Marie-Madeleine de La Fayette - Die Prinzessin von Clèves

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Die junge Mademoiselle de Chartres heiratet den Prinzen von Clèves, den sie zwar achtet, aber nicht liebt. Kurz darauf verliebt sie sich Hals über Kopf in den attraktiven Herzog von Nemours. Die beiden geben ihrer Leidenschaft nicht nach, doch die Prinzessin gesteht ihrem Mann, dass sie sich verliebt hat.

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Marie-Madeleine de La Fayette

Die Prinzessin von Clèves

Inhaltsverzeichnis

Vorerinnerung.

Erstes Buch.

Zweytes Buch.

Drittes Buch.

Viertes Buch.

Impressum

Vorerinnerung.

Eben die Gründe, die mich bestimmt hatten, der Zaide ein Deutsches Gewand zu geben, haben mich vermocht, der Schwester derselben ein Gleiches zu thun. Die Verfasserinn beyder verdient es wohl, ihren Talenten und ihrem Herzen nach, unsern Landsmänninnen so vorteilhaft bekannt zu werden, als sie es ihren Zeitgenossinnen war, und die Prinzessinn von Cleves kann ihr, in so fern feines Gefühl, Tugend, strenge Moralität, Einfall und Adel aus diesem Werke wie aus ihr selbst sprechen, diesen Dienst unwidersprechlich leisten.

Wer die Zaide gelesen hat, wird finden, daß sie und die Prinzessinn von Cleves von Einer Hand und aus Einem Herzen seyn müssen, nur hat jene eine mehr romantische und buntere Einfassung, als diese, die ein sanftes, einfaches, aber ganz vollendetes Gemählde eines zärtlichen und edlen Herzens ist, in welchem Liebe und Tugend um den Vorrang streiten. Ich gestehe, daß ich kein darstellendes Werk kenne, wo diese Aufgabe mit mehr Zartheit, feinem Gefühl, und tugendhafter Kenntniß des weiblichen Herzens durchgeführt und zu einem moralischen Zwecke geleitet worden wäre, als in diesem, und wer die sanfte, auf die innigste Kenntniß der Liebe gebauete Stufenfolge vom ersten Eindrucke bis zum äußersten Grade derselben auffassen und ihr nachgehen will, wird finden, daß er einen in Handlung gesetzten Kommentar über jene Leidenschaft gelesen hat.

Auch in Absicht der schriftstellerischen Kunst ist die Prinzessinn von Cleves, wie Zaide, sehr vorzüglich. Die Einfassung der erstern (die freylich für Deutsche Leser weniger interessant ist, als für Französische, und die deßhalb in meiner Bearbeitung hier und da verengert werden mußte) ist mit großer Einsicht und mit der tiefsten Kenntniß der wahren historischen Charakteristik jener Zeiten und jener Menschen abgefaßt und mit einer Täuschung um das eigentliche romantische Gemählde geschlungen, die selbst den ernsthaften Geschichtsforscher verleiten könnte, die nähern Umstände der Liebschaft der Prinzessinn von Cleves mit dem Herzog von Nemours in den Annalen jener Zeiten aufzusuchen. Denn keine einzige historische Angabe ist entstellt, kein einziger Character verschoben oder der Dichtung auch nur in dem kleinsten Zuge angepaßt worden.

Der Plan ist einfach und geht von der ersten Periode an ohne Sprünge, ohne Zwang der Verwicklung und von dieser der Entwicklung entgegen, und selbst das, was vom Anfange herein Episode scheint, zeigt sich, gerade wie in der Zaide, endlich als Motiv oder Erläuterung der Angaben im Hauptfaden der Geschichte. Ich wünschte, daß der Herr von Blankenburg, bey der Abfassung seines Versuchs über den Roman, hauptsächlich bey dem, was er von der Motivirung und Vorbereitung der Begebenheiten sagt, sich dieser beyden Romane erinnert hätte: sie halten in diesem Puncte noch strengere Proben aus, als die dort angezogenen und zur Nachahmung zergliederten Werke.

