Eine Stunde später saßen die Freunde in Kommandant Wainrights gastlicher Kabine, unter dem sicheren Schutz der amerikanischen Kanonen, während Basils Diener das Aufladen des Gepäcks in ein Boot an der Längsseite der Constance beaufsichtigte.
„Bligh und Hackmüller werden erst etwas später kommen, deshalb lassen Sie uns alle Privatangelegenheiten vorher besprechen“, meinte Wainright. „Der Posten an der Tür schützt uns vor jedem Lauscher, hier ist der einzige sichere Ort für eine Beratung, aber wir dürfen hier zu oft nicht zusammenkommen. Ich habe schon einen Plan.“
„Und der lautet?!“ riefen alle auf einmal.
„Ich werde den Gouverneur Marquez entwaffnen, indem ich ihm ein offizielles Diner gebe. Bligh und der Professor müssen als Ehrengäste figurieren und ihn empfangen. Während sie ihn gesprächig machen, könnt Ihr seine Art beobachten und daraus entnehmen, wie vorsichtig Ihr sein müßt. Ich habe ihn schon durch ehrerbietige Höflichkeisbezeigungen halb gewonnen. Er darf nicht merken, daß ich mich für euer Boot interessiere. Könntest du es nicht ein paar Tage auf eine Fahrt schicken?“ fragte er May.
„Ich mag es den Leuten nicht anvertrauen. Mrs. Lee hängt außerordentlich an diesem letzten Spielzeug ihres Gatten; außerdem würde auch unsere Ausrüstung an Geschützen, Kriegsvorräten und Tauschobjekten Argwohn erwecken.“
„Oh, da kann ich abhelfen“, bemerkte Wainright nach kurzer Überlegung. „Ich will einige Bojen für Lotzwecke auslegen lassen, da mag der Fähnrich Crowninshield mit einer vollzähligen Bootsmannschaft eine Woche rauf- und runterfahren und hierzu die Constance nehmen, dadurch hat mein Kreuzer nicht nötig, Dampf zu machen. Euer Boot wird dann sicher sein, da sie glauben werden, daß ich es für diese Arbeit gechartert hätte.“
„Sehr gut“, sagten May und Goodloe in einem Atem; „und was hast du sonst entdeckt, wie liegen die Sachen hier?“
„Gouverneur Marquez sucht durch öffentliche Schaustellungen zu glänzen. Er ist ein schlauer Intrigant und zwingt die Kaufleute, sich besonderen Zollvorschriften zu unterwerfen. Matea Pesquiera wird sorgsam in dem alten Kastell zu Ures bewacht und sein gesamtes Eigentum ist konfisziert. Marquez residiert in dem alten Gouverneurshaus auf der Plaza. Wir haben nur auf Ihre Empfehlungen gewartet, um uns dem Bischof zu nähern. Fred Bligh war der Ruf eines Kapitalisten vorausgegangen, mit ihm zusammen hat der alte wunderliche Professor die ganze Stadt ausgeforscht, sie sind jetzt der Mittelpunkt aller Minenspekulanten, Landverkäufer und gestrandeten Abenteurer. Bligh bewegt sich als wohlhabender Unternehmer und Reisender überall ungeniert, und hat auch in Erfahrung gebracht, daß Pesquiera in nächster Zeit vor seine Richter gebracht werden soll. Seine Anhänger sind entmutigt, denn Ures hat eine regelrechte Besatzung von Bundestruppen.“
„Dann sind ja auch unsere Pläne alle hoffnungslos“, seufzte Mrs. Delmar.
