Ich sah mich in meinem Schlafzimmer um und trat dann wieder ins Wohnzimmer. Die kleinen Farbkleckse strahlten mir entgegen wie ein Leuchtfeuer, auch wenn sie klein waren. Als ob Oz dem Raum seinen persönlichen Stempel aufgedrückt hätte. Er hatte etwas hier zurückgelassen, und es war mehr als nur eine kleine Verschönerung meines Wohnzimmers. Er mochte eindeutig hübsche Dinge, aber anscheinend ging es nicht darum, wie teuer sie waren. Wie etwa seine Schuhe. Er hatte das Design erwähnt, aber nicht die Tatsache, dass sie wahrscheinlich ein Vermögen gekostet hatten. Ich war nicht komplett ahnungslos; natürlich wusste ich, wer Karl Lagerfeld war. Aber Oz hatte nichts darüber erwähnt, wie viel Geld er für die Schuhe hingeblättert hatte. Und dann war da die Art, wie er über seinen Hund gesprochen hatte. Boo war für ihn wohl nicht eines dieser schicken Designer-Haustiere, die man stolz in der Handtasche herumtrug. Mein Blick fiel wieder auf die Decke auf der Couch, auf das grün überzogene Kissen, das … Heilige Scheiße, das war mein grünes Lieblingshemd. Jenes, das ich nur zu besonderen Anlässen trug. Am liebsten hätte ich gelacht. Oz hatte wahrscheinlich einen Blick darauf geworfen und sich gedacht, dass es wahrscheinlich nur irgendein altes Kleidungsstück war, das ich nicht vermissen würde. Dieser junge Mann war mir wirklich ein Rätsel. Wenn es um Sex ging, war er wohl der feuchte Traum jedes schwulen Mannes. Er sah einfach unglaublich gut aus. Und während er in manchen Dingen selbstbewusst und geradezu stur war, war er in anderen Dingen unglaublich naiv und ahnungslos. Er hatte eine Menge teures Zeug, aber soweit ich das erkennen konnte, ging es ihm nicht um den Preis. Die Liebe, die er seinem Hund schenkte, bewies, dass er ein gutes Herz hatte. Auch wenn manches, was er über Boo gesagt hatte, ein wenig dick aufgetragen war. Und er genoss die kleinen Dinge. Wie zum Beispiel ein wenig Farbe in mein Leben zu bringen. Doch zu welchem Zweck? Um die Antwort darauf zu finden, müsste ich wohl versuchen, ihn zu verstehen. Und das stand definitiv nicht zur Debatte. Ich schüttelte den Kopf, ließ das Kissen und die Decke aber auf dem Sofa liegen. Später hätte ich immer noch Zeit, alles wieder wegzuräumen. Was Oz anging, so beschloss ich, meinem neuen Nachbarn aus dem Weg zu gehen. Bis er verstand, dass er genauso wenig in mein Leben passte wie die Farbkleckse auf meinem Sofa. Irgendwann würde er es schon kapieren und alles würde wieder normal werden. Sobald der süße Modedesigner zurück nach New York fuhr, würde in meinem Leben alles wieder so sein wie zuvor. Farblos. Still. Sicher.
* * *
Es war nun drei Tage her, dass ich mir geschworen hatte, Oz aus dem Weg zu gehen. Doch ich musste ihn gar nicht meiden. Er mied nämlich mich. Nicht, dass ich es ihm verübeln konnte, nachdem ich ihn so angeblafft hatte. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er wieder meine Nähe suchen würde. Doch die paar Male, in denen ich ihn zu Gesicht bekam, ignorierte er mich völlig. Sein kleiner Hund war mir eines Morgens auf dem Weg zum Auto entgegengelaufen. Doch Oz hatte Boo ungewöhnlich streng zurück zur Veranda gerufen, als sie auf seinen ersten Ruf nicht reagiert hatte. Prinzessin Cujo hatte gehorcht und es war kaum überraschend, dass Oz’ Ärger sofort verflogen war, als er das Hündchen auf den Arm genommen hatte. Er hatte es mit Küssen übersät und ihm etwas ins Ohr geflüstert; eine Entschuldigung, nahm ich an. Dann hatte er es zurück ins Haus getragen, während es glücklich mit dem Schwanz gewedelt hatte.
Mein Instinkt versuchte immer wieder, mich dazu zu überreden, nach ihm zu sehen. Doch ich schaffte es, mich davon abzuhalten. Der Mediziner in mir wollte sichergehen, dass seine Verbrennung auch gut verheilte. Der Mann in mir wollte sich davon überzeugen, dass er es auch schön warm hatte und für den kommenden Kälteeinbruch alles hatte, was er brauchte. Aber der bezaubernde kleine Oz war nicht mein Problem. Nun ja, doch, irgendwie schon. Aber es gefiel mir überhaupt nicht. Es war definitiv ein Problem, dass ich jede Nacht von ihm träumte. Und dass ich seinen Namen murmelte, wenn ich mir unter der Dusche einen runterholte. Nun, da sein Auto weg war, fiel es mir leichter, nicht an ihn zu denken. Oder an den Drang, nach ihm zu sehen.
