Typische mikroökonomische Motive für Unternehmenskäufe sollen nachstehend aus drei Perspektiven dargestellt werden: Gründe des Käufers für den Erwerb eines Unternehmens, Gründe des Verkäufers für den Verkauf eines Unternehmens sowie persönliche Gründe des Managements, welche insb. beim Unternehmenserwerb zum Tragen kommen. Dabei ist zu beachten, dass es in diesem Kontext eine Vielzahl von wirtschaftswissenschaftlichen Theorien und Erklärungsansätzen gibt, die hier nur schlagwortartig gestreift werden können (vgl. hierzu insb. Wirtz, M&A, S. 61 ff.; Müller-Stewens in Müller-Stewens/Kunisch/Binder, M&A, S. 12 ff.).
4.1 Typische Motive des Käufers
Im Vordergrund stehen oft strategische Motive: Zu den typischen strategischen Zielen zählt etwa die Erzielung von Synergieeffekten, wobei zwischen universellen Synergien, die jeder Käufer erzielen kann, endemischen Synergien, die nur von einem Teil der Käufer erzielt werden können, und einzigartigen Synergien, die nur von einem einzigen Käufer realisiert werden können, unterschieden wird (Wirtz, M&A, S. 63).
Einige Investoren verfolgen aber auch eher finanzielle Motive und erwerben Gesellschaften von vornherein für einen begrenzten Zeitraum, um diese nach einer Umstrukturierung mit Gewinn wieder zu veräußern, oder um diese gewinnbringend zu zerschlagen (Raider-Theorie) (Müller-Stewens in Müller-Stewens/Kunisch/Binder, M&A, S. 13). Ein ähnlicher Erklärungsansatz findet sich in der Bewertungstheorie, die solche Käufe u. a. damit erklärt, dass auf Basis eines Informationsvorsprungs unterbewertete Gesellschaften erworben werden.
Grenzüberschreitende Unternehmenskäufe können den Einstieg in neue ausländische Märkte ermöglichen, um etwa die Errichtung neu gegründeter Gesellschaften im Ausland zu vermeiden. Ökonomen sprechen bei Investitionen im Ausland durch Unternehmensübernahmen (M&A) von Brownfield Investments, im Gegensatz zu Greenfield Investments bei denen quasi auf der grünen Wiese eigene Gesellschaften oder Produktionsstätten im Ausland errichtet werden.
4.2 Typische Motive des Verkäufers
Zu den klassischen Gründen für den Verkauf von Unternehmen gehören in der jüngeren Vergangenheit (ungefähr seit der Wiedervereinigung Deutschlands) die Konzentration auf das Kerngeschäft (core business) oder auch die Beschaffung von finanziellen Ressourcen für attraktivere Investments (illustrativ zu den Handlungsoptionen Rövekamp in Bleuel, Internationales Management, S. 226 ff.). Die bereits erwähnte gegenwärtige Nachfolgeproblematik im Mittelstand in Deutschland ist ein weiterer bedeutender Grund für den Verkauf von Unternehmen. Andere mögliche Motive wie der schon bei Erwerb geplante Exit bei Finanzinvestoren oder die Umsetzung kartellrechtlicher Verpflichtungen wurden bereits erwähnt.
4.3 Persönliche Motive des Managements
Von den dargestellten Gründen für Unternehmenstransaktionen aus der Perspektive der Unternehmen sind die oft ganz anders gelagerten persönlichen Motive der handelnden Organe zu unterscheiden, die naturgem. nicht offengelegt werden und damit schwerer zu identifizieren sind (frei nach dem alten Motto: Für alles gibt es immer einen guten Grund – und einen wahren Grund). Die Geschäftsführung ist bei größeren Konzernen typischerweise nicht identisch mit den Eigentümern (mögen sie auch vor allem bei börsennotierten Gesellschaften oft kleinere Aktienpakete halten), so dass hier eine klassische Prinzipal-Agent-Beziehung mit den für diese Beziehung typischen Interessenkonflikten und Informationsasymmetrien besteht (z. B. wenn es darum geht, ob Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet oder in Akquisitionen investiert werden sollen). Als (kontraproduktive) persönliche Motive der Manager, die signifikant von den Interessen der Eigentümer abweichen können, kommen insb. nachstehende Gründe in Betracht (vgl. hierzu insb. Glaum/Hutzschenreuther, M&A, S. 83 ff.):
• Streben nach Geld, Macht, Prestige und Selbstverwirklichung (Empire Building) (vgl. Glaum/Hutzschenreuther, M&A, S. 83 ff.; Lucks/Meckl, M&A, S. 11 f.).
