1 ...8 9 10 12 13 14 ...19 Allerdings gibt es auch gravierende Hindernisse für einen Spracherwerb, die z. B. in der Wahrnehmung (Gehör), der Wahrnehmungsverarbeitung (Differenzierung von Lautsequenzen), dem Kurzzeitgedächtnis für Gehörtes, der Motorik (Lautproduktion) oder der Handlungsplanung (Bildung von Lautsequenzen) liegen können. Hier kann eine gezielte Diagnostik und Beobachtung manchmal helfen, Hemmnisse zu erkennen. Bei vielen Kindern aber ist nicht sicher feststellbar, was dem Kind den Spracherwerb erschwert. Hier kann ein alternativer Zugang durch Unterstützte Kommunikation die Möglichkeit symbolischer Kommunikation besser eröffnen. Für einige Kinder kann solch alternativer Zugang vorübergehend wichtig sein, wie die sprachunterstützenden Gebärden, die bei der Sprachanbahnung vieler Kinder mit Down Syndrom das Gehörte visuell unterstützen und dadurch das Erlernen des Sprechens erleichtern (Wilken 1999), oder die Schrift, die diese Kinder durch eine Verdeutlichung von Lautkombinationen bei der Verbesserung der Aussprache unterstützen kann (Oelwein 1998). Für andere Kinder sind alternative Symbolsysteme auch dauerhaft die einzige Möglichkeit, an symbolischer Kommunikation teilzuhaben. Erfolg ist am ehesten zu erwarten, wenn hierbei auf der Basis der Beobachtungen der Kommunikationskanal genutzt wird, den das Kind selbst bevorzugt (z. B. visuell vs. akustisch), ein System gewählt wird, das den kognitiven Möglichkeiten des Kindes entspricht (z. B. »trainierte« Signale vs. Symbole) und das in möglichst vielen Alltagssituationen mit den relevanten Kommunikationspartnern genutzt und geübt werden kann.
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Entwicklungsorientierte Sprachdiagnostik und Förderplanung bei minimal verbalen Kindern mit Beeinträchtigung
Christina Müller, Sylvia Mira Wolf & Maren Aktas
Probleme beim Erwerb der Lautsprache gehören zu den zentralen Symptomen unterschiedlicher Entwicklungsstörungen und Behinderungen, wie z. B. spezifischen Sprachentwicklungsstörungen, geistigen Behinderungen oder frühkindlichem Autismus. Auch Kinder mit Körperbehinderungen können erhebliche Schwierigkeiten beim Aufbau lautsprachlicher Fähigkeiten haben. Bei manchen Kindern sind die sprachbezogenen Defizite so stark ausgeprägt, dass es ihnen über einen längeren Zeitraum hinweg oder sogar dauerhaft nicht gelingt, in den produktiven Spracherwerb »einzusteigen« und zumindest basale expressive Lautsprachfähigkeiten aufzubauen; diese Kinder werden auch als »minimal verbal« bezeichnet.
Die Hintergründe für eine (weitgehend) ausbleibende Entwicklung der lautlichen Sprache sind vielfältig. Es können behinderungstypische Beeinträchtigungen vorliegen, wie z. B. eine eingeschränkte soziale Bezugnahme bei Autismus oder (artikulations-)motorische Schwierigkeiten bei schweren Körperbehinderungen. Zudem können Defizite in basalen kognitiven Fähigkeiten (z. B. beim Symbolverständnis) oder schwerwiegende Auffälligkeiten in zentralen Planungs- und Steuerungsprozessen (z. B. in der Aufmerksamkeitssteuerung oder in der Planung von Sprechbewegungen) den Erwerb von lautsprachlicher Kommunikation erschweren.
Für die heilpädagogischen Fachkräfte, Lehrkräfte und (Sprach-)TherapeutInnen, die mit der Kommunikationsförderung und Sprachanbahnung minimal verbaler Kinder betraut sind, stellt die Vielfalt der möglichen Hintergründe eine große Herausforderung für die Planung einer wirksamen Intervention dar. Kenntnisse über die Art der Behinderung des Kindes sind für die Förderplanung hilfreich, reichen aber bei weitem nicht aus. Die Fachleute sind gefordert, differenzierte Informationen über den kommunikativ-sprachlichen Entwicklungsstand des jeweiligen Kindes sowie seine spezifischen Verarbeitungsprobleme zu erheben. Zudem müssen sie beurteilen, welche Beeinträchtigungen für die sprachlich-kommunikative Entwicklung besonders relevant sind und welche Förderziele Priorität haben sollten. Hierfür müssen Befunde aus unterschiedlichen diagnostischen Quellen berücksichtigt und zu einem individuellen Profil der kindlichen Stärken und Schwächen integriert werden.
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