Matthias Prikoszovits
Berufsbezug in südeuropäischen DaF-Hochschulcurricula vor und nach der Krise von 2008
Untersuchungen an Lehrplänen aus Italien und Spanien
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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Dissertation am Institut für Germanistik der Universität Wien.
Gefördert mit freundlicher Unterstützung der Bergischen Universität Wuppertal.
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ISBN 978-3-8233-8392-5 (Print)
ISBN 978-3-8233-0257-5 (ePub)
BA – Bachelor
CLIL – Content and Language Integrated Learning
DAAD – Deutscher Akademischer Austauschdienst
DaF – Deutsch als Fremdsprache
DaZ – Deutsch als Zweitsprache
FSU – Fremdsprachenunterricht
GER – Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen
Kod – Kodierung
MA – Master
OeAD – Österreichischer Austauschdienst
OK – Oberkategorie
ÖSD – Österreichisches Sprachdiplom Deutsch
UK – Unterkategorie
DaF wird heute von vielen Menschen aus beruflichen Gründen gelernt. Vor allem seit den 1990er Jahren wird Deutsch an den verschiedensten Lernorten auch verstärkt berufsbezogen vermittelt, so auch an Universitäten. Ein an einer Hochschule absolviertes Studium assoziieren Studierende mit erhöhten Chancen auf einem Arbeitsmarkt, der vermehrt global und somit mehrsprachig ausgerichtet ist. Die unterschiedlichen Studienfächer überspannend birgt der hochschulische FSU folglich ein sehr großes Potenzial, Studierende für die kommunikativen Anforderungen in fremd- bzw. mehrsprachigen Berufswelten bereit zu machen. Hochschulpolitische Umwälzungen wie die Etablierung von BA/MA-Studiengängen oder einschneidende globale Ereignisse wie die 2008 ausgebrochene Wirtschaftskrise haben weltweit zu Bestrebungen geführt, der Berufsbezogenheit in Hochschulcurricula mehr Platz einzuräumen, um Studierenden den Übergang vom Studium zum Beruf zu erleichtern. Auch der universitäre DaF-Unterricht wurde von diesen Ambitionen, die auf eine verstärkte Anwendungs- und Berufsorientierung zielen, erfasst (s. Prikoszovits, 2019, S. 3–4).
Im vorliegenden Band werden südeuropäische universitäre Dokumente zur Unterrichtsplanung für DaF-Kurse aus Zeitperioden vor und nach dem Ausbruch der Wirtschaftskrise der späten 2000er Jahre einander unter dem Aspekt der Berufsorientierung gegenübergestellt. Aus dieser Kurzbeschreibung der Forschungsarbeit resultiert, dass einige definitorische Klärungen vorzunehmen sind. In der folgenden Einleitung zu der im empirischen Teil zu beschreibenden, fremdsprachendidaktisch ausgerichteten Studie werden lediglich fachfremde Termini fokussiert, es ist dies die Terminologie zur Wirtschaftskrise (Abschnitt 1.1), wobei neben begrifflichen Klärungen auch Ausführungen zur Wirtschaftskrise und deren Auswirkungen konkret in Südeuropa erfolgen. Definitorische Erläuterungen zu Südeuropa sowie zu Fremd- und Zweitsprache in beruflichen Kontexten werden erst im weiteren Verlauf der Arbeit relevant (Abschnitte 4.2.1 bzw. 3.2.2). Ausführlicher und ebenso an anderer Stelle werden die in diesem Band wesentlichsten Begriffe diskutiert, nämlich Curricula1 (in Abgrenzung zu Richtlinien und Lehrplänen, Abschnitt 2.2.2) sowie Berufsbezogenheit im Kontext FSU (Abschnitt 3.2.1). Der Forschungsstand in der Curriculumtheorie und jener im berufsbezogenen Lehren und Lernen von DaF werden nicht in der Einleitung, sondern in den Abschnitten 2.1 sowie 3.3 schrittweise erörtert.
