• Die Anpassung der rechtlichen Konzernstruktur an die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse gehört zu den weiteren Motiven. Allerdings ist zu beobachten, dass häufig für viele Konzerne die Reduktion der Steuerbelastung wichtiger ist als die betriebswirtschaftlichen Strukturen, was bei manchem Konzern zu recht komplexen Strukturen führt, die betriebswirtschaftlich nicht mehr zweckmäßig sind (in der Praxis ist in diesem Kontext manchmal die Lebensweisheit »Wer mit der Steuer steuert, steuert verkehrt!« zu hören).
• Es kommen auch gesellschaftsrechtliche Gründe in Betracht: Das UmwG wird auch eingesetzt, um gesellschaftsrechtliche Konflikte zu lösen, so kann es zweckmäßig sein, dass ein Konzern aufgespalten wird, um die das Unternehmen lähmenden Streitigkeiten zwischen zwei Familienstämmen zu beenden (ein ebenso verbreitetes wie schwer lösbares Problem bei zwei Familienstämmen, die jeweils zu 50% beteiligt sind). Ein anderer Grund mag sein, dass eine AG in eine GmbH im Wege des Formwechsels umgewandelt wird, um auf diese Weise relativ unauffällig einen Aufsichtsrat abzuschaffen (soweit die Mitbestimmungsgesetze dem Vorhaben nicht entgegenstehen). Umgekehrt mag der Formwechsel von einer GmbH in eine AG dazu dienen, den Einfluss der Gesellschafter zu reduzieren, da die Aktionäre einer AG kein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand haben (jedenfalls solange kein Beherrschungsvertrag geschlossen wurde und auch keine – ohnehin nur höchst selten vorkommende – Eingliederung vorliegt, vgl. §§ 308 I, 323 I AktG).
• Ein etwas überraschendes Motiv ist hin und wieder die Möglichkeit der Heilung rechtlicher Mängel von Gesellschaftsstrukturen gem. § 20 II UmwG. Hier wird künstlich eine Umwandlungsmaßnahme durchgeführt, um etwaige, bereits vor der Umwandlung bestehende rechtliche Mängel oder Unklarheiten in der Gesellschafterstruktur durch die Heilungswirkung der Umwandlung zu eliminieren.
• Auch regulatorische Erfordernisse können Umwandlungen notwendig werden lassen: Wenn etwa eine GmbH an die Börse gebracht werden soll, ist es unumgänglich die (nicht börsenfähige) GmbH im Wege des Formwechsels z. B. in eine (börsenfähige) AG umzuwandeln.
Anders als bei Unternehmenskäufen dürften persönliche Motive des Managements bei Umstrukturierungsmaßnahmen eher selten eine Rolle spielen. Aber denkbar sind sie auch hier, wenn etwa durch den Formwechsel einer GmbH in eine AG das Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber dem Management (anders als die Geschäftsführung einer GmbH ist der Vorstand einer AG grds. nicht weisungsgebunden) entfällt oder es zu einer anderweitigen Veränderung im Machtgefüge des Unternehmens kommt.
6 Unternehmensbewertungen
»Price is what you pay; value is what you get« ist ein legendäres Zitat, welches (wohl zu Unrecht) mit der amerikanischen Investorenlegende Warren Buffet in Verbindung gebracht wird ( https://en.wikiquote.org/wiki/Warren_Buffett#Disputed) und welches (unabhängig von der tatsächlichen Urheberschaft) das Augenmerk auf die Schlüsselfrage jeder Transaktion lenkt: Was ist eigentlich der Wert, der zum Verkauf stehenden Gesellschaft oder genauer gefragt: Wie wird dieser Enterprise Value bestimmt, wenn es keinen Börsenkurs gibt? Dafür gibt es eine Reihe von Bewertungsmethoden, von denen hier nur die wichtigsten Ansätze kurz erwähnt werden sollen (vgl. hierzu Aders in Meyer-Sparenberg/Jäckle, M&A, § 10 Rd. 3 ff.):
• Bei der recht simplen und damit für Ad hoc-Bewertungen sehr gut geeigneten Multiplikator-Methode werden bestimmte Kennzahlen eines Unternehmens (also Bezugsgrößen wie EBIT, EBITDA oder Umsatzerlöse bzw. Nettomieteinnahmen bei Immobilien) einfach mit einem aus anderen Transaktionen in einer bestimmten Branche hergeleiteten Faktor (tradtionell meist wohl zwischen vorsichtigen sechs und optimistischen zehn oder mehr, aktuell, jedenfalls in der Vor-Corona-Ära, auch deutlich höher) multipliziert (vgl. zur Vergangenheit Zwirner/Magel in Hettler/Stratz/Hörtnagl, Unternehmenskauf, § 4 Rd. 161). Verbreitet ist auch die Verwendung eines von vergleichbaren kapitalmarktorientierten Gesellschaften abgeleiteten Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) als Multiplikator (Böcking/Rauschenberg in Fleischer/Hüttemann, Unternehmensbewertung, 2.52). Bei genauerer Betrachtung handelt es sich bei der Multiplikator-Methode weniger um eine Methode zur Bestimmung des Enterprise Value als um eine Methode zur Bestimmung des zu zahlenden Kaufpreises (welcher von weiteren Faktoren wie z. B. der allgemeinen M&A-Marktsituation beeinflusst wird), d. h. hierbei handelt es sich um eine marktorientierte Bewertungsmethode.
