Richard Henry Savage
Autorisierte Uebersetzung von Gertrude bildebrandt-Eggert.
Mit Illustrationen von A. v. Schrötter.
Saga
Richard Henry Savage: Die Prinzeß von Alaska -. Aus dem Englischen von Gertrude Hildebrand Eggert © Richard Henry Savage. Originaltitel: Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2015 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen 2015. All rights reserved.
ISBN: 9788711462959
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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Die Erschliessung der Goldfelder von Alaska hat die Abenteurer der ganzen Welt in Bewegung gesetzt und eine wahre Völkerwanderung nach den unwirtlichen Gestaden des Yukon entfesselt. Die Presse, bemüht, dem Zeitungsleser alles Wissenswerte und Interessante zu berichten, hat durch ihre Schilderungen die allgemeine Aufmerksamkeit auf das Leben und Treiben in dem neuen Goldlande hingelenkt und die Vorgänge in Klondike sorgen dafür, dass das allgemeine Interesse auch ein reges bleibe.
Richard Henry Savage, einer der gelesensten und fruchtbarsten amerikanischen Schriftsteller, der sich durch seinen früheren Roman: „Meine offizielle Frau“ auch in Deutschland einen Namen gemacht hat, kommt dem Interesse an diesen Vorgängen durch ein neues Werk seiner Phantasie entgegen, das wir hiermit der deutschen Lesewelt übergeben. Mag die überaus dramatisch gestaltende Phantasie des geschätzten Verfassers auch hie und da dem Glauben seiner Leser mehr zumuten, als das wirkliche Leben rechtfertigt, so ist doch seine Art zu erzählen eine so fesselnde, seine Schilderung des arktischen Alaska und seiner Bewohner eine so lebendige, dass Uebersetzerin und Verleger der Ueberzeugung sind, in diesem Werke der deutschen Lesewelt eine der interessantesten Schöpfungen der amerikanischen Litteratur zu bieten.
Erstes Buch.
Der Gefangene des Zaren.
Die dumpfes Grollen des Donners, so dröhnten drei Kanonenschüsse durch die friedliche Abendstille.
Sie trafen das Ohr eines einsamen Mannes. Er lehnte an einer der Bastionen der Festung Nikolajewsk und schaute träumerischen Blickes über das mächtige Wasserbecken dahin, das der Amur an jener Stelle bildet, an der sich seine Wasser mit denen des Shilkai, Arguin, Sungari und Ussuri zu dem Golf von Saghalien vereinen.
Ein leises Zittern durchbebte seinen Körper, als er die eherne Mahnung vernahm. Sie war das Zeichen, sich, wie alle die an diese freudlose Stätte Sibiriens Verbannten, in die von dem Gürtel der Wachen eingeschlossene Wohnstätte zurückzuziehen.
„Da drüben grüsst dich die Freiheit,“ so leuchtete es von seinen Augen. Und wie festgebannt hingen sie an dem Sternenbanner, das vom Heck eines amerikanischen Handelskutters herniederflatterte, den die leichten Wogen des Golfes schaukelten.
„Wer doch zu dir hinüber könnte!“
Wie ein schmerzliches Zucken der Entsagung glitt es über das bleiche Antlitz, dann schritt Fedor Orloff, dem dumpfen Befehle gehorchend, den schmalen Waldweg hinab und der Blockhütte zu, die man ihm zum Aufenthalte angewiesen hatte.
Kaum, dass er die ersten Baracken erreicht hatte, tönte ihm ein „Halt, Wer da?“ entgegen.
„Der Gefangene Nr. 24 190 von der Flussbatterie zurück!“ gab er kurz und kalt zur Antwort.
„Passiert,“ antwortete die Wache, nicht ohne dass sie ihn mit einem prüfenden Blicke gemustert hätte.
„Elende Kreaturen!“ murmelte der Sträfling. „Wie konntet Ihr dastehen, als ich noch Fedor Orloff war, der Offizier der Kaiserlichen Garde, der Adjutant des Czarewitsch, der verwöhnte Liebling des Hofes.“ Seine Zähne knirschten aufeinander.
„Eilt Euch, Barin!“
Orloff blickte um sich.
„Ah, Ihr seid es, Iwan.“
Der Angeredete, ein alter, grauer Sträfling, nickte.
