182Schriftformklauseln in einem Formulararbeitsvertrag, die Vertragsänderungen von der Schriftform abhängig machen (sog. einfache Schriftformklauseln) bzw. zusätzlich die Aufhebung des Schriftformerfordernisses selbst dem Schriftformerfordernis unterwerfen (sog. doppelte Schriftformklauseln), sind wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn sie dazu dienen, nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erwecken, eine abweichende mündliche Abrede sei entgegen § 305b BGB unwirksam (BAG NZA 2008, 1233). Nach Ansicht des BAG kann aber durch qualifizierte Schriftformklauseln, die ausreichend deutlich machen, dass Individualabreden Vorrang haben, die Vertragsänderung mittels betrieblicher Übung (Rdnr. 151) verhindert werden, da insoweit keine „individuelle“ Vertragsabrede vorliegt (BAG NZA 2008, 1233; a. A. ErfK/Preis, § 127 BGB Rdnr. 41a).
183a) Der Arbeitsvertrag setzt zwei gültige Willenserklärungen voraus. Daran fehlt es, wenn eine Vertragspartei geschäftsunfähig (§§ 104 f. BGB) oder beschränkt geschäftsfähig (§§ 106 ff. BGB) ist.
b) In zwei für den Arbeitsvertrag wichtigen Fällen kennt das Gesetz eine Erweiterung der Geschäftsfähigkeit:
(1) Die Bestimmung des § 112 BGB (Brox/Walker, AT, § 12 Rdnr. 42) ist für den minderjährigen Arbeitgeber bedeutsam. Ermächtigt der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts den Minderjährigen zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche der Geschäftsbetrieb mit sich bringt (§ 112 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dazu gehört auch der Abschluss von Arbeitsverträgen (vgl. aber §§ 112 Abs. 1 Satz 2, 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 7 BGB: Wird der Minderjährige von einem Vormund vertreten, benötigt er für den Abschluss von Arbeitsverträgen mit einer Dauer von mehr als einem Jahr gemäß §§ 112 Abs. 1 Satz 2, 1822 Nr. 7 BGB die Genehmigung des Familiengerichts. Wird er von den Eltern vertreten, kann er derartige Arbeitsverträge allein schließen, da § 1643 Abs. 1 BGB nicht auf § 1822 Nr. 7 BGB verweist.).
184(2) Für den minderjährigen Arbeitnehmer ist § 113 BGB (Brox/Walker, AT, § 12 Rdnr. 43) wichtig. Danach ist er unbeschränkt geschäftsfähig für den Abschluss, die Aufhebung und die Erfüllung von Arbeitsverträgen, zu deren Eingehung ihn der gesetzliche Vertreter ermächtigt hat.
Im Fall dsind der Abschluss des Arbeitsvertrags mit der Textilfabrik und die Kündigung wirksam, da die Minderjährige für diese Geschäfte gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 BGB unbeschränkt geschäftsfähig ist. Das gilt auch für den Beitritt zur Gewerkschaft; denn er dient der Erfüllung der sich für N aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten, da die Gewerkschaft für N unmittelbar die Arbeitsbedingungen aushandelt. Die Ermächtigung deckt jedoch nicht den Abschluss eines Arbeitsvertrags als DJane, da es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis derselben Art handelt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BGB).
Verfügungen über den Arbeitslohn sind von § 113 BGB grundsätzlich nicht gedeckt; Ausnahmen gelten, wenn die Anschaffung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit steht (Beispiel: Kauf eines Mofas, um zur mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichenden Arbeitsstelle zu kommen; Anmietung einer Unterkunft, wenn die Arbeitsaufnahme einen Wohnortswechsel bedingt).
185Der Abschluss eines Arbeitsvertrags kann sowohl auf der Arbeitgeber- als auch auf der Arbeitnehmerseite durch einen Stellvertreter erfolgen. Das Geschäft wirkt für und gegen den Vertretenen, wenn der Vertreter im Namen des Vertretenen handelt und wenn er Vertretungsmacht hat (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Vormund, der Betreuer und der Pfleger bedürfen zum Abschluss von Lehr- und Arbeitsverträgen, die für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr geschlossen werden, der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1822 Nr. 6 u. 7, § 1908i Abs. 1, § 1915 Abs. 1 BGB; vgl. auch schon Rdnr. 183).
