1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 »Kannst du neuen Stoff besorgen?« Jake schien erst in diesem Moment zu bemerken, dass seine Hand immer noch auf meiner lag. Rasch griff er nach seiner Kaffeetasse.
»Ja. Eine große Bestellung ist noch unterwegs. Aber ich muss die Stoffe ersetzen, die beschädigt wurden. Ich frage mich, ob es in Denver einen Stoffladen gibt.« Ich machte mir eine mentale Notiz, im Internet nachzusehen. Ich würde sicher in letzter Minute noch Dinge wie Knöpfe oder Reißverschlüsse brauchen, sobald der Produktionsprozess weiter fortgeschritten war.
Mir fiel auf, dass Jake einen Blick auf die dekorativen Kissen warf, die ich auf dem Sofa platziert hatte. Er hatte zwar kein Wort darüber verloren, aber er freute sich doch sicher darüber, dass ich die Hütte etwas wohnlicher und weniger deprimierend gestaltet hatte. Oder? Je länger er die Kissen betrachtete, desto düsterer wurde seine Miene. Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Oh Gott, ich war zu weit gegangen. »Es tut mir leid, ich … Ich dachte, ein paar Farbakzente würden dich erfreuen. Ähm, ich könnte ein bisschen Stoff holen und dir neue Kissen für dein Sofa machen. Es geht ganz schnell und dann würde deine Hütte mehr wie ein Zuhause ausseh…«
Noch während ich sprach, ging er zum Sofa. Unverwandt starrte er das Kissen an, um das ich den blauen Schal gewickelt hatte. Er griff danach und wickelte den Schal vorsichtig und langsam wieder ab. Ich hatte gut aufgepasst, den Stoff nicht zu beschädigen oder auszuleiern, als ich ihn um das Kissen gewickelt hatte. Doch er tat so, als hätte ich den Schal zum Fußabtreter umfunktioniert. »Nicht nötig«, sagte Jake, seine Stimme war dumpf und kühl. »Ich finde es gut so, wie es ist. Ich brauche nichts von diesem bunten Scheiß. Du kannst jetzt in deine Hütte zurückgehen. Ich habe die Heizung repariert. Es war wirklich nur der Sicherungsschalter.«
Ich starrte ihn entsetzt an. Er war wie ausgewechselt. Der nette, besorgte Mann war plötzlich verschwunden. Plötzlich war da nur mehr ein kaltherziger Arsch, der mich so schnell wie möglich rauswerfen wollte. »Oh. Okay. Tja, dann danke für deine … Hilfe.« Ich stand auf, hob Boo hoch und ging zur Tür. Dort drehte ich mich noch einmal um.
»Wenn deine Verbrennung rot wird oder du Fieber bekommst, dann …«
»Ja, ja«, sagte ich und wedelte mit der Hand, als wollte ich seine Bedenken wegwischen. »Dann komme ich gleich zu dir.«
»Nein. Ich wollte sagen, dass du dann gleich in die Klinik in der Stadt fahren solltest.«
Alles in mir wurde taub. Es war schon lange her, dass ein Mann, den ich attraktiv fand, mich nicht gewollt hatte. Sogar die Heteromänner dachten üblicherweise zumindest darüber nach, einfach nur aufgrund meines Aussehens. Aber er wollte mich nicht einmal in seiner Nähe haben, um nach meiner Wunde zu sehen, falls sie sich entzündete? Und das nach all der Besorgnis, die er eben noch gezeigt hatte? Ich brauchte meine ganze Willenskraft, um nicht sofort zurück zu meiner Hütte zu laufen und meine Wunden zu lecken. Stattdessen hielt ich mich an meine aufgesetzte Freundlichkeit. »Mach ich. Vielen, vielen Dank für die freundliche Verarztung und die Behebung meines Heizungsproblems. Wie von dir gewünscht, werde ich dir zum Dank weder etwas backen noch nähen. Und ich gehe dir zukünftig aus dem Weg. Einen wunderschönen Abend noch.«
Ich wartete nicht auf eine Antwort. Rasch griff ich nach Boos Pullover und verließ die Hütte. Ich schloss sanft die Tür hinter mir, obwohl ich sie am liebsten zugeknallt hätte. Dann setzte ich Boo auf dem Boden ab, damit sie auf dem kurzen Weg zu unserer Hütte ein wenig herumschnuppern konnte. Sie lief sofort los und hüpfte in Richtung Waldrand, wo sie offenbar irgendetwas Interessantes roch.
