Definition
Unter einem echten Unterlassungsdeliktversteht man ein Delikt, bei dem die Voraussetzungen, unter denen ein Unterlassen strafbar ist, in einem eigenen Tatbestand vollständig umschrieben werden. Hier erschöpft sich die Tatbestandserfüllung in dem Verstoß gegen eine bestimmte Gebotsnorm (= Norm, die einer bestimmten Person ein bestimmtes Verhalten vorschreibt), die als solche im Gesetz abschließend normiert ist. Der Täter muss dabei eine bestimmte, ihm vom Gesetz vorgeschriebene Tätigkeit gerade nicht vornehmen.
Bsp.:Ein klassisches echtes Unterlassungsdelikt stellt die Unterlassene Hilfeleistung, § 323c StGB, dar. Hier ist allein das Unterlassen der Hilfeleistung strafbar, auch wenn das Opfer hierdurch letztlich gar nicht geschädigt wird. Die Voraussetzungen, wann eine Hilfeleistung erforderlich ist, sind in § 323c StGB abschließend beschrieben.
Definition
Unter einem unechten Unterlassungsdeliktversteht man ein Delikt, bei dem die Unterlassungsstrafbarkeit nicht ausdrücklich im Gesetz normiert ist, sondern die Nichtabwendung eines tatbestandsmäßigen Erfolges erst im Vergleich mit einem Begehungsdelikt unter den Voraussetzungen des § 13 StGB begründet werden kann, was regelmäßig voraussetzt, dass der Täter eine besondere Rechtspflicht zum Handeln (= Garantenpflicht) besitzt.
Bsp.:Ein Totschlag, § 212 StGB, kann nicht nur durch aktives Tun (Erstechen, Erschießen, Erwürgen etc.), sondern auch durch Unterlassen begangen werden, z. B. wenn eine Mutter ihrem neugeborenen Kind keine Nahrung gibt und es dadurch verhungert. Dabei ist anzumerken, dass nahezu jedes im StGB normierte Delikt sowohl durch Tun als auch durch Unterlassen verwirklicht werden kann. Üblicherweise wird in einem Tatbestand allerdings nur ein Verbot ausgesprochen und ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Erfolgsherbeiführung mit Strafe bedroht. Wird nun derselbe Erfolg (z. B. der Tod eines Menschen) durch ein Nichthandeln verursacht, ist dies in gleicher Weise strafbar wie wenn der Täter den Erfolg durch aktives Tun herbeigeführt hätte. Notwendig ist dabei jedoch immer eine besondere (sich aus der Rechtsordnung ableitende) Pflicht des Unterlassenden, den tatbestandsmäßigen Erfolg abzuwenden (die bereits genannte Garantenpflicht 46). Besteht eine solche besondere Garantenpflicht nicht (wie z. B. bei einem Spaziergänger, der einem Ertrinkenden in einem einsamen Waldsee nicht hilft), scheidet eine Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdelikts aus (in Frage kommt dann aber eine Strafbarkeit wegen des echten Unterlassungsdelikts der unterlassenen Hilfeleistung, § 323c StGB).
5.Allgemeindelikte, Sonderdelikte, eigenhändige Delikte
115Straftatbestände können ferner nach dem jeweiligen Täterkreisabgegrenzt werden, der für die Deliktsbegehung in Frage kommt. Dabei können Allgemeindelikte, echte und unechte Sonderdelikte und eigenhändige Delikte unterschieden werden.
Definition
Unter einem Allgemeindeliktversteht man ein Delikt, welches von jedermann begangen werden kann (d. h. keine besondere Subjektstellung des Täters verlangt).
Bsp.:Eine Sachbeschädigung, § 303 StGB, kann durch jede natürliche Person als Täter begangen werden. Ein Allgemeindelikt erkennt man regelmäßig daran, dass der entsprechende Tatbestand den Täter mit „Wer […]“ umschreibt.
Definition
Unter einem Sonderdeliktversteht man ein Delikt, welches nur von einem Täter begangen werden kann, der eine besondere, im jeweiligen Tatbestand eigens umschriebene Subjektqualität aufweist.
Definition
Unter einem echten Sonderdeliktversteht man ein Delikt, bei dem die besondere Subjektqualität des Täters strafbegründende Bedeutung hat (d. h., wenn bei Fehlen dieser besonderen Subjektqualität überhaupt keine Straftat vorläge).
Bsp.:Wegen einer Bestechlichkeit, § 332 StGB, kann sich nur ein „Amtsträger“ strafbar machen. Ein „Grundtatbestand“ für jedermann existiert insofern nicht. Wer diese besondere Täterqualifikation (hier: die Amtsträgereigenschaft) nicht aufweist, kann niemals Täter dieses Delikts, sondern höchstens Anstifter oder Gehilfe sein (z. B. die Ehefrau, die ihren Mann, der Beamter ist, dazu auffordert, Geld für seine Amtshandlungen zu nehmen).
Definition
Unter einem unechten Sonderdeliktversteht man ein Delikt, bei dem die besondere Subjektqualität des Täters strafschärfende Bedeutung hat, das Grunddelikt jedoch von jedermann begangen werden kann.
Bsp.:Bei einer Körperverletzung im Amt, § 340 StGB, kann ebenfalls nur ein Amtsträger Täter sein. Allerdings existiert in diesem Fall ein „Grundtatbestand“ für jedermann, nämlich die einfache Körperverletzung nach § 223 StGB. Wer hier die besondere Täterqualifikation (hier: die Amtsträgereigenschaft) nicht aufweist, kann sich täterschaftlich lediglich wegen des Grunddelikts strafbar machen.
Definition
Unter einem eigenhändigen Deliktversteht man ein Delikt, welches nur durch eine persönliche Ausführung (d. h. durch die unmittelbare eigenhändige Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung) begangen werden kann.
Bsp.:Bei einem Meineid, § 154 StGB, kann nur derjenige Täter sein, der selbst schwört. Bei einer Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB, kommt nur derjenige, der selbst betrunken Auto fährt, als Täter in Frage, nicht aber der betrunkene Beifahrer, der den betrunkenen Fahrer dazu überredet, ihn nach Hause zu fahren. Insoweit stellen eigenhändige Delikte stets Sonderdelikte dar – nur wird hier der Täterkreis im Gesetz nicht ausdrücklich auf eine bestimmte Personengruppe eingeschränkt.
6.Grundtatbestand, Qualifikation, Privilegierung
116Im StGB gibt es häufig Delikte, die auf andere Delikte (den Grundtatbeständen) aufbauen, aber zusätzliche Merkmale enthalten, die die Strafe entweder schärfen (Qualifikationen) oder mildern (Privilegierungen). Eine Sonderform der Qualifikationen stellen die Erfolgsqualifikationen (oder: erfolgsqualifizierten Delikte) dar.
Definition
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