1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 Barlow machte einen Satz nach vorn und begann auf die Tastatur seines Computers einzuhacken. Wer auch immer diese Leute waren, sie hatten einen Vorsprung. Aber er hatte seinerseits einen Vorteil: Er wusste von ihnen, während sie nicht von ihm wussten.
Wenn sie etwas in der Hand hatten, was zu dem Manuskript führte, dann wollte er es haben. Und er würde es kriegen, koste es, was es wolle. Er hatte jahrelang danach gesucht, sein ganzes Leben, und wenn irgendjemand diese vergessene Welt finden würde, dann war er es.
Er hielt inne und dachte nach. Er musste ein Team zusammenstellen, und dazu mussten Leute gehören, die bereit waren, das Gesetz zu brechen, falls das nötig werden sollte.
Er tippte weiter, denn er wusste genau den Richtigen. Jemand, mit dem er schon gearbeitet hatte und der ebenso effizient wie skrupellos war.
Barlow lächelte. Wie Sir Arthur Conan Doyle schon geschrieben hatte: Die Jagd ist eröffnet.
Ben fuhr diesmal mit dem Taxi zum Treffen seiner Clique, statt sich wieder von Emma abholen zu lassen, denn er wollte auf dem Weg dahin nachdenken. Als er letzte Nacht wieder zuhause angekommen war, hatte er noch mehr Zeit damit verbracht, den Dachboden zu durchstöbern, um weitere Hinweise und vielleicht sogar das fragliche Notizbuch zu finden. Denn dann wäre dieses Abenteuer möglicherweise schon vorbei, bevor es begonnen hatte.
Er gähnte und rieb sich die Augen. Letztlich hatte er nur ein paar Stunden geschlafen und immer noch keinen Beweis, dass die Aufzeichnungen seines Ururgroßvaters jemals gefunden worden waren. Wo immer Doyle sie auch versteckt hatte, sie waren vermutlich immer noch dort.
Ben lächelte, als er sich an Emmas Begeisterung erinnerte. Ihre Augen hatten genau so zu leuchten angefangen wie bei dem Mädchen, an das er sich von damals erinnerte.
Es war schon verrückt, wie nahe sie alle sich gestanden hatten, und ein irres Gefühl, nun wieder zurück zu sein. Wenn er die Augen ein klein wenig zusammenkniff, sah er sie alle genauso, wie sie damals waren.
Vor fünfundzwanzig Jahren hatten er, Dan, Steve, Emma und Andrea eine Tretroller-Gang gegründet. Sie hatten im Park herumgehangen und sich Rennen auf der Joggingstrecke geliefert. Sie waren ganz normale Kinder mit Sommersprossen, Zahnspangen und Flicken auf den Knien gewesen. Und besonders interessiert hatte ihn auch schon damals die kleine Emma Wilson mit ihren riesigen Schneidezähnen und einem winzigen Ansatz von Busen, der sich langsam unter ihren weiten T-Shirts abzeichnete.
Er erinnerte sich daran, wie sie einmal gestürzt war, als sie schon auf Fahrräder umgestiegen waren, und sich das Knie aufgeschürft hatte. Seine Mutter hatte ihm immer Pflaster in die Hosentasche gesteckt, was er höchst albern fand, doch in dieser Situation war er dadurch der Held. Er zog ein Pflaster hervor und klebte es auf ihr Knie. Sie drückte eine Weile ihre Hand darauf und sah dann zu ihm auf. Ihre großen grünen Augen weiteten sich und starrten ihn an, und er spürte, wie sein Herz einen Satz machte. Niemand hatte ihn je so angesehen. Nun ja, zumindest kein anderes Mädchen.
Dann kam die Zeit, in der sie als Teenager zusammen herumhingen, gefolgt von der Highschool. Schließlich landeten sie alle an der staatlichen Universität von Ohio, wo er und Steve für die Football-Mannschaft ausgewählt wurden. Das war eine große Ehre und Andrea wurde sogar Mitglied der Cheerleader.
Damals war es zu einem dramatischen Ereignis gekommen: Nach einem Auswärtsspiel waren er und Steve mit Dan und Emma im Parkhaus verabredet gewesen. Doch schon von Weitem sah Ben die vier hünenhaften Kerle, die sich drohend um Emma und Dan aufbauten. Vielleicht waren sie Fans der gegnerischen Mannschaft und störten sich an den Vereinsfarben, die seine Freunde trugen. So oder so stellte sich Dan ihrer Aggression, obwohl der Sohn japanischer Eltern ihnen kaum bis an die Schultern reichte. Trotzdem war er absolut tapfer und ließ sich nichts gefallen.
