62(b) Die berufliche Gliederung der Arbeitnehmer richtet sich nach der Art der geleisteten Arbeit. Für die so unterschiedenen Arbeitnehmer gilt eine Reihe von Besonderheiten. Die vielfach nur historisch zu erklärenden Sonderregeln wurden in den letzten Jahren zunehmend aufgehoben.
Kaufmännische Arbeitnehmer sind diejenigen, die im Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste eingestellt sind. Die für sie unmittelbar einschlägigen Regelungen in den §§ 59 ff. HGB sind allerdings weitgehend analog auf alle Arbeitnehmer anzuwenden (dazu Heymann/Henssler/Michel, HGB, vor § 74 Rdnr. 7).
Schiffsbesatzungen (SeeArbG, BinnenschifffahrtsG) bestehen aus Schiffsoffizieren (§ 6 SeeArbG) und Besatzungsmitgliedern (§ 3 SeeArbG; Besonderheiten: §§ 114 ff. BetrVG). Der Kapitän nimmt eine Sonderstellung ein (§ 5 SeeArbG). Das Arbeitsverhältnis bezeichnet das SeeArbG als „Heuerverhältnis“ (§ 28 SeeArbG).
Für den Arbeitsschutz der im Bergbau Beschäftigten gelten das Bundesberggesetz sowie landesgesetzliche Regelungen. Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes stehen in einem Arbeitsverhältnis mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (Körperschaft, Anstalt, Stiftung des öffentlichen Rechts). Es bestehen besondere Tarifverträge, etwa der Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD – früher BAT). An die Stelle des Betriebsverfassungsrechts tritt das Personalvertretungsrecht (Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder).
Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst finden wegen der durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV verbürgten Selbstverwaltungsgarantie der Kirche weite Bereiche des staatlichen Arbeitsrechts keine Anwendung (Einzelh.: Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 8. Aufl., 2020, S. 15 ff.; ders. NZA 2012, 1393; Fischermeier, RdA 2014, 257; zum Streikrecht vgl. Richardi, RdA 2014, 42). Soweit die Weltanschauung kirchlicher Arbeitnehmer für die ausgeübte Tätigkeit keine herausgehobene Bedeutung hat (so etwa bei Ärzten in kirchlich getragenen Krankenhäusern, vgl. BAG NZA 2019, 901), dürfen sie gleichwohl nicht aufgrund unterschiedlicher Konfessionen mit besonderen moralischen Anforderungen belegt werden.
Sonstige Arbeitnehmer sind alle diejenigen, die nicht zu einer der vorgenannten Gruppen gehören (z. B. Angestellte eines Rechtsanwalts, Krankenpfleger, Hausgehilfin). Für sie gibt es keine Spezialregelungen.
(2)Arbeitgeber
63 (a) Person des Arbeitgebers.Arbeitgeber ist der Vertragspartner des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag. Als Arbeitgeber wird bezeichnet, wer mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt (BAG NZA 1999, 539). Jede natürliche und juristische Person (z. B. Aktiengesellschaft) sowie rechtsfähige Personengesellschaft (§ 14 Abs. 2 BGB, z. B. OHG, KG, PartG, GbR) kann Arbeitgeber sein.
Allerdings ist eine juristische Person nicht in der Lage, das Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer auszuüben, da sie nicht handlungsfähig ist. Für sie müssen ihre Organe handeln. Die Leiter eines Unternehmens müssen dagegen stets natürliche, geschäftsfähige Personen sein, die zugleich die Arbeitgeberfunktionen ausüben. Nicht ausgeschlossen ist, dass sie aufgrund ihrer Abhängigkeit von den Gesellschaftern gleichwohl Arbeitnehmer sind (etwa der Fremdgeschäftsführer einer GmbH). Häufig sind die Organmitglieder aber von der Geltung arbeitsrechtlicher Vorschriften ausgeklammert (vgl. § 14 Abs. 1 KSchG, §§ 5 Abs. 2 Nr. 1, 2 BetrVG, § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).
Beispiele: Aktiengesellschaft – Vorstand, GmbH – Geschäftsführer, offene Handelsgesellschaft – Gesellschafter, aber auch: Kind – gesetzlicher Vertreter, Schuldner – Insolvenzverwalter, Erbe – Nachlassverwalter.
64 (b) Arbeitgeber, Betrieb und Unternehmen.Der Arbeitgeber ist vielfach auch Leiter des Betriebes und des Unternehmens.
Der „Betrieb“ ist gegenüber dem „Unternehmen“ grundsätzlich der engere Begriff. Unter einem Betrieb versteht man die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Inhaber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sachlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke unmittelbar fortgesetzt verfolgt. Dagegen ist das Unternehmen die organisatorische Einheit, mit welcher der Inhaber einen entfernteren wirtschaftlichen oder ideellen Zweck verfolgt.
