1 ...6 7 8 10 11 12 ...19 Doch, das klingt tatsächlich ganz nach ihm.
Sie huschte aus dem Gebäude und fuhr nach Hause. Lacey lag zusammengerollt auf der Couch und sah aus, als hätte sie sich seit dem Morgen, als sie das Haus verlassen hatte, nicht mehr bewegt. Sie maunzte ein paarmal, als Melanie ihre Kleidung auszog und sie in den Waschraum warf. Dann sprang die Katze von der Couch und folgte ihr den Flur entlang bis zum Badezimmer, nur um sofort wieder zurückzuflitzen, als sie hörte, wie Melanie die Dusche anstellte. Das kleine Tier war anscheinend immer noch angeschlagen von jenem Tag, als es sich im Schlamm gewälzt hatte und das Fell danach so verfilzt gewesen war, dass es ein Bad gebraucht hatte.
Als sie aus der Dusche kam, fand sie eine Textnachricht von Riley vor. Dennis ist gerade auf dem Campus aufgetaucht. Ich habe gesehen, wie er auf dem Parkplatz eingebogen ist, als ich wegfuhr. Schnapp ihn dir! Zeig‘s ihm! :P
Sie sprang sofort in ein Paar kakifarbene Shorts und streifte ein ärmelloses Shirt über. Ihr blieb nicht viel Zeit, also drehte sie ihre noch feuchten Haare kurzerhand zusammen und setzte eine dunkelblaue Red-Sox-Kappe auf.
Es war beinahe sechs Uhr, als sie den Campus erreichte, und die meisten Lehrer hatten das Gelände bereits verlassen. Der kleine Parkplatz hinter dem Gebäude für Englische Sprache war wie leer gefegt, als sie neben Dennis Wagen parkte. Ihre Wagentür fügte seinem silbernen Lexus womöglich eine kleine Delle zu, aber sie nahm sich nicht die Zeit, nachzusehen.
Er kämmte sich gerade seinen Schnurrbart vor einem kleinen Tisch-Spiegel, als Melanie in sein Büro trat. Sein erschrockener Gesichtsausdruck, gepaart mit dem deutlich sichtbaren Zucken, das durch seinen Körper fuhr, zeugte von absoluter Überraschung.
»Was kann ich für dich tun, Melanie?«, fragte er mit zittriger Stimme.
»Das weißt du ganz genau«, antwortete sie. Solche Dinge waren ihr noch nie leicht gefallen, daher fühlte sie sich unwohl in ihrem Körper und ihre Worte klangen irgendwie zäh und fremdartig. Beiß die Zähne zusammen und mach einfach weiter!
Er seufzte und zog seine Anzugjacke über seinem Bierbauch zurecht. »Das war beileibe keine leichte Entscheidung, Melanie.«
»Dann kläre mich doch bitte jetzt auf«, antwortete sie. »Du warst derjenige, der mich ermutigt hat, den Kurs überhaupt auf die Beine zu stellen. Ich habe zwei Jahre damit verbracht, meine Kenntnisse auf diesem Gebiet zu perfektionieren. Ich habe mich in die Arbeiten Homers, Virgils und Hesiods vertieft. Ich habe recherchiert und darüber geschrieben. Niemand an dieser Schule kennt sich damit besser aus als ich.«
»Weißt du, mit welchem Kurs du während deiner Karriere den größten Erfolg hattest?«
Mit allen , war sie versucht zu sagen … nicht aus Arroganz, sondern weil sie ihren Wert durchaus realistisch einschätzen konnte. Der Beweis dafür fand sich, wie Riley richtig bemerkt hatte, in ihren konstant überfüllten Kursen. Aber sie biss sich auf die Zunge und beantwortete die Frage nur mit einem Schulterzucken.
» Einführung in den Journalismus , wer hätte das gedacht?«, sagte Dennis. »Weißt du, was das Interessanteste daran ist? Du kamst eigentlich als Literaturprofessorin hierher, aber weil du eine Team-Playerin bist, hast du dich des Journalismus angenommen, als das College dich gebraucht hat. Dein Erfolg dabei spricht Bände. Volle Klassen, gigantische Erfolgsraten und Spitzen-Ergebnisse. Wie es scheint, hast du also deine Stärke und deine … Nische gefunden, und ob du es nun zugeben willst oder nicht, aber ich glaube, wir beide wissen, wo du wirklich hingehörst.«
»Dennis, das ist nicht fair. Ich bin damals gern eingesprungen, und ich bin froh, dass man meine Arbeit schätzt. Aber du hast mir persönlich versprochen, dass das Journalismus-Gebiet keine dauerhafte Sache wird. Du hast mir grünes Licht für Dissektion eines Epos gegeben, damit ich mich beweisen kann. Aber jetzt nimmst du es mir einfach weg. Gib mir den Kurs zurück. Bitte.«
Dennis goss ihnen zwei Scotch ein, aber Melanie lehnte ab. Sie wartete auf seine Antwort und erkannte plötzlich, dass es ein Fehler gewesen war, ihn zu bitten.