• Bei der verbreiteten Discounted Cashflow-Methode (DCF-Methode) werden die mit Hilfe risikoangepasster Zinssätze berechneten künftigen Zahlungen an die Kapitalgeber als Basis genommen, d. h. die künftigen Zahlungsströme sind die maßgebende Berechnungsgrundlage (ausführlich Böcking/Rauschenberg in Fleischer/Hüttemann, Unternehmensbewertung, 2.48 ff.).
• Beim ebenfalls verbreiteten Ertragswertverfahren wird der Barwert der künftig zu erwartenden Überschüssen eines Unternehmens als Grundlage der Bestimmung des Unternehmenswerts genommen, d. h. es wird auf die zu erwartenden künftigen Erträge abgestellt.
• Neben diesen Verfahren, die auf den gesamten Wert eines Unternehmens abstellen, exisiteren noch einzelwertbasierte Verfahren, zu denen der Substanzwertansatz und der Liquidationswertansatz zählen. Der Substanzwert stellt auf die Wiederbeschaffungskosten ab, der Liquidationswert setzt auf dem Substanzwert auf und berücksichtigt zusätzlich Schulden und Liquidationskosten (vgl. Hemel/Link, Familienunternehmen, S. 86 f.).
Die einzelwertbasierten Bewertungsansätze sind im Falle einer geplanten Fortführung des Unternehmens (going concern) und bei betriebsnotwendigen Vermögen von untergeordneter Relevanz und bilden nur die Untergrenze des Unternehmenswerts. Stattdessen sind die DCF-Methode und das Ertragswertverfahren als Gesamtbewertungsverfahren die Standardmethoden der Praxis. Für die DCF-Methode und das Ertragswertverfahren hat das Institut für Wirtschaftsprüfer in Deutschland Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen entwickelt (IDW S1-Gutachten). Diese sollen eine objektive und transparente Bewertung ermöglichen.
Letztlich müssen aber immer auch weitere Faktoren wie die Strategie des Managements und die Wettbewerbssituation berücksichtigt werden, so dass eine schematische Bewertung sehr fehleranfällig ist. Oft führt nur der Kaufinteressent, aber nicht der Verkäufer eine Bewertung durch, was insb. bei mittelständischen Veräußerern damit zusammenhängen dürfte, dass häufig rein persönliche Gründe (wie die Nachfolgeproblematik) eine entscheidende Rolle bei der Verkaufsentscheidung spielen (vgl. Zwirner/Magel in Hettler/ Stratz/Hörtnagl, Unternehmenskauf, § 4 Rd. 2). Den höchsten Kaufpreis kann der Verkäufer potentiell erzielen, wenn es ihm gelingt, den sog. Best Owner zu identifizieren und an diesen zu veräußern, da dieser den größten Nutzen aus dem Unternehmen ziehen sollte (etwa in Form von einzigartigen Synergien) und daher (jedenfalls theoretisch) auch bereit sein dürfte, den höchsten Kaufpreis zu zahlen.
Nicht selten wird ein Gutachten über den Unternehmenswert in Form einer Fairness Opinion erstellt. Dies dient vor allem auch der Absicherung des Managements vor persönlichen Schadensersatzforderungen wegen einer falschen Bewertung der Zielgesellschaft. Derartige Gutachten werden durch die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (oft durch den Abschlussprüfer der Zielgesellschaft) oder Investmentbanken erstellt. Ein kritischer Punkt bei einer Fairness Opinion ist oft, dass die tatsächliche Unabhängigkeit des Gutachters sichergestellt werden muss.
Ein weiterer M&A-relevanter Teilbereich der Unternehmensbewertung ist die Kaufpreisallokation (Purchase Price Allocation, PPA), d. h. die Verteilung des Kaufpreises eines Unternehmens auf die übernommenen Aktiva und Passiva für den Zweck der Einbeziehung in den Konzernabschluss des erwerbenden Unternehmens. Hierbei erfolgt die Bewertung der einzelnen Posten im Rahmen der anzuwendenden Bilanzierungsmethoden (z. B. IFRS, geregelt in IFRS3 Unternehmenszusammenschlüsse oder § 301 HGB) auf der Grundlage von Zeitwerten in einer Neubewertungsbilanz. Es erfolgt eine vollständige Identifizierung der zu bewertenden Aktiva und Passiva, die auch Posten beinhalten kann, die nicht in der Bilanz des erworbenen Unternehmens enthalten sind, beispielsweise selbst erschaffene Vermögensgegenstände oder Eventualverbindlichkeiten. Weitere Abweichungen zur Bilanz des erworbenen Unternehmens ergeben sich durch den Ansatz von Zeitwerten im Gegensatz zu Buchwerten. Die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Nettowert der Neubewertungsbilanz ist als Firmenwert (Goodwill) zu erfassen, der ggf. auch negativ sein kann.
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