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Die Freunde des Schicksals
Das Ende & der Anfang
Fatum Lev
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Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstr. 10, 88085 Langenargen
Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2014.
Lektorat: Hedda Esselborn
Titelbild: Tina Markruksa
Innenillustrationen: Laylor
Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM
ISBN: 978-3-86196-376-9 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-293-7 - Ebook
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Inhalt
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Ich möchte mich bei Kowu, Benjamin, Ryuchan und Anton bedanken, die mir bei der Entstehung der Geschichte wichtige Tipps gegeben haben.
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„Gibt es Gerechtigkeit im Leben?“ Diese Frage stellte sich Lena in den letzten Tagen häufig. Seit einer Weile marschierte sie mit traurigem Blick durch einen Wald. Das dreizehnjährige Mädchen musste an ihren verstorbenen Freund denken und sie verspürte das Gefühl, gleich weinen zu müssen. Das Zwitschern der Vögel hörte sie nicht wirklich. Den kalten Oktoberwind an ihrem Gesicht ignorierte sie auch. Sie trug keine Jacke, es war ihr egal, ob sie sich eine Erkältung holte. Das rothaarige Mädchen schrie verzweifelt Richtung Himmel: „Ventus ... Warum musste es dich treffen? Warum ist das Leben so grausam? Ich hasse das Leben!“
Seitdem sie wach war, dachte Lena nur an diesen Schicksalsschlag. Es war vor zwei Tagen geschehen. Lena hatte ihr Pferd Ventus, ihren einzigen Freund, auf der Koppel ihres Gnadenhofes im Sterben liegend gefunden. Sofort war sie ins Haus gerannt und mit einem Koffer Verbandszeug zurückgekehrt. Sie hatte sich zu ihm gekniet. Seine Verletzungen waren sehr schlimm gewesen. Diesen Anblick würde sie niemals vergessen können. Das Mädchen hatte versucht, seine Verletzungen zu behandeln und hatte ihm ins Ohr geflüstert, dass alles gut werden würde. Aber in ihrem Inneren war ihr bewusst gewesen, dass es keine Hoffnung gab. Dann hatte sie seinen Kopf auf ihre Beine gelegt und ihn liebevoll gestreichelt. Durch sein Schnauben hatte sie gespürt, dass er über ihre Anwesenheit froh war.
Nach einer Weile war der unvermeidbare Moment gekommen. Ventus hatte Lena noch einmal mit einem herzlichen Blick angeschaut, bevor er für immer die Augen schloss. Danach hatte sie sich auf seinen Körper gelegt. Es war ihr egal gewesen, dass ihre Kleidung beschmutzt wurde. Sie wollte sich von ihm verabschieden. Dann hatte sie angefangen, heftig zu weinen.
Nun setzte sich das Mädchen und lehnte sich mit dem Rücken und dem Kopf gegen einen Baumstamm. Sie atmete langsam. Ihre Gedanken beschäftigten sich nun mit dem Tod ihrer Eltern. Vor vier Jahren war ihre Tante Sarah zu ihr nach Hause gefahren und hatte ihr berichtet, dass ihre Mutter und ihr Vater bei einem Verkehrsunfall gestorben waren. Ein Geisterfahrer war dafür verantwortlich gewesen. Diese schlimme Nachricht hatte sie in einen Zustand von Traurigkeit und Fassungslosigkeit versetzt. In ihr war eine große Leere entstanden. Sie hatte kaum etwas essen und trinken wollen, die meiste Zeit des Tages hatte sie sich in ihrem Zimmer befunden und auf ihrem Bett sehr viel geweint. Sie hatte gehofft, dass alles ein Albtraum wäre. Es dauerte sehr lange, bis sie die Wahrheit akzeptiert hatte.
Wenn sie nur an ihre Tante dachte, verspürte sie einen Zorn auf sie. Seit dem Tod ihrer Eltern musste sie leider bei ihr wohnen. Bei ihr zu leben, war für sie überhaupt nicht schön. Ihre Tante Sarah hatte wegen ihres Berufs als Tierärztin kaum Zeit für sie und konnte ihr wegen ihrer Probleme in der Schule nicht wirklich helfen.
