»Lebte sie allein?«
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Gesehen habe ich niemanden, aber ein- oder zweimal habe ich während des Besuches merkwürdige Geräusche gehört. Das hätte aber auch ein Tier sein können. Meine Schwester war ganz anders als früher, ruhig, fast abweisend. Sie zeigte keine Emotionen, nicht die kleinste Freude. Die ganze Zeit meines Besuches hatte ich das Gefühl, sie wartet nur darauf, daß ich gehe, um irgend etwas sehr Dringendes zu tun.«
»Danach hast du sie nicht mehr getroffen?«
»Nicht mehr bis 1938.«
Der andere weicht Himmelreichs Blick aus, aber seine Neugier ist ungebrochen.
»Hat sie nur zu dir den Kontakt abgebrochen? Was ist mit ihren Freunden?«
»Zu allen, die ich kenne. Auch meine Eltern hat sie nicht mehr getroffen, was diesen fast das Herz brach. Wir wußten nicht einmal, wovon genau sie lebte.«
»Ja wirklich. Das ist mehr als seltsam. Und du und Majorana – wie vertraut wart ihr eigentlich zu dieser Zeit?«
Die Fragerei wird immer detaillierter und Himmelreich hat mehr und mehr das Gefühl, ausgehorcht zu werden. Am Anfang hat er nichts dagegen gehabt, er will ja alles loswerden, über alles reden, mit jemandem, der weiß, wovon er spricht. Aber jetzt ist er im Zweifel: Gibt er zuviel preis? Andererseits, was kann der andere noch anfangen mit seinem Wissen?
»Wir waren ziemlich vertraut. Ettore hatte nicht viele Freunde, und seine wenigen pflegte er.«
»Hat er dir gegenüber jemals eine Gruppe erwähnt, die Die Wächter genannt werden?«
Die Beiläufigkeit der Frage steht in krassem Gegensatz zu ihrem seltsamen Inhalt. Er sagt werden, als gäbe es die Gruppe noch, was immer sie sein mochte.
»Wer ist das?«
»Hat er die Gruppe erwähnt?«
»Nein. Er hat nie über eine solche Gruppe gesprochen. Wer sind die Wächter?«
Der andere beugt sich vor, greift eine Medikamentenpackung vom Tisch und öffnet sie hastig. Er drückt eine kleine, grüne Pille aus der Folie, steckt sie sich in den Mund und schluckt sie mit etwas Wasser aus dem Glas, das ebenfalls auf dem Tisch steht.
Er atmet schwer, einen Moment, den Blick auf das Glas gerichtet und eine Hand über seinem Herzen an den Körper gelegt, dann ist er wieder bereit.
»Was sie sind, weiß ich nicht; ich halte sie für eine Art Freimaurerloge. Irgendwann stießen wir auf den Namen, in Ettores Umfeld, konnten aber niemanden damit identifizieren.«
Victor ist jetzt hellwach, jede Faser seines Körpers ist gespannt.
»Ja?«
Winklers Tonfall verändert sich, wird ruhig und sachlich, die Stimme tief und tönend. Ein Profi in einer Standardsituation. Victor sieht ihn unwillkürlich vor seinem geistigen Auge in einem Büro irgendwo auf der Welt, Vietnam vielleicht oder Chile, vor einer Gruppe seiner Agentenkollegen über einen Fall dozieren.
»Es scheint sich um eine sehr alte Gemeinschaft zu handeln, und sie scheint international zu agieren. Schon damals war sie in Deutschland und in den USA und in vielen anderen Ländern parallel tätig und hielt dort Kontakt zu vielen Leuten unterschiedlicher Profession und Herkunft. Und sie scheinen auf ein bestimmtes Ziel zuzuarbeiten, das wir nicht kennen.«
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