• Systematische Selbstüberschätzung des Managements (Hybris-Hypothese) (vgl. Glaum/Hutzschenreuther, M&A, S. 83 ff.; Lucks/Meckl, M&A, S. 12).
• Sicherung der eigenen Position durch Vergrößerung des eigenen Unternehmens zum Schutz vor Übernahmen oder zu Verschleierungszwecken (Selbsterhaltung, könnte hierfür vielleicht als Bezeichnung verwendet werden; Müller-Stewens in Müller-Stewens/Kunisch/Binder, M&A, S. 14, spricht in diesem Kontext von der Schaffung von Manövrierungsspielräumen z. B. durch Überkreuzfinanzierungen zwischen Geschäftsbereichen).
• Unreflektierte Übernahme von Markttrends (Herdentrieb, wäre hierfür vielleicht ein passendes Schlagwort; diese Anpassung an Modetrends wird oft als Wellentheorie bezeichnet, Müller-Stewens in Müller-Stewens/Kunisch/Binder, M&A, S. 14, hier entstehen M&A-Wellen quasi aus sich selbst heraus).
• Angst vor Ansehensverlust bei Abbruch weit fortgeschrittener Transaktionen (Eigendynamik, wäre hier vielleicht eine treffende Bezeichnung; in der Literatur wird dies häufig als Prozesstheorie bezeichnet, Müller-Stewens in Müller-Stewens/Kunisch/Binder, M&A, S. 14).
Diese Unterschiede zwischen den Motiven des Managements und der Interessenlage der Aktionäre mag ein wichtiger Grund dafür sein, dass zumindest über die Hälfte aller Transaktion als nicht erfolgreich gelten (► Teil I 12).
5 Motive für Unternehmensumstrukturierungen
Wie bei Unternehmenskäufen können auch die Gründe für Umstrukturierungen sehr verschieden sein, allerdings sind die Ursaschen bei Umstrukturierungen meist eher technischer Natur (vgl. zu den Ursachen Limmer in Limmer, HdB Unternehmensumwandlung, Teil 1 Rd. 257 ff., sowie Kraft in Kraft/Redenius-Hövermann, Umwandlungsrecht, Kap. 1 Rd. 1 ff.). Der entscheidende juristisch-technische Vorteil von Umwandlungen auf Basis des Umwandlungsgesetzes (UmwG) ist vor allem im Rahmen der Verschmelzung und Spaltung die (bei einer Spaltung allerdings nur partielle) Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession), d. h. Aktiva und Passiva können insb. ohne die Zustimmung Dritter auf eine andere Gesellschaft übertragen werden (§§ 20 I Nr. 1, 131 I Nr. 1 UmwG). Dies wäre bei einem alternativ in Betracht kommenden Asset Deal nicht der Fall, da beim Asset Deal die Übertragung der Aktiva und Passiva im Wege der Einzelrechtsnachfolge (Singularsukzession) erfolgen würde. Besonders attraktiv werden Umwandlungen nach dem Umwandlungsgesetz auch dadurch, dass der Gesetzgeber mit dem Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) die grds. Möglichkeit der steuerneutralen Umwandlung geschaffen hat.
Beim Formwechsel, bei dem es als einziger Umwandlungsvariante zu keinem Transfer kommt, wird dasselbe Ergebnis durch den Grundsatz der Identitätswahrung erzielt (Identitätsprinzip, § 202 I Nr. 1 UmwG), d. h. rechtlich und wirtschaftlich ist die Gesellschaft vor und nach dem Formwechsel identisch. Steuerrechtlich wird hier allerdings in den Fällen sog. kreuzender Formwechsel, also ein Formwechsel zwischen unterschiedlichen Steuerregimen unterliegenden Personen- und Kapitalgesellschaften, ein Transfer fingiert (► Teil III 5.4.9).
Folgende Motive sind bei Umstukturierungsmaßnahmen zu beobachten:
• Entsprechend der Zielsetzung dieses Buchs soll zunächst das Motiv der Vor- und/oder Nachbereitung von Unternehmenskäufen hervorgehoben werden. Unternehmenskäufe werden nur höchst selten als Umstrukturierung auf Basis des Umwandlungsgesetzes (UmwG) durchgeführt. Dieser Aspekt soll am Ende dieser Einführung noch einmal genauer beleuchtet werden (► Teil I 19).
• In der Praxis wird das UmwG sehr häufig für steuerlich veranlasste Umstrukturierungen eingesetzt (mag die Begründung gegenüber der Finanzverwaltung auch eine andere sein). Dieses Motiv der Steueroptimierung wird hier bewusst an vorderer Stelle genannt, da dieses Ziel zu den Hauptanwendungsfällen von Umwandlungen in der Praxis gehört.
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