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Sandrosenmuseum Lothar Keil
Jerusalemertor/Untertor
63654 Büdingen
www.buedingen.info
6 In der Stille liegt die Kraft
Altenstadt: Benediktinerinnenabtei Kloster Engelthal
Ich stehe auf einer Anhöhe in der südlichen Wetterau. In der Ferne brummt ein Traktor, in der Nähe ertönt Pferdegetrappel. In der Senke ruft Glockengeläut zu Vesper und Abendlob in die barocke Klosterkirche der Abtei Kloster Engelthal. Ein Tal, durch das Engel schweben, abgeschieden und doch mittendrin: 30 Kilometer nordöstlich des dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiets liegt seit 750 Jahren malerisch am Waldrand ein Frauenkloster. In der 1962 nach 159 Jahren Pause von Benediktinerinnen wiederbelebten Abtei Engelthal leben heute 16 Nonnen.
Neben Gebet, Gottesdienst und Fürbitte ist das oberste Lebensziel der Benediktinerinnen die Pflege der Gemeinschaft und der Gastfreundschaft. Ihren Unterhalt verdienen sie mit zwei Gästehäusern, in denen etwa 6.000 Besucher jährlich logieren. Jeder und jede, die für eine Weile der Rushhour des Lebens entkommen möchte, ist willkommen. Mit offenen Armen werden vor allem junge Frauen empfangen, die sich für die spirituelle Lebensweise der Benediktinerinnen interessieren.
In einer professionellen Werkstatt haben sich einige Nonnen darauf spezialisiert, Gemälde und Skulpturen zu restaurieren, vorrangig Objekte aus dem Mainzer Dom- und Diözesanmuseum. Eine wahre Fundgrube stellt die Buch- und Kunsthandlung gleich hinter dem Eingang zum Geviert der Klostergebäude dar. Dort gibt es keineswegs nur geistlich-geistigen Lesestoff, sondern auch Devotionalien, Kerzen, handgemachte Seifen, Keramik, Goldschmiedekunst, allerlei Teesorten, Dinkelkissen, Marmeladen, Wein, Ringelblumensalbe und sogar Honigbärchen.
Ein friedvoller Ort. Das war nicht immer so: Archäologen fanden in einer barocken Schuttgrube 800 Jahre alte Glasfensterscherben – Reste von Plünderung und Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg.
Für ihr modernes Ökologiekonzept erhielten die Nonnen den Umweltpreis des Bistums Mainz. Sie heizen mit Holzpellets, nutzen Regenwasser und Sonnenlicht, und ein »Maximum-Wächter« kappt schon mal den Strom.
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Benediktinerinnenabtei Kloster Engelthal
Klosterstraße 2
63674 Altenstadt
06047 96360
www.abtei-kloster-engelthal.de
7 Auf den Spuren der Oberwaldbahn
Altenstadt: Vulkanradweg ab Höchst
Eine der beschaulichsten Fahrradstrecken Hessens führt von Höchst an der Nidder in der Wetterau bis Schlitz im Vogelsberg: der 96 Kilometer lange Vulkanradweg. Wer der Trasse der ehemaligen Oberwaldbahn auf Feinasphalt folgt, trampelt an der Nidder entlang bis zum mit 585 Metern höchsten Punkt der Strecke in Hartmannshain. Doch keine Sorge: Steigung und Gefälle betragen lediglich bis zu drei Prozent, sind also bedingt schweißtreibend.
Nur 100 Jahre ist es her, dass Dampflokomotiven den Vogelsberg zum ersten Mal durchquerten und der Landbevölkerung das Tor zur weiten Welt öffneten. Das Großherzogtum Hessen war spät dran mit Anschlüssen an das Eisenbahnnetz. Immerhin wurde die Kreisstadt Lauterbach 1870 an die Bahnstrecke Gießen–Fulda angebunden. Auch die befestigte Staatsstraße für Kutschen von Lauterbach nach Friedberg, die heutige Bundesstraße 275, war erst 13 Jahre zuvor vollendet worden.