„Was giebt es?“
„Es ist Zeit, dass Ihr esst. General Dachkoffs Ordonnanz ist hier gewesen und hat Euch gesucht. Es ist, glaube ich, grosse Sitzung drüben. Alle Offiziere sind befohlen. Man redet von einer Korvette, die signalisiert ist, und morgen mit der Flut einlaufen wird.“
„Was mag man wollen?“
„Was der Zar befiehlt,“ erwiderte Iwan trocken und öffnete Orloff die Thür der gemeinsamen Hütte.
Ein düsteres Gemach schaute ihnen entgegen. Der festgestampfte Erdboden ersetzte die Diele. Ein roh gezimmerter Tisch, ein paar glattgesessene Bänke, zwei elende Lagerstätten, da und dort ein schlecht und recht zusammengehauenes Gefach, das war die ganze Ausstattung, die der trübe Schein einer Unschlittkerze aus dem Dunkel hervortreten liess. Auf dem Tische stand ein irdner Napf mit der dicken breiigen Suppe, die man den Gefangenen zum Abendessen reichte.
Schweigend setzten sich die beiden einander gegenüber. Der Alte nahm seinen Holzlöffel und liess sich das ärmliche Mahl sichtlich schmecken. Er mochte einer jener völlig stumpf gewordenen Naturen sein, die sich so an ihr freudloses Dasein gewöhnt haben, dass sie nicht einmal vom Tode mehr eine Erlösung erhoffen.
Orloff stützte den müden Kopf in seine Hände, die sich unwillkürlich ballten. Welche Bilder mochten wohl vor seinen Augen schweben? „Ach, so nichts anderes zu sein, als ein willenloses Wesen in der eisernen Faust dieser knechtischen Gewalthaber des allmächtigen Zaren. Und keine Hoffnung, dieser Hölle lebendigen Leibes zu entfliehen!“
Iwan achtete kaum auf die Seelenregung seines Genossen. „Werdet Euch daran gewöhnen müssen,“ hatte er ihm sonst wohl gesagt, wenn ihm das ganze Elend seines vernichteten Lebens vor die Augen getreten war und er sich in Fieberphantasien auf seinem Lager gewälzt hatte. „Gegen das Schicksal lässt sich nicht kämpfen.“
Aber Orloff war das ein matter Trost. Zu jung, um das Hoffen zu verlernen, zu verbittert, um den Gedanken an eine Vergeltung aufzugeben, lebte er dem Augenblicke entgegen, in dem irgend ein Wunder ihn erlösen mochte. Und das Glück schien ihm nicht abhold zu sein. Seine ausserordentliche Befähigung, seine ausgezeichneten wissenschaftlichen Kenntnisse hatten ihm auch hier, an den fernen Gestaden des Amur, eine Ausnahmestellung gesichert.
Trotz der Sträflingsmarke, die er trug, hatte ihn General Dachkoff, der Generalissimus des Amurgebietes, in sein Bureau berufen, gewisse die Aufschliessung des Landes betreffende Arbeiten zu leiten, und Fedor Orloffs genialer Blick hatte dem General so überraschende Dienste geleistet, dass er sich davon hohe Ehre versprechen konnte. So war Orloff wenigstens das Glück zuteil geworden, seinen Geist rege zu halten. Freilich empfand er dabei das Trostlose seiner Lage um so mehr, aber es erhielt ihn für den Augenblick, von dem er träumte. War es nicht auch Bakunin gelungen, sich an Bord eines amerikanischen Walfischfängers zu retten und so das Land der Freiheit zu erreichen, dessen Flagge ihn heute so verheissungsvoll gegrüsst? — Gewiss! Er wollte hoffen, musste hoffen, wenn nicht die irdische Gerechtigkeit blos ein Schemen menschlicher Gedanken sein sollte.
Aus seinen Träumen sich losreissend, begann er ein Stück Schwarzbrot zu kauen und ging daran, einige Birkenscheite unter einem rostigen Blechkessel in Brand zu setzen, der ihm den Samovar ersetzen musste. Nicht lange, so dampfte ein Glas Thee vor ihm, dessen Duft seine Lebensgeister anregte.
„Also, General Dachkoff hat mich befohlen?“
„Jawohl, Barin, es ist die höchste Zeit, dass Ihr Euch auf den Weg macht,“ erwiderte Iwan, ruhig weiterlöffelnd.
„Dann gute Nacht!“
„Die Mutter Gottes sei mit Euch.“
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