7.10 Rechtsanwaltskanzleien
Rechtsanwaltskanzleien (law firms) kommen bei Unternehmenskäufen vor allem in zwei Bereichen eine zentrale Bedeutung zu: Zum einen führen sie die rechtliche Prüfung der Zielgesellschaft (Legal Due Diligence, ► Teil II 3.9) durch, zum anderen entwerfen und verhandeln sie den Unternehmenskaufvertrag (zumeist in Form eines Share Purchase Agreement, kurz SPA). Hinsichtlich der Frage der steuerlichen Strukturierung von Transaktionen stehen Kanzleien im Wettbewerb insb. mit den Steuerabteilungen der großen WP-Gesellschaften (wobei es hier vor allem bei Umstruktuierungen auch zu einer konstruktiven Kooperation im Sinne des Auftraggebers kommen kann). Diese Wettbewerbssitution resultiert auch daraus, dass die Juristen dem Steuerrecht traditionell viel zu wenig Beachtung schenken (mit Ausnahme des Zweiten Juristischen Staatexamen im Freistaat Bayern gehört das Steuerrecht, soweit ersichtlich, in keinem anderen Bundesland zu den Pflichtfächern in einem der juristischen Staatsexamina). Bei der Umsetzung des Unternehmenskaufs (also beim »Wie« der Umsetzung, der vorab getroffenen betriebswirtschaftlichen Entscheidung über das »Ob« der Unternehmenstransaktion) sitzen die Rechtsanwälte üblicherweise im »Driver Seat«, da es im Kern um den Abschluss von Verträgen geht.
M&A-Anwälte erwarten von allen involvierten Anwälten der Kanzlei häufig, dass jeder die Transaktion verstanden haben muss, was bei Transaktionen, an denen in einer Kanzlei über einhundert Anwälte arbeiten, keine realistische Vorgabe ist. Lebensnäher dürfte die Vorgabe sein, dass die das Projekt maßgeblich steuernden (Corporate-)Anwälte die Logik der Transaktion begriffen haben, d. h. die (tatsächlichen) Motive ihres Mandanten verstanden haben. Rechtliche Basis der Beauftragung bildet meist ein Engagement Letter, bei dem vor allem die Rechtsanwälte vor dem Hintergrund der strengen Haftungsregeln zu ihren Lasten darauf achten sollten, den Gegenstand der Beauftragung klar und möglichst eng zu fassen (Haftungsbeschränkungen können Berater am besten auf der faktischen Ebene durch Eingrenzungen des Umfangs des Auftrags und schwieriger auf der rechtlichen Ebene durch Beschränkungen des Haftungsmaßtabs erreichen).
Zu den führenden M&A-Kanzleien in Deutschland, die i. d. R. entweder als englische LLP oder deutsche PartG mbB organisiert sind, gehören insb. Freshfields Bruckhaus Deringer, Hengeler Mueller, Linklaters, Clifford Chance, Gleis Lutz, Allen & Overy, Baker & McKenzie, Hogan Lovells, Latham Watkins, CMS Hasche Sigle (vgl. zum Ranking www.juve.de/handbuch/de/2020/ranking/24320). Die weltweit berühmteste M&A-Kanzlei, die insb. für ihre innovativen Entwicklungen bei feindlichen Übernahmen bekannt ist, dürfte Wachtell, Lipton, Rosen & Katz sein, die ausschließlich in New York City ein Büro betreibt.
Notare üben anders als Rechtsanwälte ein öffentliches Amt aus (§§ 1 f. BNotO), das sie zur Unparteilichkeit verpflichtet (§ 14 I BNotO). Je nach Bundesland sind sie sog. Nurnotare, d. h. sie üben ausschließlich die Notartätigkeit aus, oder Anwaltsnotare (§ 3 II BeurkG), d. h. sie sind gleichzeitig Notare und Rechtsanwälte (vgl. die Übersicht bei Fischer, WPR, S. 240). Anwaltsnotare müssen sich in derselben Angelegenheit zu Beginn entscheiden, ob sie als unabhängiger Notar oder anwaltlicher Interessenvertreter tätig werden wollen, beides zusammen geht weder gleichzeitig noch sukzessive (§ 3 I Nr. 7 BeurkG). Nurnotare wie Anwaltsnotare dürfen Beurkundungen grds. nur in ihrem Amtsbereich vornehmen (§ 10a II BNotO).