Der Styl ist ungekünstelt, elegant und korrect, und selbst die strengsten Französischen Litteratoren erkennen diese Vorzüge an. Ich habe gethan, was ich konnte, um bey Gelegenheit dieser Verdeutschung nicht auf mich anwenden zu lassen, was die Verfasserinn anderswo von schlechten Uebersetzern sagt: daß sie ungeschickten Lakeyen zu vergleichen wären, welche die Komplimente, die man ihnen aufträgt, in Grobheiten verwandeln. Ich habe mich bestrebt, das Original so wenig verlieren zu lassen, als Werke dieser Art, die im Tone der feinen Welt, der Liebe und Galanterie sprechen, in unserer Sprache beständig verlieren müssen. Ob dieß ein Unglück für unsre Sprache wie für unsre Nation ist, mag ich nicht untersuchen; aber ich wünschte doch, daß man mit unserer Sprache Alles sagen könnte. Daß man dieß mit ihr nicht könne, scheinen noch viele unserer Gelehrten nicht zu glauben, die ihren unerschöpflichen Reichthum in Absicht der Dichtkunst kennen und selbst verschwenderisch genutzt haben; aber es ist gewiß, daß sie in Absicht der raschen, feinen, schmeichelnden Wendungen in der höhern und galanten Conversation, gerade so arm ist, als die Französische in Absicht der Gegenstände, die für ihre Schilderung Herz, Einfalt, Erhabenheit und Kühnheit verlangen. Wir sprechen, gegen die Franzosen gehalten, in unsrer Gesellschaftssprache, so schlicht, eingeschränkt und zum Theil roh, als die Franzosen, gegen uns gehalten, in ihrer Tochtersprache witzig, oder überspannt, aber immer nüchtern ober amphigourisch sprechen. Man hat schon die Güte gehabt, die ich mit herzlichem Dank erkenne, und mir einen leichten Conversationston zugeschrieben; aber ich darf darum doch versichern, daß ich noch einen großen Weg zu thun zu haben glaube, eh' ich mich der Zufriedenheit der Kenner Französischer Conversationssprache werde werth halten können: besonders seitdem ich mit eignen Augen und Ohren mich von den Französischen Societäten und ihrem Tone habe unterrichten und seitdem ich aus der Uebersetzung eines meiner kleinen Romane [Maurice, roman de Fr. Schulz, traduit de l'Allemand d' après la nouvelle edition. Lausanne Paris, 1789.] , dessen Style man gerade in Deutschland jene Tugend zuschrieb, nur zu deutlich habe sehen können, wie langsam und schwerfällig, selbst der rascheste Deutsche Vortrag, in Französische Worte übergekleidet, fortschreiten muß. Aber wir und unsre Sprache befinden uns deßhalb um nichts schlimmer. So lange wir für Galanterie, Frivolität, Conversation, Bonmot ec. keine eigenen Wörter haben, so lange werden wir auch keine Weiber, die bloß aus Mode ihren Männern untreu sind, keine niedlichen Wichtigkeiten, keine in System gebrachte Afterrede und keine lachende Beleidigungs-Schmäh- und Demüthigungskunst haben. Fast möchte ich sagen: kein Mensch kann etwas thun, was er nicht nennen kann; und wäre dieser Grundsatz ganz wahr, so wünschte ich, daß wir eine Menge Dinge den Franzosen nicht, eine Menge anderer aber, ihnen pünktlich Deutsch nachsagen könnten.

Weimar, den 1. December 1789.

Erstes Buch.

In den letzten Jahren der Regierung Heinrichs des Zweyten war der Französische Hof eine Feenwelt mit Menschen bevölkert. Pracht, Galanterie, Ritterwesen und Schöngeistern liefen in einem Punct zusammen, und gewährten ein Schauspiel, dessen Glanz auch den blendete, der es wußte, daß es in dem Labyrinthe tausendfacher Cabalen gegeben wurde.

Diane von Poitiers, Herzoginn von Valentinois, hielt schon seit zwanzig Jahren die Neigung des Königs gefesselt, und die Feste und Feyerlichkeiten, die sich bey Hofe drängten, waren alle ihr zu Ehren angestellt. Ihr Nahmenzug und ihre Farben zeigten sich überall, und sie selbst konnte sich überall zeigen, weil die Gegenwart der Königinn sie berechtigte, überall zu seyn, wo diese war.

Die Königinn, Catharine von Medicis, war noch schön, obgleich nicht mehr in der ersten Jugendblüthe. Sie liebte Pracht, Aufwand und Vergnügungen, aber Begierde zu herrschen war ihre Leidenschaft. Es schien, als ob ihr die Neigung des Königs für die Herzoginn nicht schmerzlich fiele, und nie ließ sie Eifersucht laut werden; aber sie verstand die Kunst der Verstellung in hohem Grade, und es war sehr schwer, ihre Gefühle und Gedanken zu ergründen. Politik bestimmte sie, Jene in ihrer Nähe zu behalten, weil sie dadurch den König in ihrer Nähe behielt.

Der König fand großen Geschmack an dem Umgange mit Weibern, selbst mit solchen, in die er nicht verliebt war. Wenn Cirkel bey der Königinn war, fehlte er nie, weil sich da alles, was Schönes und Reitzendes von beyden Geschlechtern bey Hofe war, zusammen fand.

Nie muß ein Hof so viel schöne Männer und Weiber aufzuweisen gehabt haben.

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