In Abschnitt 1.2 der Einleitung werden bereits das allgemeine Erkenntnisinteresse und Vorannahmen dargestellt, bevor in Abschnitt 1.3 zur Aktualität und Relevanz des Themas der Beitrag unterstrichen wird, den der vorliegende Band zur Curriculumforschung in den Fremdsprachenfächern bzw. in DaF sowie zum berufsbezogenen Lehren und Lernen von DaF zu leisten vermag.
Schließlich wird in Abschnitt 1.4 der Einleitung der Gang der Untersuchung transparent gemacht.
1.1 Die Krise ab 2008: Terminologie und Fokus Südeuropa
(1) Terminologie
Die Terminologie aus den Bereichen Wirtschaft und Wirtschaftskrise kann in vorliegender fremdsprachendidaktisch ausgerichteter Studie als fachfremd angesehen werden. In Garzantis Enciclopedia dell’Economia 1 (=Wirtschaftsenzyklopädie, 2001, S. 338) heißt es zur Wirtschaftskrise, sie bezeichne in der allgemeinsten Bedeutung ein Zusammenspiel von Ereignissen in der nationalen oder internationalen Wirtschaft, die durch das Überwiegen negativer Elemente (Einbruch der Produktion und der Beschäftigungszahlen, Finanzierungsschwierigkeiten, Firmenkonkurse) charakterisiert sind. In der allgemeinsten Bedeutung sei eine Krisenzeit eine durch brüsken und langanhaltenden Produktionseinbruch gekennzeichnete Periode, die einer Expansionsphase folgt und von diffuser Arbeitslosigkeit, ungenutzten Einrichtungen, Investmentrückgang, Konkursen etc. begleitet ist. Von einer Wirtschaftskrise spreche man in bestimmten Kontexten auch, um momentane Verlangsamungen oder Entwicklungsstillstände anzudeuten.
Pérez García (2011, S. 273)2 spricht mit Blick auf die Jahre nach 2008 auch von einer „Großen Rezession“ („Gran Recesión“) der Weltwirtschaft, besonders der am meisten entwickelten Wirtschaften. Wie bei Garzanti ist auch bei Pérez García (ebd., S. 274) zu lesen, rezessive Phasen würden Phasen starker Expansion folgen.
Zur Finanzkrise heißt es in der Enciclopedia dell ’ Economia (2001, S. 339), im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichne sie eine Situation diffuser Verschlechterung der Lebensbedingungen in einem sozialen System. Von einem theoretischen Standpunkt aus werde sie gebraucht, um den Begriff „Wirtschaftskrise“ vom Begriff „Finanzkrise“ zu unterscheiden. Mit ersterem meine man sowohl eine Phase des wirtschaftlichen Kreislaufs („ciclo economico“, ebd., S. 231, d.h. sich in einer Marktwirtschaft abwechselnde Phasen von Prosperität einerseits und Depression andererseits) als auch den Stillstand und/oder das Ende eines Wachstumsprozesses. Mit letzterem bezeichne man den Effekt auf ein wirtschaftliches System einer pathologischen Unausgeglichenheit des Haushaltes des öffentlichen Sektors eines Staates („öffentliche Schuldenkrise“), der Zahlungsbilanz eines Staates („Währungskrise“) sowie des Haushaltes eines oder mehrerer Finanzvermittler („Bankenkrise“ oder „Krise des Finanzsystems“). Daher könnten Finanzkrisen zumindest theoretisch in drei Typen unterteilt werden: „Schuldenkrise“, „Währungskrise“ und „Bankenkrise“.
Zu diesen drei Typen von Krisen heißt es weiter (ebd., S. 339):
Schuldenkrise:
Diese sei gekennzeichnet durch die Unfähigkeit eines Staates, seinen Schuldenbetrag (intern oder extern) zur Gänze oder teilweise zu zahlen.
Währungskrise:
Währungskrise bedeute, dass es in einem System mit festen Wechselkursen einen unhaltbaren Druck auf Währungsbehörden gibt, die der Verteidigung der angekündigten Gleichheit vorangesetzt sind, damit sie zur Entwertung des Wechselkurses der nationalen Währung gegenüber einer oder mehrerer ausländischer Währungen voranschreiten könnten.
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