Beispiele: Zwei Betriebe, der eine für Karosseriebau, der andere für Motorenbau, gehören zu einem Unternehmen (Herstellung von Kraftfahrzeugen); die Großbank ist das Unternehmen, ihre Filialen sind die einzelnen Betriebe. – Das einzige Lebensmittelgeschäft eines Kaufmanns ist sowohl Betrieb als auch Unternehmen, das gleiche gilt für die Kanzlei eines Rechtsanwalts. Ausnahmsweise können mehrere Unternehmen sogar einen gemeinsamen Betrieb bilden, wenn sie sich (zumindest stillschweigend) zu einer gemeinsamen Führung des Betriebs verbunden haben und der Einsatz der Arbeitnehmer von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird (Beispiel: gemeinsame Forschungsabteilung mehrerer Unternehmen). § 1 Abs. 2 BetrVG enthält zwar keine gesetzliche Definition, wohl aber eine Vermutungsregelung für das Vorliegen eines solchen „Gemeinschaftsbetriebs“.
65Arbeitsrechtlich sind die Begriffe Betrieb und Unternehmen vor allem in folgenden Fällen bedeutsam:
Der Betriebsbegriff ist die Grundlage der „Betriebsverfassung“ (Rdnr. 988 ff.). In Betrieben werden Betriebsräte gewählt (vgl. § 1 BetrVG); die Größe des Betriebes entscheidet u. a. über die Zahl der zu wählenden Betriebsräte und die Anzahl der Freistellungen (z. B. in §§ 1, 9, 38 BetrVG). In der Praxis ist oft zweifelhaft, ob es sich bei einem Betriebsteil um eine selbstständige Einheit handelt, die einen eigenen Betriebsrat wählt (vgl. § 4 BetrVG u. BAG NZA 1987, 708). Nach § 3 Abs. 2 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden sind (z. B. Bestimmungen über Anwesenheitskontrollen, Rauchverbot, Kurzarbeit).
66Individualarbeitsrechtlich sind die Anwendbarkeit des KSchG (§§ 1 Abs. 2, 23 Abs. 1 Satz 2, 3 KSchG), der allgemeine Kündigungsschutz (§ 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG) und die Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3, 4 KSchG) auf den Betrieb bezogen.
67Bei einem Unternehmen mit mehreren Betriebsräten ist ein Gesamtbetriebsrat zu errichten (§ 47 BetrVG; dazu BAG AP § 47 BetrVG 1972 Nr. 18); bei Unternehmen mit mehr als hundert Arbeitnehmern ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden (§ 106 BetrVG). Für bestimmte Unternehmen sind Arbeitnehmervertreter in Gesellschaftsorganen (insbesondere Aufsichtsräten) vorgesehen (Rdnr. 1031 ff.). Das Kündigungsschutzgesetz kann nur eingreifen, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG). Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens ist ebenfalls zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG).
II.Besondere Arbeitsverhältnisse
Schrifttum: Blanke/Schüren/Wank/Wedde , Neue Beschäftigungsformen, 2002; Braun , Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen der Nebenbeschäftigung, ArbuR 2004, 47; Bruns , BB-Rechtsprechungsreport zur Teilzeitarbeit, BB 2010, 956; Flohr , Franchise-Nehmer: Arbeitnehmer oder selbstständiger Absatzmittler?, DStR 2003, 1622; Forst , Null-Stunden-Verträge, NZA 2014, 998; Franken , Individualrechtliche Fragen der Gruppenarbeitsverhältnisse, 2005; Hanau , Poolsystem und Abrufarbeit als flexible Arbeitszeitmodelle, in: Gedächtnisschrift Heinze, 2005, S. 321; Henssler/Höpfner , Änderungsschutz für Teilzeitbeschäftigte im öffentlichen Dienst, in: Festschrift Bauer, 2010, S. 433; Körner , Neue Betriebsratsrechte bei atypischer Beschäftigung, NZA 2006, 573; Lakies , Rechte und Pflichten in der Berufsausbildung, 2005; Lembke , Der Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen von freier Mitarbeit, Werkverträgen und Leiharbeit, NZA 2013, 1312; ders. , AÜG-Reform 2017 – Eine Reformatio in Peius, NZA 2017, 1; Löw , Job-Sharing: Flexibilisierungsmodell mit Zukunft?, AuA 2006, 592; Mastmann/Offer , Ausgewählte Probleme der Leiharbeit, AuA 2005, 330; Mühlmann , Flexible Arbeitsvertragsgestaltung – Die Arbeit auf Abruf, RdA 2006, 356; Peter , Nebentätigkeiten von Arbeitnehmern, 2006; Ritter/Rudolf , Der befristete Arbeitsvertrag unter besonderer Berücksichtigung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, in: Festschrift 25 Jahre ARGE ArbR im DAV, 2006, S. 367; Seel , Gesetzlicher Anspruch auf Teilzeitarbeit – Was sind die Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen?, JA 2011, 608; Thüsing/Beden , Als „gleichwertig“ festgesetztes Arbeitsentgelt im Sinne von § 8 IV 2 Nr. 1 AÜG, NZA 2018, 404; Wank , Teilzeit, Befristung, Leiharbeit und Scheinselbstständigkeit, 2005.
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