»Ich habe den Kurs an Miss Woreley gegeben, weil ich sehen will, wie sie sich außerhalb ihrer Komfortzone schlägt. So wie du damals mit dem Journalismus. Sie wird die Erste sein, die sich mit dem Thema auseinandersetzen muss.«
»Das ist Bockmist!« Ihr Blut kochte jetzt. »Wenn du willst, dass sie sich außerhalb ihrer Komfortzone schlägt , dann lass sie von mir aus zwei Jahre lang über Ethik im Journalismus referieren. Aber mich solltest du für meine Arbeit belohnen und mich den Kurs abhalten lassen, den ich ganz allein aufgebaut habe.«
»Ich habe meine Entscheidung bereits getroffen. Auf diese Weise kann ich Miss Woreley richtig beurteilen, ich entschuldige mich aber, wenn ich dich damit verärgert haben sollte. Doch da ich dich als Team-Playerin kennengelernt habe, bin ich mir sicher, dass du meine Entscheidung respektieren wirst.«
Sie kochte immer mehr vor Wut und ihre milchig-weiße Haut war mittlerweile rot angelaufen. Morton konnte auf ihren Wangen gerade bestimmt mehr als ein Dutzend Rottöne zählen. Noch schlimmer war es allerdings, dass ihr Tränen in die Augen stiegen, und das trug dazu bei, dass sie sich noch unwohler fühlte. »Du könntest mich zumindest endlich fest anstellen.«
Er hob das Glas an seine haarigen Lippen … um sein Grinsen zu verbergen, hätte sie schwören können. »Ich fürchte, dass du an diesem College momentan noch nicht fest angestellt werden kannst.«
»Dennis.«
»Da das Budget so schmal ist, kann ich in diesem Jahr nur einen einzigen Professor fest anstellen, und der Ausschuss war einstimmig in seiner Entscheidung, für Jill Woreley als Langzeitinvestition.« Er leerte sein Glas, lief zur Tür und öffnete sie. »Wir können das Gespräch sehr gern während der regulären Bürozeiten fortsetzen.«
Melanie fühlte sich wie erschlagen. Ihr Herz hämmerte, aber sie stürmte ohne ein weiteres Wort hinaus. Wenigstens hatte sie jetzt Gewissheit, auch wenn das nicht dazu beitrug, dass es ihr besser ging. Auf dem Weg zurück zu ihrem Wagen fühlte sie sich hundeelend, so als müsse sie sich jeden Moment übergeben.
Nicht, weil Dennis sie bezüglich ihrer Anstellung übergangen hatte, und auch nicht, weil diese dumme Göre plötzlich wertvoller für die Schule geworden war als sie, sondern, weil sie dadurch genau wusste, was sie als Nächstes tun würde.
***
Am nächsten Tag konnte Melanie an nichts anderes mehr denken, als daran, ihre Arbeit zu Ende zu bringen und dann so schnell wie möglich von diesem Campus zu verschwinden. Sie verteilte die korrigierten Arbeiten, als würde ihr Leben davon abhängen, und entließ die Klasse augenblicklich, als es keine drängenden Fragen mehr gab.
Oh Wunder …
Sie hielt es nicht aus, noch länger an diesem Ort sein zu müssen. Es erinnerte sie auf schmerzhafte Weise an ihr berufliches Scheitern. Daran gab es nichts zu beschönigen, wenn man bedachte, dass ihre Karriere das Einzige war, das sie in ihrem Leben besaß.
Sie räumte gerade ihr Büro auf, als ausgerechnet Jill Woreley an ihre Tür klopfte und hereinkam.
»Das ist gerade kein so guter Zeitpunkt, Jill …«
»Wann ist es das denn schon? Es heißt, du würdest für den Sommer die Stadt verlassen. Ich wollte vorher nur kurz mit dir reden.« Das Mädchen vergeudete wirklich keine Zeit und ließ sich jetzt in einen Sessel fallen. Ihre weißen Shorts rutschten dabei nach oben, als sie ihre Beine übereinanderschlug und ihre bronzefarbenen Oberschenkel beinahe anstößig aneinander rieben.
Melanie spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht schoss, als sie ihren Laptop in ihre Tasche stopfte. »Na schön«, stieß sie verärgert hervor. »Du kannst mich von mir aus zu meinem Wagen begleiten.« Eigentlich hatte sie noch gar nicht vorgehabt, zu gehen, aber nun, da Jill offenbar darauf aus war, es sich hier gemütlich zu machen, fühlte sie sich in ihrem eigenen Büro beinahe wie in einem Bordell.
Читать дальше