Gerade, als ich in meinen Truck stieg, klingelte mein Handy. Ich startete den Motor, bevor ich ranging. Auf dem Display sah ich sofort, wer anrief. Und so gerne ich Xander den dritten Tag in Folge ignoriert hätte, ich wusste, wenn ich so weitermachte, würde er vorbeikommen und nach mir sehen. Unangemeldet natürlich. Ich nahm den Anruf entgegen. »Hey«, sagte ich.
»Selber hey«, antwortete Xander. »Hast du heute Abend schon was vor?«
Ich schloss die Augen. Diese Frage hatte ich erwartet. »Ähm, sorry, ich … Ich hab noch was zu erledigen.«
»Ach ja, was denn?«
Die Frage erwischte mich auf dem falschen Fuß. Xander bohrte normalerweise nicht nach. »Zeug«, antwortete ich lahm.
»Aha«, äußerte Xander. Er war eindeutig nicht überzeugt davon, dass ich die Wahrheit sagte. Zum Glück stellte er mich nicht zur Rede. »Also, wie läuft es mit dem süßen Nachbarn?«
Jesus, wollte er jetzt wirklich den Kuppler spielen? »Gut. Er geht mir aus dem Weg, ich gehe ihm aus dem Weg.« Ich konnte förmlich sehen, wie Xander am anderen Ende der Leitung das Gesicht verzog.
»Also hast du noch nicht mit ihm geredet?«
»Nein«, log ich. Auf keinen Fall würde ich zugeben, dass es mehr als das gewesen war.
»Na, dann solltest du das tun. Er ist toll. Süß. Und auch lustig.«
Ich hasste es, dass mich augenblicklich die Eifersucht packte bei dem Gedanken, dass jemand anderes Oz mochte. Obwohl ich wusste, dass Xander nie einen anderen Mann eines Blickes würdigen würde. Nicht, wenn er Bennett hatte. »Du hast mit ihm geredet?«
»Ja, ich habe ihn in New York mal getroffen. Auf diesem Benefizkonzert, das Ash auf die Beine gestellt hat. Und dann noch einmal, als er vorbeigekommen ist und seine Miete für den Winter bezahlt hat.«
»Für den Winter? Den ganzen Winter?«
»Ja, bis Ende Februar. Er wird aber nicht den ganzen Februar hier sein. Irgendetwas mit Fashion Week. Ich habe gehört, wie er mit Lucky darüber gesprochen hat. Er ist Designer oder so.«
»Ist er«, sagte ich, ohne darüber nachzudenken. »Modedesigner.«
»Also hast du doch mit ihm geredet.«
Ich verdrehte die Augen, weil Xanders Stimme sofort lauter wurde. »Okay, ich muss dann mal los«, sagte ich.
»Warte, warte«, unterbrach Xander mich. »Ich wollte dich eigentlich persönlich fragen, aber bevor ich dich mal zu Gesicht bekomme, begegne ich eher Bigfoot. Also frage ich jetzt.«
»Was?«, wollte ich wissen und wappnete mich für das Schlimmste.
»Bennett und ich haben jetzt ein Datum für die Hochzeit.«
Ich wartete auf den kleinen, schmerzhaften Stich, den ich immer verspürte, wenn Xander Bennett erwähnte. Seltsamerweise passierte nichts. »Okay«, sagte ich. »Und wann ist sie?« Ich wusste, bei diesem Anlass konnte ich mich nicht herausreden. Und eigentlich wollte ich das auch nicht. Egal, wie viel sich verändert hatte. Xander war ein guter Freund und ich freute mich für ihn. Endlich bekam er das Leben, das er verdiente.
»Weihnachten. Und ich will, dass du mein Trauzeuge bist.«
Fuck.
»Wirklich?«, fragte ich und schaffte es irgendwie, überrascht zu klingen statt entsetzt.
»Aiden ist Bennetts Trauzeuge. Und ich will, dass mein bester Freund mein Trauzeuge ist.«
Mein Herz schlug mir bis in die Kehle. Bester Freund? Gott, sah er mich wirklich so? Wenn es so war, dann war ich wohl der beschissenste beste Freund des gesamten Planeten. »Ähm, ja, klar. Okay.«
Super, Jake. Du klingst ja richtig begeistert.
»Okay, cool«, sagte Xander. Er klang ein wenig erleichtert. »Es kommen nur Freunde und enge Verwandte. Wir feiern nur im ganz kleinen Rahmen, bei uns in der Haven Lodge.«
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