„Durchaus nicht“, fiel der unternehmende Wainright ein. „Vergessen Sie den hochw. Herrn Bischof und Dolores Pesquiera nicht. Man muß irgendeinen Weg ausfindig machen, um den Gefangenen wissen zu lassen, daß wir in seiner Nähe und bereit sind, alles zu tun; dann muß man seine Wünsche zu erfahren suchen. Denn sobald die verborgenen Gelder in Sicherheit gebracht sind, ist uns jede Kriegslist, sogar Bestechung oder Überrumpelung erlaubt, um ihn zu befreien. Doch da kommen Bligh und Hackmüller schon, denken Sie nur, bitte, immer daran, daß niemand etwas von dem Schatze oder den Minen verlauten lassen darf. Die beiden wissen überhaupt nur, daß wir mit Pesquiera Verbindungen anzuknüpfen suchen. Sie, meine Damen, müssen heute nachmittag den Bischof Dominguez und Dolores Pesquiera aufsuchen, denn es würde uns alle verdächtigen, wenn wir Männer uns dem jungen Mädchen nähern würden. Heute abend versammeln wir uns in Ihrer Kajüte und Sie berichten uns Weiteres. Marquez darf nicht ahnen, daß der Bischof mit dem Gefangenen befreundet ist. Vor allem lassen Sie sich kein spanisches Wort entschlüpfen, damit wär’s um Ihre Sicherheit geschehen. Denken Sie daran, daß Sie heute auf dem Ranger übernachten, handeln Sie vorsichtig und klug.“
Der Eintritt der beiden Herren brachte eine frischere Stimmung in die Gesellschaft. Fred Bligh, dunkeläugig, von der Sonne scharf gebräunt, breitbrüstig und von kolossalem Körperbau, sprach langsam und schleppend, er kannte das abenteuernde, herumschweifende Leben im Westen seit vielen Jahren. In Professor Hackmüllers sinnendem blauem Auge und echt teutonischem Gesichtsschnitt spiegelten sich die Vorliebe für die Wissenschaft und die Sonderbarkeit des deutschen Gelehrten.
Ehe die Sonne im Meridian stand, waren die Damen über alle wissenswerten Ereignisse der Revolution unterrichtet. Die Zeit des Handelns war gekommen.
„Ich muß leider eingestehen, daß mein Plan, nach Ures einzudringen, unausführbar ist“, schloß Bligh seine Erzählung. „Ich hätte dort gar zu gern einige verführerische Minen selbst untersucht, aber der Weg wimmelt von Briganten, Mördern und entlassenen Soldaten. Hackmüller und ich werden warten müssen, bis jene menschlichen Überreste der Revolution verschwunden sind, und dabei brennt der Professor schon jetzt ordentlich auf diese interessante Arbeit.“
Die ganze Gesellschaft schwieg einige Augenblicke nachdenklich, bis Goodloe sagte: „Ich habe eine Idee. Der Professor und Sie selbst müssen dort einen mehrmonatlichen Aufenthalt nehmen. Wenn Sie ein Laboratorium und eine Versuchsanstalt für Zwecke der Goldgewinnung einrichten, entgehen Sie jeder Beargwöhnung und können weitere Forschungen vornehmen. Ihre scheinbare Beschäftigung wird jede Neugierde entwaffnen.“
„Sehr gut“, rief der Professor entzückt aus. „Das ist ein ganz vorzüglicher Plan, dann können wir auch bequem über die Sicherheit der Damen wachen, und die Herren May und Goodloe beurlauben, damit sie versuchen können, sich dem Kerker des Freundes zu nähern.“
„Sobald wir die Erlaubnis zur Niederlassung haben und Sie selbst gerüstet sind, werden wir alles für die nötigen Untersuchungen und Experimente vorbereiten, das wird uns in den Augen des Volkes ungefährlich machen“, fügte Bligh hinzu.
Die Herren konferierten noch eine zeitlang mit Mrs. Delmar, indessen führte Wainright auf dem Vorderdeck Anita auf und ab.
„Ich will das erste Treffen in Ihrem Kampfe zu gewinnen versuchen, indem ich den Champagner bei dem Frühstück, das ich Marquez geben werde, in Strömen fließen lasse!“
„Was hat denn das damit zu tun?“ fragte verwundert das junge Mädchen.
„Wenn Sie mir nämlich einen Brief von der Tochter des Gefangenen und eine lateinische Beglaubigung des Bischofs verschaffen, dann will ich Marquez zu überreden suchen, daß er mir eine Eskorte für eine Visitationsreise nach Ures bewilligt. Wenn dort List oder Bestechung in das Gefängnis Pesquieras führen, dann werde ich ihn zu erreichen wissen. Mein offizieller Charakter sichert mich ja vor jedem Argwohn.“
„Kommandant, Sie sind ein Engel!“ rief Anita aus.
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