»Na schön, dann geh eben«, rief ich ihr nach. »Anscheinend ist meine Gesellschaft schrecklich. Wer könnte es dir verübeln?«
Nachdem ich eine Stunde lang versucht hatte, den Rauchgeruch aus all meinen Sachen zu entfernen, beschloss ich, in die Stadt zu fahren. Mal sehen, was man in dem kleinen Ort für Klamotten kaufen konnte. Aber eigentlich ging es gar nicht um die Kleidung, das war mir klar. Zoey hatte recht behalten, ich sehnte mich nach Gesellschaft. Der umwerfende, aber gemeine Nachbar hatte eines ganz deutlich bewiesen: Nicht nur, dass er nicht mit mir ins Bett wollte, er war offensichtlich nicht einmal an einer Freundschaft mit mir interessiert. Dass er nicht mit mir ins Bett wollte, damit konnte ich leben. Aber ich konnte nicht leugnen, dass ich einen Freund gut gebrauchen konnte.
Vielleicht finde ich in der Stadt ja nicht nur Klamotten, sondern auch neue Freunde.
Bei dem Gedanken musste ich ein wenig lächeln. Aber als ich nach meinem Autoschlüssel suchte und nach draußen ging, fiel mein Blick automatisch auf Jakes Hütte. Offensichtlich war ich masochistisch veranlagt.
Jake
»Jake, willkommen zu Hause.« Peters Stimme hüllte mich ein wie eine warme Decke. Ich hatte über meine Schulter geblickt, also sah ich ihn erst, als ich in ihn hineinlief. Ich warf mich praktisch in seine Arme. Es gab so vieles, was ich ihm sagen musste, aber ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. »Hey«, sagte Peter mit einem Lachen, als er mich umarmte und mich dann sanft von sich schob. Er musterte mich einen Moment, dann verzog er das Gesicht. »Wo ist denn dein Mantel?«, fragte er. »Hast du vergessen, dass hier Winter ist?« Er lächelte, dann wickelte er sich den Schal vom Hals und trat näher.
»Peter, ich muss mit dir reden«, sagte ich hastig und ignorierte das Gefühl seiner Finger an meinem Hals, als er mir den Schal umband.
»Okay, klar, lass uns nach drinnen gehen, wo es warm ist«, antwortete er. Er trat einen Schritt zurück und blinzelte mich mit seinen braunen Augen an. Für einen Moment vergaß ich alles. Nur seine Nähe war im Moment wichtig.
»Gott, ich habe dich so sehr vermisst«, hörte ich mich selbst flüstern. »Ich muss dir so viel erzählen.«
Er musterte mich eingehend, dann nickte er. »Ich muss dir auch vieles erzählen, Jake. Aber lass uns drinnen reden, ja?«
Ich nickte ebenfalls und warf einen Blick zum Kaffeehaus. Es war nicht viel los, also würden wir die nötige Privatsphäre haben. »Okay.«
Peter erwiderte noch für einen Moment meinen Blick, dann seufzte er und trat einen Schritt auf mich zu. Nur zu gerne ließ ich mich in seine Arme sinken. Doch bevor er sie um mich schlingen konnte, hörte ich einen leisen Knall. Und dann noch einen.
Das Geräusch eines Motors, der gestartet wurde, riss mich aus meinen Gedanken. Ich hielt den wunderschönen blauen Schal so fest umklammert, dass er völlig zerknittert war. Rasch lockerte ich meinen Griff. Ich warf einen Blick aus dem Fenster und sah einen verschwommenen roten Fleck, der gerade die Einfahrt hinunterfuhr.
Oz. Er fuhr weg. Weil ich ihn vertrieben hatte. Indem ich mich schon wieder wie ein Arsch verhalten hatte. Ich seufzte und starrte den Schal in meinen Händen an. Dann tat ich etwas, das ich schon sehr lange nicht mehr getan hatte: Ich vergrub meine Nase darin. Aber der einst so vertraute Geruch nach Burberry-Aftershave war schon lange verflogen. Ich zwang mich dazu, den Schal wieder sinken zu lassen und ihn zurück zu meinem Kleiderschrank zu bringen. Mir war klar, dass ich Oz eine Entschuldigung schuldete. Aber ich wusste auch, dass ich mich in Zukunft von ihm fernhalten musste. Wenn mir bisher nicht klar gewesen war, wie anziehend ich ihn fand, so konnte ich es nun definitiv nicht mehr verbergen. Und diese Anziehung war nur ein Teil des Problems. Meine Gedanken wanderten wieder zu seinem Kommentar über den Hund. Seine Worte hatten irgendwie wehmütig geklungen. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht nur über das hässliche kleine Tier gesprochen hatte. Irgendwie wurde ich nicht schlau aus diesem Mann.
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