Grundsätzlich stehen einer Vertretung des Kindes durch die Eltern bei Abschluss eines Arbeitsvertrages mit den Eltern die Vorschriften der §§ 181, 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB entgegen. Im Fall ekann S durch seinen Vater oder seine Mutter aber wirksam vertreten werden, da die gesetzlichen Vertreter gem. § 10 Abs. 3 BBiG vom Verbot des § 181 BGB befreit sind.
5.Beteiligung des Betriebsrates/Sprecherausschusses
186In Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig nach § 7 BetrVG wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber vor jedem Abschluss eines Arbeitsvertrags die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen (§ 99 Abs. 1 BetrVG; Näheres: Rdnr. 1125 ff.). Die beabsichtigte Einstellung eines leitenden Angestellten ist dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten rechtzeitig mitzuteilen (§ 31 Abs. 1 SprAuG; Rdnr. 1171).
II.Mängel des Arbeitsvertrags und ihre Folgen
1.Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe
187a) Die Nichtigkeitsgründe beim Arbeitsvertrag entsprechen denen bei anderen Rechtsgeschäften. Zu nennen sind beispielsweise Formmangel (Rdnr. 177 ff.), fehlende Geschäftsfähigkeit (Rdnr. 183 f.), Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) und die Sittenwidrigkeit des Vertrags (§ 138 BGB).
(1) Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB (Brox/Walker, AT, § 14 Rdnr. 2 f.) kann jede Rechtsnorm sein. Auch Tarifverträge (vgl. § 4 Abs. 1 TVG) und Betriebsvereinbarungen (vgl. § 77 Abs. 1 BetrVG) fallen nach h. M. unter § 134 BGB. Zu erwähnen sind vor allem Bestimmungen zum Schutze der Arbeitnehmer (z. B. Abschlussverbote, Normen über Höchstarbeitszeit) sowie Strafvorschriften; so ist ein Arbeitsvertrag, der eine wegen eines Berufsverbots nach § 70 StGB untersagte Tätigkeit zum Inhalt hat, unwirksam, da er gegen § 145c StGB verstößt.
188Der Arbeitsvertrag über die Herstellung von Falschgeld ( Fall f; § 146 StGB) ist wegen Gesetzesverstoßes nichtig; X hat also keinen Anspruch auf die Arbeitsleistung des Y. Handelt es sich dagegen um eine Schlosserwerkstatt, ist nur die Vereinbarung über die tägliche Arbeitszeit von elf Stunden (wegen Verstoßes gegen § 3 ArbZG) nichtig. Würde hier die Teilnichtigkeit nach der Auslegungsregel des § 139 BGB zur Nichtigkeit des ganzen Vertrags führen, würde die den Schutz des Arbeitnehmers bezweckende Vorschrift zu dessen Nachteil wirken. Daher wird die Auslegungsregel des § 139 BGB teleologisch nicht angewandt, so dass der Arbeitsvertrag mit der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit gültig ist (allgemein Brox/Walker, AT, § 15 Rdnr. 8.). Wäre eine Höchstarbeitszeit im Tarifvertrag vorgesehen und würde der Arbeitsvertrag dagegen verstoßen, träte nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG die tarifliche Arbeitszeit an die Stelle der Arbeitszeitvereinbarung.
Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes ist (anders als im Verhältnis Werkunternehmer – Besteller, vgl. BGH NJW 2013, 3167) die Vereinbarung von Schwarzarbeit nicht insgesamt wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 SchwarzArbG nichtig, sondern nur die Hinterziehungsabrede als solche (BAG NJW 2010, 2604).
189(2) Ein Arbeitsvertrag kann gegen die guten Sitten verstoßen und insbesondere wegen Lohnwuchers (§ 138 Abs. 1 BGB) bzw. eines wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 2 BGB) nichtig sein. „Nach § 138 I BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist“ (m. w. N. BAG NZA 2016, 1409 Rn. 31). § 138 BGB ist dabei neben § 1 MiLoG anwendbar (ErfK/Franzen, § 1 MiLoG Rdnr. 1; Däubler, NJW 2014, 1924, 1927).
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