Nun musste sie an Ventus’ Mörder denken. Helen, die Besitzerin des Gnadenhofes, hatte ihr berichtet, dass sie zwei Jugendliche mit Messern in den Händen hatte wegrennen sehen. Das Mädchen würde ihnen niemals vergeben. Sie hasste solche Menschen. Ihr Handeln war in Lenas Augen unverzeihlich. Das Wichtigste in ihrem Leben war ihr genommen worden.
Lena schloss die Augen und erinnerte sich an die Augenblicke auf dem Gnadenhof. Jeden Tag war sie dort gewesen, um die Tiere mit Fressen und Trinken zu versorgen. Auch bei schlechtem Wetter war sie trotzdem mit dem Fahrrad dorthin gefahren. So hatte das Mädchen ihre Sorgen und Probleme für eine Weile vergessen können. Zufällig hatte sie erfahren, dass ein Bauer Ventus zum Metzger bringen wollte. Für seine Rettung hatte sie ihr ganzes Erspartes geopfert. Ihr war klar gewesen, dass dieses Geld für mögliche schwere Zeiten gedacht war. Aber sie hatte es nicht ertragen können, dass viele Pferde so ein trauriges Ende erleiden mussten. Deshalb wollte sie so viele von ihnen retten, wie es ihre finanziellen Möglichkeiten erlaubten.
Bei ihrer ersten Begegnung hatten beide gespürt, dass sie sich sehr mochten. Seine ruhige und sanfte Art hatte sie als sehr angenehm empfunden. Lena war sehr geschockt gewesen über seinen schlechten Gesundheitszustand und hatte ihn unbedingt wieder gesund machen wollen. Deshalb hatte Lena sogar die Schule geschwänzt, die sie wegen ihrer Mitschüler sowieso hasste. Der Ärger mit ihrer Tante und den Lehrern war ihr egal gewesen. Während seiner Pflege waren sie Freunde geworden, manchmal hatte sie sogar in seinem Stall geschlafen. Ihre Gegenwart hatte schließlich dafür gesorgt, dass er schneller wieder auf die Beine kam.
Wenn Lena den Gnadenhof erreicht hatte, hatte sie schnell gespürt, dass ihre schlechte Stimmung wegen der Schule langsam immer weniger wurde. Sie hatte ihr Fahrrad abgestellt und war sofort zu Ventus’ Koppel gerannt. Ihr Freund hatte jedes Mal vor Freude gewiehert, wenn er sie gesehen hatte. Das Mädchen war über den Zaun geklettert und hatte ihn intensiv umarmt. Eines Tages hatte sie ihm zugeflüstert: „Ich bin so froh, dass du für mich da bist. Du hilfst mir, meine schlechte Laune wegen Sarah und der Schule zu vergessen. Durch dich ist meine Trauer um meine Eltern verschwunden und ich kann mich wieder richtig glücklich fühlen. Dafür danke ich dir. Du bist mein bester und einziger Freund. Ich wünsche mir, dass wir für immer zusammenbleiben können.“
Sie hatte ihn auf seine Stirn geküsst. In diesem Augenblick hatte Ventus ihre Haare liebevoll mit seinen Nüstern angeschnaubt. Sie hatte darüber jedes Mal lachen müssen, weil es immer so lustig war. Dann hatte ihr Freund sanft mit seinem Kopf ihr Gesicht berührt. Lena hatte sich darüber sehr gefreut und ihn gefragt: „Bei dem schönen Wetter habe ich Lust, wieder den See zu besuchen. Ist es in Ordnung, wenn ich auf dir reite?“
Gleichzeitig hatte sie bestimmte Handbewegungen gemacht. So hatte sie ihm mitgeteilt, was sie von ihm wollte. Ventus hatte das begriffen und genickt. Er war damit einverstanden. Lena hatte ihn immer gefragt, denn sie hatte das nicht als selbstverständlich gesehen. Das Mädchen betrachtete sich und Tiere auf gleicher Augenhöhe.
Die schönen Erinnerungen machten ihr bewusst, dass sie all das nie wieder erleben würde. Plötzlich hatte sie einen Kloß im Hals und musste weinen. Sie schrie verzweifelt: „Ich vermisse dich so sehr! Ich brauche dich!“ Viele Tränen liefen über ihre Wangen. Es dauerte lange, bis sie nicht mehr weinte. Dann wischte sie sich das Gesicht mit einem Arm trocken.
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