Da in Deutschland die verbreitetste Rechtsform die GmbH ist und der Verkauf und die Abtretung eines GmbH- Geschäftsanteils gem. § 15 III, IV GmbHG nur in Form einer notariellen Beurkundung wirksam ist, bedarf die Unterzeichnung des Unternehmenskaufvertrags ebenso wie der dingliche Vollzug der notariellen Beurkundung gem. den Regeln des Beurkundungsgesetzes (BeurkG). Handelt es sich bei der Zielgesellschaft um eine GmbH & Co. KG sind Kaufgegenstand neben den Kommanditbeteiligungen an der KG auch die Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH, so dass im Ergebnis der gesamte Vertrag der notariellen Beurkundung bedarf. Keiner notariellen Beurkundung bedürfen der Kauf und die Übertragung von Aktien an einer deutschen AG. Geht es um den Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen oder Aktien, die im Wege der Kapitalerhöhung entstehen, ist für die Beurkundung der notwendigen Gesellschafterbeschlüsse und die Beglaubigung der entsprechenden Handelsregisteranmeldungen ebenfalls die Einschaltung eines Notars erforderlich.
Soweit es sich um einen Asset Deal handelt, ist eine (umfassende) notarielle Beurkundung nur notwendig, wenn Aktiva veräußert werden, deren Verkauf und Übertragung nur durch Erklärungen vor einem Notar möglich sind (wie bei Grundstücken, vgl. für den Verkauf § 311b I BGB und für die Übertragung §§ 873 I, 925 BGB) oder wenn ausnahmsweise § 311b III BGB eingreift (hierauf wird noch im Detail eingegangen werden, ► Teil II 4.6). Vor allem bei Immobilientransaktionen im Wege des Asset Deals kommt den Notariaten eine maßgebliche Rolle zu, die über die reine Beurkundung hinausgeht und auch die weitere Abwicklung umfasst.
Im Ergebnis ist die Beurkundung der meisten Unternehmenskäufe in Deutschland zwingend erforderlich, da die meisten Zielgesellschaften entweder die Rechtsform der GmbH oder GmbH & Co. KG sind und im Wege des Share Deals veräußert werden. Verstöße gegen eine etwaige Beurkundungspflicht führen zur Nichtigkeit der Vereinbarung gem. § 125 S. 1 BGB, wobei eine formwirksame Übereignung gem. § 15 IV S. 2 GmbHG oder gem. § 311b I S. 2 BGB das formunwirksame Verpflichtungsgeschäft heilen würden. Auf die Möglichkeit von Auslandsbeurkundungen bei dem Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen wird später noch eingegangen (► Teil I 9).
7.12 Transaktionsrelevante öffentliche Institutionen
7.12.1 Finanzaufsicht
Im Bereich der öffentlichen Übernahmen (Public M&A) hat im Zusammenhang mit der Einhaltung umfassender regulatorischer Vorgaben die dem Bundesfinanzministerium unterstehende Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit Sitz in Bonn und Frankfurt am Main eine zentrale Funktion (vgl. insb. § 4 WpÜG).
7.12.2 Wettbewerbsbehörden und Bundeswirtschaftsministerium
Soweit die Schwellenwerte für die deutsche oder europäische Fusionskontrolle erreicht werden, ist eine Anmeldung bei den Kartellämtern in Bonn oder Brüssel vorzunehmen (diese Anmeldungen erfolgen alternativ, es können aber noch Anmeldungen in Jurisdiktionen außerhalb der EU kumulativ hinzutreten). Diese Anmeldungen sind meist nur ein eher technischer Vorgang, der nur bei wenigen, dann aber meist wirtschaftlich sehr bedeutenden Unternehmenszusammenschlüssen im Ergebnis zu Auflagen oder gar zur Untersagung führt.
Im Rahmen einer etwaigen Ministererlaubnis (§ 42 I S. 1 GWB) und vor allem bei regulatorischen Beschränkungen von ausländischen Investitionen in Deutschland kommt dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) eine zentrale Bedeutung zu.
7.12.3 Insolvenzgerichte und Insolvenzverwalter
Bei Unternehmenskäufen aus der Insolvenz (Distressed M&A) kommen dem zuständigen Insolvenzgericht (§ 2 InsO) und dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter (§§ 56 ff. InsO) eine zentrale Funktion zu. Auch wenn die Involvenzgerichte Teil der Justiz sind, haben sie doch einen behördlichen Charakter, wie sich z. B. daran erkennen lässt, dass Involvenzrichter sich bei Haftungsprozessen nicht auf das Spruchrichterprivileg (§ 839 II BGB) berufen können. Ein weiterer typischer Beteiligter bei Insolvenzverfahren ist der Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) mit Sitz in Köln als gesetzlich bestimmter Träger zur Sicherung der betrieblichen Altersversorgung im Falle der Insolvenz (§ 14 I S. 1 BetrAVG). Auf das Thema Distressed M&A wird später genauer eingegangen (► Teil II 9).
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