eine Erklärung durch die »spiritus animales« gelten. Insofern wird Unvernunft, »something unreasonable«, in die menschliche Vernunft hineingenommen. Bei andauernder falscher Verfestigung, »when this Combination is settled«, wird die Vernunft ohnmächtig, da die Ideen nun eine eigene Natur entfalten; hier kann nur noch die Zeit heilen. 31

Defoe (1697) unterscheidet Irre und Idioten danach, ob sie die Vernunft verloren haben oder ohne sie geboren sind. Hier ist die Absicht indessen praktisch. Seinem reinen Vernunftglauben sind die Idioten (»Fools«, »Naturals«), also der abstrakte Gegensatz der Vernunft, gleichsam näher als die Irren. So fordert er in einer Zeit, in der noch keineswegs für die Irren gesorgt war, ein »Fool-House«. Die Verwirklichung dieses Plans benötigte exakt 150 Jahre. Schöne utopische Aufklärung ist auch seine Vorstellung über die Träger der laufenden Kosten: es sollen die sein, denen die Natur oder Gott nicht weniger, sondern mehr Vernunft als den übrigen Menschen gegeben hat. Gerade diese sollen ihres Vorteils (und ihres damals hohen Ansehens und Einkommens) wegen für die Vernunftlosen sorgen wie für jüngere Brüder, denen kein Erbe zuteil wurde, »tho’ they are useless to the Commonwealth«. Durch Parlaments-Act soll das notwendige Geld »be very easily rais’d, by a Tax upon Learning, to be paid by the Authors of Books«. 32Freilich gehört Defoe auch zu den ersten, die gegen die »private Mad-Houses« protestieren, gegen die unkontrollierte Art, wie hier Menschen als Zahlende und als Arbeitskräfte ausgebeutet und geschlagen werden konnten, und gegen die Benutzung dieser Häuser durch Bürger »among the better Sort« mit dem Zweck, hier ihre mißliebigen Ehefrauen auf Zeit oder für immer verschwinden zu lassen. Daher fordert Defoe 1707 und 1728 von der »Civil Authority« daß »all private Mad-Houses should be suppress’d at once. [...] For the cure of those who are really Lunatick, licens’d Mad-Houses should be constituted in convenient Parts of the Town, which Houses should be subject to proper Visitation and Inspection, nor should any Person be sent to a Mad-House without due Reason, Inquiry and Authority«. 33Gleichsam die Gegen-Utopie liefert J. Swift. Gegen damals allzu abstrakte Projekte wie die Idiotenanstalt Defoes mag in Gullivers Reisen Laputa geschrieben sein, das Reich der Raumverteiler, Projektemacher und der die Menschen überfordernden Rationalisten, die dabei die Wirklichkeit verkommen lassen. 34Dagegen ist Swift gegenüber Defoes bloßem Plan der Unterhaltszahlung für die Idioten durch die Literaten wirklich praktisch: er läßt sich nicht nur 1714 zu einem der »Governors of Bethlem« wählen, sondern stiftet auch sein Vermögen zur Errichtung einer ersten Irrenanstalt in Irland, mit deren Bau in der Tat 1746, ein Jahr nach seinem Tod, begonnen wurde. Er schrieb hierfür – in Anspielung auf die Ansichten Blackmores und Cheynes – seinen eigenen Epitaph:

»He gave the little Wealth he had,

To build a House for Fools and Mad;

And shew’d by one satyric Touch,

No Nation wanted it so much.« 35

Swifts Gegen-Utopie geht aber weiter. Er verkehrt die Ansichten seiner Zeit über psychische Leiden in ihr Gegenteil. In Gullivers Reisen leidet ein Yahoo am Spleen. Er wird nur durch harte körperliche Arbeit geheilt, nicht durch angenehme Bewegungen (Reisen, Baden, Reiten usw.), wie dies zu Swifts Zeit üblich war: »Diese Erzählung stimmte mich nachdenklich, da ich nun einmal von einer eigensinnigen Parteilichkeit für die Gattung ›Mensch‹ besessen bin. Ich sah auf einmal klar die wirklichen Hintergründe des Spleens, der einzig die Unbeschäftigten, im Luxus Lebenden befällt. Diese möchte ich ums Leben gern ärztlich behandeln, wenn man sie nur zwingen könnte, meine diesbezügliche Verordnung zu befolgen.« 36Umgekehrt vollzieht Swift mit den damals wirklich harter körperlicher Arbeit ausgesetzten Irren eine utopische Identifizierung. In A Tale of a Tub (1697) findet sich ein Abschnitt über »the use and improvement of madness in a commonwealth«. Hier werden Könige, Eroberer, Minister, Philosophen und religiöse Fanatiker auf ihre Genialität hin untersucht und mit dem damaligen Begriff von Wahnsinn in Beziehung gebracht. Es ist dann »solcher Wahnsinn Vater all der mächtigen Revolutionen, die im Staat, in der Philosophie und in der Religion stattgefunden haben«. Dies wendet Swift ironisch auf sich selbst an: »Auch ich selbst, der Verfasser dieser gewaltigen Wahrheiten, bin eine Person, deren Einbildungen hartnäckig und sehr darauf angelegt sind, mit ihrer Vernunft davonzulaufen, die – wie ich in langer Erfahrung beobachtet habe – ein sehr leichter Reiter und einfach abzuwerfen ist, aus welchem Grunde meine Freunde mich nie allein lassen, ohne ein feierliches Versprechen, meinen Spekulationen in dieser oder ähnlicher Weise nur für das allgemeine Wohl der Menschheit freien Lauf zu lassen.« 37Dies wird geschrieben, während Defoe mit gleichem Recht peinlichste Sorgfalt und zuverlässigste öffentliche Kontrolle fordert für genaue Differenzierungen – zwischen Irren und Idioten wie zwischen Irren und Normalen. Und als 1733 eine neue Differenzierung eingeführt wird – das Bedlam richtet eine besondere Abteilung für Unheilbare ein 38– überbrückt Swift auch diese problematische Trennung durch eine Identifizierung. In »A serious and useful scheme to make a hospital for incurables« hält er sich neben den verschiedensten anderen Menschengruppen auch für aufnahmeberechtigt in einer solchen Einrichtung – als »incurable scribbler«. 39– Die Selbstaufklärung der Psychiatrie kann auf Defoe so wenig wie auf Swift verzichten.

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