Erst ab 1906 konnte man lückenlos auf Schienen von Lauterbach bis Stockheim mit Anschluss nach Bad Vilbel und Frankfurt fahren – damals noch mit einer vierten (Steh-)Klasse versehen, die 1928 abgeschafft wurde. Die höchste Ausnutzung verzeichnete die Eisenbahn in den 1930er-Jahren, als nicht nur Berufspendler und Schüler unterwegs waren, sondern erstmals auch Wandergruppen des Vogelsberger Höhen-Clubs – die Geburtsstunde des Vogelsbergtourismus. Später wurden Dieselloks und Schienenbusse eingesetzt, allerdings war es bald vorbei mit der fast flächendeckenden Reiseseligkeit auf Schienen. Die Bahn machte im Vogelsberg Minus und stellte den Personenverkehr 1975 ein, den Gütertransport 1994. Der Vulkanradweg entstand in den Jahren zwischen 2000 und 2007. An den Wochenenden von Mai bis Oktober picken Busse auf sechs Vulkan-Express-Linien Radfahrer auf.
Teilstrecken des Vulkanradwegs eignen sich auch für Inliner. Die Abfahrt von Hartmannshain nach Gedern (neun Kilometer) ist die bei Longboardern populärste »schiefe Bahn« Deutschlands.
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Vulkanradweg
Startpunkt: Bahnhof Altenstadt-Höchst
Bahnhofstraße 19
63674 Altenstadt-Höchst
www.vulkanradweg.de
Gemeindeverwaltung Altenstadt
Frankfurter Straße 11
63674 Altenstadt
06047 80000
www.altenstadt.de
8 Keltenfürst mit Blattkrone
Glauburg: Keltenwelt am Glauberg
Es war eine Sensation in der archäologischen Szene: Das Foto der 1,86 Meter hohen, 2.500 Jahre alten Sandsteinfigur ging 1994 um die Welt. Eine fast intakte eisenzeitliche Skulptur! Nur die Füße fehlen dem Keltenherrscher mit der eigenartigen Kopfbedeckung – eine Blattkrone, sagen die Fachleute. In Europa hat man nichts Vergleichbares entdeckt. Auf die Wetterauer Menschen übte der seit der Jungsteinzeit (4.500 Jahre v. Chr.) besiedelte Glauberg immer schon eine besondere Faszination aus. Deshalb verwundert es nicht, dass man in der Region dafür kämpfte, den aus seinem Grabhügel befreiten Keltenfürsten und weitere Sandstein-Fragmente aus den Restaurationswerkstätten und Labors zurückzubekommen. Zum Schatz gehörten außerdem Gold- und Korallenschmuck, bronzene Accessoires, Waffen und gut erhaltene organische Stoffe aus Leder, Textilien und Holz. Eine Röhrenkanne mit einem fantasievoll ziselierten Deckel offenbart die hohe Handwerkskunst der ansonsten bäuerlichen Keltenkultur.
An musealen Bewerbern zur Beherbergung des Keltenschatzes fehlte es nicht. Schließlich besann sich die hessische Landesregierung: Der Keltenfürst kehrte heim, und es entstand ein gigantisches Museumsprojekt, verbunden mit einem eisenzeitlichen Forschungszentrum. Der mehrfach preisgekrönte quaderförmige Guckkastenbau, der wie ein geducktes Riesentier vorsichtig aus dem Berg herauszukriechen scheint, verfügt über ein gebäudebreites Panoramafenster. Von hier aus blickt man auf den rekonstruierten Grabhügel Nummer eins, den frei zugänglichen Archäologischen Park und die selbst an einem nieselgrauen Novembertag faszinierende Wetterau-Landschaft mit aufsteigenden Nebelschwaden, hinter denen eine blasse Sonne sich kaum bemerkbar macht.
Der Glauberg ist ein bedeutendes Ausflugsziel in der Region. Vom Bahnhof in Glauburg aus führen Rad- und Fußwege auf den »heiligen Berg« der Kelten.
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