Doch dann bekam er einen Schlag verpasst. Emma schrie auf und stürzte nach vorn, woraufhin sie am Arm gepackt und dann zu Boden gestoßen wurde. Ben sah sofort rot, ließ seine Tasche fallen und sprintete auf sie zu.
Sein Vater hatte ihm schon in jungen Jahren gezeigt, wie man boxte, und er schubste einen der Männer aus dem Weg, um ihrem Anführer entgegenzutreten. Der Typ verschwendete keine Zeit und stieß Ben beidhändig vor die Brust. Doch Bens Vater hatte ihm auch gesagt, dass es bei einem Kampf auf der Straße darauf ankam, alles in den ersten Schlag zu legen – und das tat er. Als der Typ wieder auf ihn zukam, nutzte Ben seinen Schwung und setzte ihm einen rechten Schwinger mitten auf die Nase.
Blut und Rotze flogen durch die Luft, als die Knorpelmasse des Riechorgans brach. Der Hüne ging zu Boden und Ben wirbelte herum, um sich um den nächsten zu kümmern – er hoffte, dass die Kerle noch nicht genug hatten, denn er wollte jeden einzelnen von ihnen bestrafen. Doch nun tauchte auch Steve an seiner Seite auf und allein sein böser Blick führte dazu, dass das verbleibende Trio nur noch ein paarmal »Fuck you« schrie, den gefallenen Kameraden aufsammelte und sich trollte.
Steve kümmerte sich dann um Dan, während Ben sich neben Emma hinkniete und ihr die Hand entgegenstreckte. Dabei lächelte er sie verlegen an: »Ich habe noch ein Pflaster, falls du es brauchst.«
Sie strahlte ihn an. »Mein edler Ritter rettet mich schon wieder.« Sie drückte seine Hand und er verlor sich in ihren wunderschönen Augen.
»Wann auch immer du mich brauchst, bin ich da«, sagte er mit feuchten Augen, während er ihr hoch half.
»Ich brauche dich jetzt.« Sie hielt ihn immer noch fest.
Danach waren sie ein Paar, liebten sich, lachten und machten Pläne für eine perfekte Zukunft, die sie sich zusammen aufbauen wollten.
Doch die Straße des Lebens hatte ein paar Kurven und Abzweigungen zu viel und nach einer Weile drifteten ihre Welten auseinander. Bevor er sich versah, hatte er sie verloren und sie war mit jemand anderem zusammen. Er blieb zurück und fragte sich, was er mit sich anfangen sollte. Vielleicht war das der Grund gewesen, warum er beschlossen hatte, die Stadt zu verlassen.
Aber nun, da er wieder hier war, wurde ihm klar, wie sehr er sie alle vermisst hatte. Und wie sehr er sie brauchte.
Es war ein Fakt, dass es seiner Mutter inzwischen besser ging, und er würde lügen, wenn er behaupten würde, dass er die Idee eines Abenteuers im Ausland nicht höchst spannend fand. Abgesehen davon … wenn Dan unbedingt bezahlen wollte, war das Einzige, das er zu verlieren hatte, etwas Zeit. Doch dafür würde er wieder mit seinen alten Freunden abhängen können – mit Emma – und wahrscheinlich würde sich Dan mit nicht weniger als der ersten Klasse zufriedengeben, von daher gab es eigentlich keine Nachteile.
»Da sind wir, Kumpel.« Der Fahrer hielt direkt vor dem Grillrestaurant. »Lass dir dein Frühstück schmecken!«
»Werde ich machen«, antwortete Ben und stieg aus.
Im gleißenden Morgenlicht sah der Laden deutlich schäbiger aus, als nachts mit eingeschalten Neonlichtern. Ben musste grinsen, denn er kannte keinen anderen Laden, der abends ein Barbecue servierte und tagsüber als Café fungierte. Doch es war ein Glück, denn er hatte wenig Lust darauf, Spareribs zu frühstücken.
Durch das Fenster sah er, das er als Letzter angekommen war und die anderen bereits an ihrem Platz saßen. Emma entdeckte ihn als Erste und er hoffte plötzlich, dass sie die ganze Zeit über nach ihm Ausschau gehalten hatte. Als er eintrat, rammte Emma ihre Hüfte in Dans Seite, um ihn dazu zu bringen, neben ihr Platz zu machen. Steve hob sein Kinn, um ihn zu grüßen und Andreas Augen verfolgten ihn den ganzen Weg bis zum Tisch.
Als er sich setzte, griff sich Ben eine Speisekarte. »Was habe ich verpasst?«
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